19-2 | Allerlei Merkwürdigkeiten

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Isabella lauschte schweigend, aber auf ihrer Stirn bildeten sich mit jedem Wort von mir mehr Grübelfalten.

»Und dann ist er einfach abgehauen«, beendete ich meine Erzählung. »Was denkst du? Ist das merkwürdig oder interpretiere ich da zu viel hinein?«

Meine Schwester sah mich an als würde sie an meinem Verstand zweifeln. »Das ist nicht nur merkwürdig, Emmi, das ist ober-merkwürdig.«

»Findest du?«

»Na und ob«, schnappte Isabella und ließ sich unelegant auf den Hintern plumpsen. »Und vergessen wir nicht, dass Dimitri ohne Papiere unmöglich hier arbeiten kann.«

»Ach, vergiss doch die Papiere«, erwiderte ich.

»Gut, vergessen wir mal kurz, dass dein Schnuckiputzi vor dem Gesetz gar nicht existiert.« Isabella zuckte mit den Schultern. »Ich meine, wer sagt uns denn, dass er überhaupt Dimitri Bergmann heißt? Er könnte auch Kevin Krautwurm heißen oder ein gesuchter Krimineller sein ...« Ihre Stimme wurde leiser. »... was im Grunde das Gleiche ist.« Sie schnippte mit den Fingern. »Weißt du noch, wie ausweichend er beim Vorstellungsgespräch war?«

»Er ist kein gesuchter Krimineller«, hielt ich dagegen.

»Und woher weißt du das? Hast du es ihm von den hübschen, blauen Augen abgelesen?«

»Er hat braune Augen.«

»Na toll, dann eben-«

»Falls du es vergessen haben solltest, unser Cousin ist ein Krimineller. Willst du jetzt auch behaupten, dass er was mit Lenis Verschwinden zu tun hat?«

»Möglich wär's«, erwiderte Isabella achselzuckend. »Aber das erklärt nicht, wieso Dimitri nach dem Gespräch mit Frau Gerlach beinahe gekotzt hätte. Und es erklärt auch nicht, was ein Kind bei ihm an der Hütte zu suchen hat.« Sie sah mich an und ich konnte buchstäblich sehen, wie die Zahnräder hinter ihrer Stirn einrasteten. »Du weißt doch noch, was wir bei ihm an der Hütte gesehen haben, oder?«

Ich presste die Lippen zusammen. Natürlich wusste ich das noch. Kinderkleidung. »Das hat sicher nichts zu bedeuten«, sagte ich, aber das war ein schwacher Versuch, Dimitri in Schutz zu nehmen. Letztendlich hatte ich keine gute Erklärung für die Dinge, die in den letzten Tagen geschehen waren, von den verschwundenen Eiern bis zu den verschwundenen Kindern. Nichts ergab einen Sinn.

»Wir müssen was unternehmen, Emmi.« Isabella warf einen Blick auf ihr Handy. Das Aufleuchten des Displays blendete mich. »Lara sagt, wir haben kurz nach zehn.«

»Und?«, fragte ich und rieb mir das Gesicht.

»Denkst du, Dimitri schläft schon?«

Ich ließ die Hände sinken. »Was hast du vor?«

»Na, wir müssen aktiv werden«, erwiderte Isabella und rappelte sich umständlich auf. »Und das bedeutet, wir müssen herausfinden, was Dimitri zu verbergen hat.«

»Du willst bei ihm einbrechen?«

»Ich weiß.« Isabella grinste. »Wir wären nicht die Ersten, die das probieren, aber im Gegensatz zu Romeo und seiner Bande haben wir Hirn.«

»Und wenn er uns erwischt?«

»Wenn er uns erwischt, tischen wir ihm irgendeine Story auf.« Isabella verstellte ihre Stimme, sodass sie unnatürlich hoch klang. »Meine Schwester konnte es gar nicht abwarten, dich wiederzusehen. Oder: Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht und wollten nur sichergehen, dass es dir gut geht.«

»Nein«, protestierte ich. »Unter keinen Umständen.«

»Dann ruf' ihn an und lock' ihn von der Hütte weg«, drängte Isabella. »Sag' ihm, dass du reden willst.«

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