06-2 | Diebesbeute

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Romeo lachte. »Wir sind derbe fett, Emmi.«

»Aha«, machte ich, während sich hinter meiner Stirn eine derbe fette Migräne-Attacke zusammenbraute. Am liebsten wäre ich ins Büro geflüchtet, um nach Dimitri zu sehen. Ich hatte das Gefühl, sein Anblick wäre das Einzige, was mich vor einem Tag voller Qualen bewahren könnte.

»Yo, Patrice, Digga!«, rief Romeo und initiierte einen komplizierten Handschlag. »Sieh' dir das an!« Er warf ein paar Scheine durch die Küche als wären wir ein Striptease-Club.

Patrice gackerte wie ein Huhn. »Voll korrekt, Mann!«

»Na, was sagst du jetzt, Bro?«, wandte sich Romeo an Léon, der sich eine glitzernde Edelsteinkette um den Kopf geschlungen hatte und damit vor seiner Handykamera posierte, als wollte er bei Germany's Next Topmodel antreten. »Mit der Kohle kannst du deinen Kredit lässig abbezahlen.«

Statt einer Antwort richtete Léon die Kamera auf ihn, was Romeo dazu veranlasste, sich zurückzulehnen, die Arme vor der Brust zu überkreuzen und irgendein Gangzeichen zu machen.

Ich musterte seine anderen Kumpanen. Der stumme Kevin hatte seinen Hoodie bis unter die Kapuze mit Geldscheinen vollgestopft, sodass er aussah wie eine Ghetto-Vogelscheuche. Babu versuchte derweil ziemlich erfolglos, sich einen Joint aus gerollten Scheinen anzustecken, Michi kickte mit etwas, das verdächtig nach einem Fabergé-Ei aussah, und Toni hatte sich so viele Klunker umgehängt, dass er funkelte wie ein Christbaum mit 100 Karat.

Da brannten mir die Sicherungen durch. »Schluss jetzt!«, brüllte ich.

Die Männer hielten inne und starrten mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Dabei war ich mir ziemlich sicher, dass ich die einzige Person im Raum war, die noch mehr als drei funktionierende Gehirnzellen besaß. »Seid ihr eigentlich bescheuert?«

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Isabella und Dimitri aus dem hinteren Ladenbereich gestürmt kamen, aber ich hatte nicht die Kraft, mich zu bremsen.

»Erstens: Wo habt ihr die Scheiße her?«, fuhr ich Romeo an. »Zweitens: Wieso lauft ihr damit rum, als wäre Diebstahl plötzlich legal geworden? Wenn ihr damit erwischt werdet, seid ihr dran.« Ich deutete auf Léon. »Und wenn du diese Fotos auf Instagram postest, kannst du dich auch gleich selbst bei der Polizei anzeigen.«

»Chill mal«, sagte Romeo in einem Tonfall, als wollte er einen wild gewordenen Stier beruhigen. »Wir haben dir natürlich auch was mitgebracht. Dir und Isabella.« Bei diesen Worten zog er zwei Ketten mit tropfenförmigen Diamantanhängern aus seiner Gesäßtasche.

»Oh, danke«, sagte Isabella und grabschte nach der Kette, als wäre sie das letzte Paar Panda-Socken im Schlussverkauf.

Ich ignorierte das Angebot. »Das ist Diebesgut, Romeo.« Ich nickte Michi zu, der auf einem Bein stand und sein Fabergé-Ei auf dem Knie balancierte. »Habt ihr einen Juwelier überfallen?«

Romeo grinste selbstgefällig. »Nein, technisch gesehen nicht.«

»Technisch gesehen?«, wiederholte ich. Das Blut pulsierte schmerzhaft hinter meinen Schläfen. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht erneut loszubrüllen. Wieso waren Romeo und seine Kumpels nur so dämlich? Und das Schlimmste war: Sie bemerkten es nicht einmal. Stattdessen schienen sie sich für genial zu halten.

»Pass auf, Emmi«, sagte Romeo, während sein Grinsen immer breiter wurde. »Wir waren in Driebeck, im Keilerviertel.«

Keilerviertel war die wenig schmeichelhafte Bezeichnung für den Südteil der Stadt, in dem ab und zu die Mülltonnen brannten.

»Und was habt ihr da gemacht?«, wollte ich wissen.

»Schon vor ein paar Wochen hab' ich rausgefunden, dass die Hyänen da ein geheimes Lager für ihr Diebeszeug haben«, fuhr Romeo fort. »Und heute sind wir hingefahren und haben sie abgezockt.« Er hob die Hand, um sich mit Patrice abzuklatschen. Dabei lachte er wie ein Schuljunge, der in der Matheklausur gespickt hatte und nicht erwischt worden war.

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