Kapitel 13 ~Zusammenbruch

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Ich knöpfte mein Hemd auf und zog es aus. Auch aus dem Rest meiner Sachen schlüpfte ich raus. Ich tapste die Fliesen entlang zu den Duschen und öffnete die Tür. Reihe an Reihe waren die Duschen an den Wänden fest gemacht. An der mir gegenüberliegenden Seite war ein Spiegel über die ganze Wand gezogen.
Ich hatte diesen Raum schon oft betreten, auch ohne zu duschen. Einfach um meine furchtbare Gestalt anzublicken. Ich berührte meine Taille und spürte die unebene Haut unter meinen Fingern. Egal wie oft ich starb, das ging nie weg. Rot zeichnete es sich auf mir ab, Narben. Sie waren riesig.
Ich legte meine Hand auf den Spiegel und betrachtete mein Gesicht. Meine Augen, die fast schwarz schienen. Meine Haare, die von hellen weißen Strähnen unterbrochen wurden. Eine Pigmentstörung, früher hatte ich mir deswegen immer Ärger einziehen müssen. Bloß weil meine Haare nicht einheitlich dunkel waren.
Menschen sind grausam. Meine Hand ballte sich zu einer Faust und ich schlug mit voller Wucht immer wieder gegen den Spiegel. Wieder und wieder und wieder.
Mit einem lauten klirren brach ich durch und spürte die Wand. Es tat weh und die Scherben verteilten sich auf dem Boden. Mein Herz schlug fest und schnell gegen meine Brust.
Ich trat ein paar Schritte zurück und schnitt mich dabei an den zu Boden gefallenen Scherben. Ich zuckte zusammen. "Ouch." Ich hüpfte mit einem Fuß in meiner Hand weiter weg und schnitt mich dabei auch an dem anderen Fuß. "Scheiße, verdammt, kacke." Entfuhr es mir. "Aaaah." Ich war so sauer. Sauer auf mein Leben, sauer auf die Menschen, sauer auf den Spiegel, sauer auf die Monster, sauer auf mich und sauer auf allgemein alles.
Ich verlor das Gleichgewicht und fiel auf den kalten harten Boden auf. Jetzt hatte ich auch noch Nasenbluten.
Doch statt zu Isabella zu gehen und mich verarzten zu lassen tat ich das wozu ich eigentlich hierher gekommen war. Duschen.
Ich drehte die Dusche auf und ließ das Wasser auf meinen Körper prasseln. "So warm." Ich begann schmerzhaft zu lächeln. Es tat so weh, mein Herz. Jeden einzelnen Tag. Ich wälzte mich abends im Bett, mit diesen Schmerzen als seien es körperliche und wimmerte immer wieder leise weil ich wollte, dass es aufhörte. Jeden Tag wandt ich mich schmerzhaft durch. Sterben, ich wollte endlich sterben.
Als ich fertig war ging ich die Treppen mit Mühe hoch und hinterließ eine kleine Blutspur von meinen aufgeschnittenen Füßen. Schuhe oder Socken anzuziehen hätte viel zu weh getan.
Ich erreichte Isabellas Raum und klopfte an. Es verging einige Zeit. War sie jetzt etwa nicht hier? Wie ätzend.
"Baaah." Ich hörte ganz in der Nähe ein paar Kinder und schon sah ich Phil auftauchen. Ich lächelte "Phil!" Er blieb stehen und sah mich an. Er sah nach unten zu meinen Füßen. "Ah, was hast du gemacht?" Er klang besorgt. "Tut mir leid, weißt du wo Mama ist? Ich würde mich gerne verarzten lassen." Er überlegte kurz. "Das letzte Mal hab ich sie in der Bibliothek gesehen. Sie hat Shelly beim lernen geholfen." Ich bedankte mich und wollte gerade los gehen, doch Phil hielt mich auf. "Warte, ich bringe sie her. Dann musst du nicht noch mehr laufen." Bevor ich etwas sagen konnte drehte er sich schon um und war verschwunden.
Ich setzte mich, es war zu anstrengend weiter zu stehen. Nach einer Weile kam Isabella die Treppen hoch und blieb vor mir stehen. Erschrocken ging sie in die Knie. "Was hast du denn gemacht?" Sie berührte meine Füße und betrachtete die Unterseiten. "A-Ach ich..." Ich sprach nicht zu Ende. "Na komm, ich desinfiziere deine Wunden und wickel Bandagen drum. Danach kannst du mir immer noch sagen was du getan hast."
Sie half mir aufzustehen und wir gingen in das Krankenzimmer. Ich setzte mich und Isabella holte die Medizin heraus. Als sie mit einem Tuch meine Wunden abtupfte zuckte ich zusammen, es brannte ziemlich. Schließlich wickelte sie die Bandagen um meine Füße. "Heute Nacht zum schlafen legst du sie wieder ab, damit sie besser heilen können." Ich nickte. Schließlich tupfte sie auch noch mit einem leicht nassem Tuch meine Nase ab und wischte das Blut weg.
Ich schaute ihr ins Gesicht. "Isabella..." "Mhm?" "Der Badezimmerspiegel ist kaputt gegangen." Sie sah mir in die Augen und seufzte schließlich. "Den zu ersetzen wird lange dauern. Ich werde ihn erst einmal abkleben." Sie stand auf und packte die Sachen wieder weg. "Du wirst ein paar Tage nicht laufen können. Obwohl, so wie ich vom letzten Mal beurteilen kann, vielleicht auch nur zwei Tage nicht."
Das brachte meinen Plan durcheinander, aber schließlich war ich selber Schuld. George würde vergebens nach mir suchen und wer weiß ob ich ihn nach dem zweiten Tag wieder treffen würde. Aber ich war mir relativ sicher.
Statt George in den nächsten zwei Tagen zu treffen, machte ich mir Notizen, was er alles wissen musste, wenn er mit seiner Familie fliehen wollte. Über die Mamas, die Monster, die Außenwelt, die Koordinaten und vieles weiteres mehr.
Doch einen Schwachpunkt hatte das ganze. Ohne den Stift würden sie nicht zum Bunker finden können, zu dem wir fliehen wollten. Zusätzlich war es nicht sicher ob sie auf Sonju und Mujika treffen würden und ohne die beiden waren sie sicher aufgeschmissen den Verfolgern vom Haus und den wilden Monstern gegenüber. Ob sie wohl auf meine Bitte hören würden? Diese zwei Monster kannten mich vielleicht. Eventuell gab es eine reelle Chance.
Ich stand wacklig auf, klappte mein Notizbuch zu und ging von der Bibliothek zurück in das Schlafzimmer, wo ich es in mein Nachttisch legte. Selbst wenn Isabella es finden würde, es stand nichts über George und meinem Plan darin. Nur Informationen, die ich für meine sowieso geplante Flucht brauchte von der sie auch Bescheid wusste. Das war schließlich meine Vereinbarung. Ich würde in ein von mir gewähltes Haus zurück kehren und innerhalb von eineinhalb Jahren versuchen zu fliehen. Wenn ich es nicht schaffte, gehörte ich bedingungslos den Monstern.
Ich zog meine Schuhe und Socken aus und wickelte die Bandagen ab. Meine Füße waren schon fast wieder heil. Dennoch, richtig gehen konnte ich immer noch nicht. Ich zog mich schnell um und legte mich ins Bett. Zähne hatte ich schon geputzt. Die anderen waren noch überall im Haus verteilt. Ich zog meine Bettdecke über mich, drehte mich zur Seite und schlief bald auch schon ein.

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