Kapitel 34~ Ein Freund stirbt

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"Alles gut?", fragte Lord Leuvis und hob mich wieder zum Fenster hinein. Ich schüttelte den Kopf und er ließ mich langsam zu Boden, wo ich meinen verdrehten gebrochenen Knöchel betrachtete.
"Leuvis, was soll das? Die da ist ein gutes Fressen.", keifte das kleinliche Monster Leuvis nun an, woraufhin er ihm nur mit einem kalten Blick antwortete und das Monster schlagartig die Klappe hielt.
Schließlich stahl sich sein Blick von meinem Gesicht zu meinem Fuß und wieder zurück.
"Das wird jetzt ein wenig weh tun, beiß die Zähne zusammen."
Ich tat wie mir geheißen und hielt die Luft an.
Er packte meinen Fuß und mein Bein und mit einem Ruck verdrehte er ihn wieder an seinen ursprünglichen Platz.
Ich sog schmerzverzehrt die Luft ein und Tränen traten mir in die Augen.
Leuvis stand wieder auf und besah sich das kleine Monster.
"Wieso hast du das getan?", wimmerte es eingeschnappt.
"Du lässt sie in Ruhe, sie ist meine Beute, klar?"
Es nickte.
"Für heute lass ich dich in Ruhe."
Ohne noch ein Wort zu sagen verließen die beiden das Haus und ließen mich allein. Erschöpft drehte ich mich zur Wand und schlug einmal heftig mit dem Kopf dagegen.

Es wird nur leider kein weiteres Mal geben.

Daraufhin kroch ich über den Boden, auf der Suche nach einer Stabilisierung, doch als ich keine fand, zertrümmerte ich einen Stuhl und nahm dessen Bein.
Das zerbrochene Bein legte ich an beide Seiten meines Knöchels an und umwickelte das Konstrukt schließlich fest mit einem Verband, der ebenfalls in meinem Rucksack verblieben war.
Ich könnte mich zwar in ein Monster verwandeln und das Problem somit umgehen, aber wenn die anderen mich sehen würden, wäre es aus mit mir und deren Plan.
Angestrengt dachte ich darüber nach, was ich tun könnte, doch ich kam zu keinem Schluss.
Letztendlich schleppte ich mich zum Fenster und besah mir den Anblick, der sich mir bot.
Stille...
Nur aus dem Wald hörte man ein paar Stimmen, doch auch die konnte nur ich wahrnehmen.
Verbittert stand ich da, hilflos nicht wissend wohin.
War es nun alles vorbei?
Ich zuckte, ein Trillern! Es begann, sie mordeten.
Mühselig krabbelte ich aus dem Fenster hinaus.
Schritte kamen aus einer Richtung und George tauchte auf.
"George!", rief ich ihm erfreut entgegen und lächelte.
Er hingegen besah mich ungläubig.
"Wieso bist du kein Monster?"
"Na weil... Sonst der Plan kaputt geht."
Er zischte.
"Ja und so gehst du kaputt hun! Komm!"
Er breitete die Arme aus.
"Hun??", entgegnete ich verächtlich.
"Überleg dir was andres.", knallte ich ihm gegen den Kopf und sprang.
Federnd leicht fing er mich auf und warf mich dann über seine Schulter, in der anderen Hand seine Sense.
"Hey! Lass mich runter!"
"Niiiieemals.", sprach er leicht flirtend.
Ich schlug ihn.
"Ich hab den Körper einer 11/12-jährigen."
"Ja und? Du bist tausend Jahre alt."
"Eww.", entgegnete ich bloß.
"Okay, lass uns gehen!"
Verwirrt besah ich ihn.
"Wohin?"
"Na, zu den anderen."
"Was? Nein! Lass mich los!" Ich wand mich so gut es ging um aus seinem Griff heraus zu kommen, doch er war sogar noch stärker als ich.
"Was willst du denn noch tun? Wenn du die Zukunft nicht verändern darfst dann komm mit!" Er quälte das aus sich heraus während er mich mit Müh und Not fest hielt.
"Ich hab die Zukunft doch schon längst verändert, also lass mich jetzt runter!", schrie ich ihn halb an.
"Bitte..."
Er stand ein paar Sekunden reglos da, doch ließ mich schließlich, wie ich merkte verbittert, runter und sah mich kalt an.
"Okay, dann viel Erfolg." Er drehte sich um und ging.
"George...", rief ich ihm noch geknickt hinterher, doch er ignorierte mich.
Bedröppelt rührte ich mich nicht vom Fleck.
Ich hatte doch nichts... Schlimmes getan. Ich will doch nur mein Ziel erreichen.
>>Auch wenn du dein Ziel vielleicht nie erreichst?<<
Ich zuckte zusammen, als mir der Satz in den Sinn kam, den die seltsame Person zu mir gesagt hatte.
Die unendlichen Schuldgefühle von damals und die Wut und Traurigkeit kochten wieder in mir hoch.
Was hatte ich bis jetzt getrieben? Bin unzählige Male gestorben, habe Kinder gefressen, bin nie eine emotionale Bindung eingegangen und jetzt wo ich eine hatte ließ ich es kaputt gehen?
Ich ballte die Fäuste.
"GEORGE! WARTE!"
Ich rannte los in die Richtung in die er gegangen war.
"George! Es tut mir leid! Bitte, ich komme mit dir mit!"
Meine Beine trugen mich von allein, als hätte ich keinen gebrochenen Knöchel.
Nein, falsch.
Unbewusst hatte ich mich in ein Monster verwandelt.
Schlitternd versuchte ich die Kurve zu bekommen und ehe ich mich versah lag ich auf dem Boden, die Haut aufgeratscht, doch nach einer Sekunde wieder regeneriert.
Ein unerklärliches Tropfen erklang vor mir und ich erhob mich.
Ich wechselte in meinen menschlichen Körper und konnte schon wieder etwas besser laufen, die Umwandlung hatte geholfen.
Schritt für Schritt kam ich dem Geräusch näher.
"... Heh?..."
Was war das, nein das konnte nicht sein.
"Geo...rge? Bist du..."
Ungläubigkeit.
Verständnislosigkeit.

