02-1 | Spaghettieis mit Sahne

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»Puh«, machte Isabella, nachdem Dimitri wieder gegangen war. Ein Schauer wanderte durch ihren Körper, als könnte sie den unangenehmen Teil ihrer Unterhaltung wie ein zu eng gewordenes Schuppenkleid einfach abstreifen. Gleichzeitig breitete sich ein teuflisches Grinsen auf ihren Lippen aus. »Na?«

»Was na?«, erwiderte ich, auch wenn ich genau wusste, was sie von mir wollte.

Isabella hüpfte durch den Laden und boxte mir mit der Faust gegen den Oberarm. »Wie hat er dir gefallen? Und keine dummen Ausreden.« Sie deutete mit Zeige- und Mittelfinger erst auf ihre, dann auf meine Augen. »Ich habe dich durchschaut. Du stehst auf ihn.«

Ich sah ein, dass es keinen Zweck hatte, meine Gefühle zu leugnen. »Ein wenig vielleicht.«

Wieso schämte ich mich überhaupt? Dimitri war ein attraktiver Typ. Mit Sicherheit war ich nicht die einzige Frau, die in seiner Nähe weiche Knie bekam.

»Ich wusste es!«, triumphierte Isabella und reckte die Arme in die Luft.

»Du tust so, als wäre das ein achtes Weltwunder«, beschwerte ich mich. »Es kommt schon ab und zu vor, dass ich einen Mann attraktiv finde. Das heißt ja noch lange nicht, dass ich was mit ihm anfangen möchte.«

»Ach was«, erwiderte Isabella . »Dann malst du dir also nicht gerade aus, wie unglaublich süß eure Babys mal sein werden?«

»Nein«, antwortete ich empört. In meinem Fantasiekino waren wir gerade erst bei der Auswahl der Gardinen angelangt.

Isabella lachte, als wüsste sie genau, was ich dachte.

»Aber findest du das nicht merkwürdig?«, setzte ich zu meiner Ehrenrettung an.

»Was?«

»Na, dass Romeo ihn einstellen möchte, obwohl die beiden sich kaum kennen und Dimitri keinerlei Erfahrung in diesem Bereich hat.«

»Welche Rolle spielt das?«, entgegnete Isabella. »Er ist ein netter Kerl.«

»Mag sein«, gab ich zurück. »Aber vielleicht hat er irgendwelche Vorstrafen oder ist auf der Flucht vor dem Gesetz.«

»Ach? So wie Romeo und alle seine Freunde? So wie der Typ, den unser Cousin ungefähr einen Monat lang auf dem Dachboden versteckt hat?« Isabella schüttelte energisch den Kopf. »Ich bin sicher, der Kerl hat uns von da oben beobachtet.«

Bei der Erinnerung fröstelte ich, trotz der Hitze im Innern des Geschäfts. Irgendwann würden wir Romeo für diese Aktion büßen lassen.

»Aber so jemand ist Dimi nicht«, fuhr Isabella fort. »Er ist eine ehrliche Haut.«

Den Eindruck hatte ich auch, aber anders als meine Schwester bildete ich mir nicht ein, dass meine persönliche Meinung der Wahrheit entsprach. Wenn mich das Psychologie-Studium eines gelehrt hatte, dann, dass das Gehirn zu Fehlern neigte.

Bevor ich meine Bedenken in Worte fassen konnte, ertönte von draußen das laute Aufheulen eines Motors. Kurz darauf bog zum Klang irgendeiner Rap-Mucke ein tiefergelegter VW mit Heckspoiler, Alufelgen und neongrüner Glanzlackierung auf den Parkplatz vor dem "Zu den Waffeln" ein.

Wenn Romeos Kumpel Patrice nicht gerade mit Kleinkriminalität befasst war, frisierte er in seiner Garage den ortsansässigen Kids ihre Mopeds oder lackierte gestohlene Fahrzeuge um. Oder er tunte Romeos Auto. Seine Dany. Ja, Romeos Auto hatte einen Namen. Dany. Nach Daenerys aus Game of Thrones.

Manchmal fragte ich mich, was erwachsene Menschen dazu brachte, Alltagsgegenstände derart zu personifizieren. Das letzte Objekt, das ich je benannt hatte, war mein Lieblingskuscheltier - Susi, der Schneeleopard - gewesen. Nicht besonders originell, das gebe ich zu. Isabella war da kreativer. Sie hatte ihren Laptop Abacus, ihre Videospielkonsole River und ihr Handy Lara getauft. Und sie redete auch mit ihnen, als wären sie von gutartigen, aber widerspenstigen Geistern besessen.

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