05-2 | Plötzlicher Eierschwund

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Unser Triumph hielt jedoch nicht lange an. Ohne auf unseren Protest zu achten, brachen Romeo und seine Freunde am nächsten Morgen auf, um den ominösen Plan unseres Cousins in die Tat umzusetzen. Nur Patrice blieb bei uns zurück. Als Aufpasser. Damit wir nichts Dummes anstellten. Und mit dumm meinte Romeo wohl: mit Dimitri in der Besenkammer verschwinden.

Ich hätte meinem Cousin am liebsten den Kopf abgerissen, doch ich war zu sehr damit beschäftigt, mich in Schale zu schmeißen. Immerhin stand heute Dimitris erster Arbeitstag auf dem Programm. Um ihn zu beeindrucken, hatte ich mich extra in einen engen, schwarzen Rock gezwängt. Dazu kombinierte ich eine cremefarbene Bluse mit verspielten Spitzenapplikationen, die Rundungen vortäuschte, wo keine waren. Die Haare trug ich ausnahmsweise offen, meine Wimpern waren schwarz getuscht, die Lippen rot geschminkt.

»Was meinst du?«, fragte ich Isabella, die mit verschränkten Armen im Türrahmen lehnte und ungeduldig mit dem Fuß wippte. »Ist es zu ... gewagt?«

»Willst du mich veralbern?«, entgegnete meine Schwester. »Der Rock könnte glatt noch zehn Zentimeter kürzer sein.«

Ich sah an mir herab. Zehn Zentimeter kürzer und Dimitri hätte eine gute Aussicht auf meinen hautfarbenen Baumwollschlüpfer. Das wollte ich dann doch lieber vermeiden.

»Und ansonsten?«, fragte ich.

Isabella musterte mich eigehend, verlagerte dabei ihr Gewicht vom einen aufs andere Bein und zog kritisch die Augenbrauen zusammen.

»Die richtige Antwort lautet: Du siehst toll aus, Emilia«, bemerkte ich sarkastisch.

Isabella ließ sich jedoch nicht beirren. »Steck' die Bluse rein und mach' noch einen Knopf auf.«

Ich fasste nach dem Kragen meiner Bluse und warf einen besorgten Blick in den Spiegel über dem Waschbecken. »Sicher?«

»Würde ich dich anlügen, damit du dich vor deinem Schwarm blamierst?«

»Natürlich würdest du das.«

Isabella seufzte. »Hast recht. War 'ne rhetorische Frage.«

Trotz dieses Geständnisses knöpfte ich die Bluse weiter auf und stellte überrascht fest, dass meine kleine Schwester recht gehabt hatte. Auf diese Weise sah ich wortwörtlich nicht mehr so zugeknöpft aus. Und wenn der BH ein wenig aus dem Ausschnitt hervorblitzte, war das sicher auch kein Fehler. Ich wollte zwar nicht so wirken, als hätte ich es auf Dimitri abgesehen, aber er sollte schon realisieren, dass ich eine Frau war.

»Habt ihr meine Eier gesehen?«, ertönte Patrice' quäkige Stimme von unten.

Isabella und ich tauschten Blicke, um uns zu vergewissern, dass wir richtig gehört hatten.

»Echt jetzt?«, formten Isabellas Lippen.

»Was sollen wir gesehen haben?« rief ich und wartete mit angehaltenem Atem auf die Antwort.

»Yo, meine Eier!«, rief Patrice. »Gestern waren sie noch da!«

Isabella presste sich beide Hände auf den Mund, um ihr Lachen zu ersticken.

»Ich kann nicht fassen, dass meine Eier weg sind!«

An der Stelle gab es auch für mich kein Halten mehr. Ich musste so heftig lachen, dass mir die Tränen in die Augen schossen.

Isabella krümmte sich, als hätte sie Unterleibskrämpfe, und rutschte am Türrahmen zu Boden, während sie mit den Händen ihr Gesicht verbarg. »Oh, Gott«, japste sie. »Ich sterbe.«

Ich brachte keinen gerade Satz zu stande. Mein Zwerchfell schmerzte und ich bekam kaum Luft. Keuchend und prustend ließ ich mich auf den Toilettendeckel sinken.

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