Leuvis stand da, als wäre nichts. Als würde George nicht verblutend vor ihm liegen.
"GEORGEEE!", schnell kniete ich nieder und fühlte seinen Puls.
Still...
Er war weg!
George war weg!
Er war tot!
"Neiinnn!", gequält breitete sich Trauer in mir aus, meine Augen wurden glasig und meine Sicht verschwommen.
"Neiiiiin...." Zitternd saß ich da, nicht wissend was passiert war und meine Tränen tropften auf Georges Gesicht.
Liebevoll strich ich über seine Wangen und nahm seine Hand in meine.
Erst jetzt fiel mir auf wie groß er eigentlich geworden war und wie fürsorglich er immer zu seinen Mitmenschen war.
Er hätte wie ein Bruder für mich werden können.
Er hätte mal wieder ein enger Freund sein können.
Er hätte mit mir gekämpft und das Leben bestritten, wie meine Freunde von damals.
"Leuvis... Du bist zu weit gegangen!" Erbost sah ich ihn von unten an.
"Könnte dein Blick töten, wäre ich jetzt wohl eine tote Maus." Er lachte.
Wie konnte er lachen?
"GEORGE HATTE NICHTS MIT MIR ZU TUN! WIESO HAST DU IHN UMGEBRACHT?!"
Ich sprang auf und zog meine Pistole aus dem Rucksack.
Blind vor Wut stand ich da, den Lauf auf ihn gerichtet, wissend, es würde nichts bringen zu schießen.
Er lächelte daraufhin nur hinterhältig und beugte sich zu meinem Ohr.
"Das ist die Welt, Nummer 00001. Tut mir ja sehr leid."
Er legte beschwichtigend eine Hand auf meine Schulter und schritt erhobenen Hauptes davon.
Schwer atmend stand ich da, von Wut eingehüllt in eine schwarze Leere fallend.
Alles war nun schwarz und ich fiel fiel immer weiter.
Mit einem Platschen landete ich in einem schwarzen See.
"Ouch!" Ich klatschte meine Hände gegen meinen Kopf, indem ein lautes hohes Fiepen erklang.
Es tat weh.
So weh.
Dieses Fiepen.
Diese endlosen Jahre.
Georges Tod.
Der Tod meiner Freunde.
Es tat alles so sehr weh.
"Ich will nicht mehr...", hauchte ich in die schwarze Dunkelheit.
"Wieso kann das alles nicht aufhören?"
Ich hickte und schluckte meine Tränen hinunter.
"ICH WILL DOCH EINFACH NUR STERBEN VERDAMMT!"
"Sterben huh? Keine gute Idee." Schlagartig fuhr ich in die Richtung herum, aus der seine Stimme erklang.
"Ja! Sterben du Monster! Das war unser Versprechen! Hab ich nicht langsam genug getan? Genug gelitten? Befrei mich endlich!"
Keine Antwort.
"Was ist? Bist du immer noch so rachsüchtig? Lass es endlich bleiben, es hat keinen Sinn! Lass mich in Ruhe!"
Keine Antwort.
Jammernd sackte ich zusammen.
"Lass mich einfach gehen. Bitte! Es tut mir leid, schon seit tausend Jahren. Lass mich endlich gehen."
Jemand wischte meine Tränen weg, doch ich konnte nichts sehen. Er war es vermutlich.
"Wenn du ihn frisst...", erklang seine Stimme erneut.
"...Wird er für immer bei dir sein, so wie Nous und Nouma."
"Was?"
Die Dunkelheit verzog sich und schnell saß ich wieder vor George die Pistole immer noch in meiner Hand.
Ein erneutes Trillern erklang aus der Ferne.
Ich steckte die Pistole weg und widmete mich ruhig George zu.
Die helle Maske zog ich auf mein Gesicht und mein Körper wurde wieder der eines Monsters.
Fröstelnd ergriff ich Georges Kopf.
Ich musste ihn essen...
Ich musste...
Angeekelt packte ich ihn in meinen Mund, doch zuzubeißen war die reinste Hölle.
Schluchzend hörte ich das Knacken des Schädels und langsam floss mir das noch warme Blut den Kiefer hinunter.
Ich schluckte.
Der ganze Vorgang dauerte fünf Minuten, bis George weg war, in meinem Magen.
Verstört hiefte ich mich nach oben.
Meine Nummer am Hals sank um eine Zahl.
00000 war es jetzt wieder.
Ein infantiles Kind.
.
.
"So sieht man sich wieder... Nummer 63194, >>Emma<<."
Erklang es nun nur noch leise in meinem Ohr.

Die Zeit war soweit.

TPN- Eine etwas andere GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt