22-2 | Geyer und Hyänen

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Jemand schaltete das Licht an, sodass ich sehen konnte, wie Aurora meinem Cousin den Lauf ihrer Waffe an die Schläfe drückte. »Wie schön, dass ihr auch noch zur Party erschienen seid.«

Felix schien die Lage als Erster zu erfassen und heulte los wie eine Sirene.

Aurora sah auf ihn herab und lächelte schief. »Na, sieh mal einer an ... so hätte ich dich gar nicht eingeschätzt.«

»Wie?«, presste Romeo zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus.

Aurora zog einen Schmollmund. »Als verantwortungsbewussten Daddy.«

»Vielleicht hab ich auch noch andere verborgene Talente«, erwiderte Romeo bissig.

»Nun, Diebstahl ist keines davon.« Aurora zupfte mit der freien Hand das Dekolleté ihrer pinkfarbenen Korsage zurecht wandte sich an mich. »Na los, Waffel-Lady. Tür zu. Wir wollen ja nicht die Nachbarn belästigen, oder?«

Zögernd ließ ich die Eingangstür hinter mir zufallen. Mein Magen krampfte sich unangenehm zusammen. Doch im Gegensatz zu gestern Abend hatte ich das Gefühl, Aurora wäre jemand, mit dem sich im Notfall verhandeln ließe. Bestimmt hatte sie kein Interesse daran, uns alle über den Haufen zu ballern.

Mein Mut sank, als ich Patrice, Léon, Michi, Babu, Kevin und Toni entdeckte. Die Sechs hockten vor dem Tresen, geknebelt und an Händen- und Fußgelenken gefesselt. Zu ihrer Bewachung waren zwei Kerle abgestellt, die sich auch als Türsteher in irgendeinem als Nachtclub getarnten Drogenumschlagplatz gut gemacht hätten. Mindestens zwei Meter groß, Glatze, Stiernacken, Tätowierungen. Sie hätten Zwillinge sein können. Vielleicht waren sie das sogar.

Einer der beiden kam auf uns zu und wollte Romeo den Maxi-Cosi abnehmen, aber er ließ nicht los.

»Vergiss es.«

»Keine Sorge, Romeo, wir kümmern uns schon gut um die Kleine«, sagte Aurora.

»Felix«, entwich es mir. »Sein Name ist Felix.«

»Na schön, von mir aus«, erwiderte Aurora und reichte die Waffe an ihren Handlanger. Dann bückte sie sich und hob den laut plärrenden Felix aus der Babyschale. »Komm mal her, mein Spätzchen.« Routiniert legte sie ihn sich auf den angewinkelten Unterarm, sodass sein Kopf in ihrer Armbeuge ruhte und sie mit einer Hand seinen Po stützen konnte. Es war eindeutig, dass sie nicht zum ersten Mal ein Baby hielt. Felix schien das auch zu spüren. Jedenfalls wurde sein Weinen immer leiser. Ein seltsam verwirrter Ausdruck trat auf sein Gesicht, so als könnte er sich selbst nicht erklären, wieso er nicht länger den Drang verspürte, zu weinen. »Was ein süßes, kleines Kerlchen«, sagte Aurora und streichelte mit einem Finger seine Wange. »Sicher, dass er dein Sohn ist, Romeo? Er kommt gar nicht nach dir.«

»Wenn ihm irgendetwas passieren sollte ...«, knurrte Romeo.

Aurora zog eine Grimasse. »Für wen hältst du mich?«

»Das willst du nich' hören.«

»Vermutlich nicht. Aber ich würde niemals einem Kind wehtun. Dich, deine Freunde und die Ladys knall ich dagegen ab, ohne dass mir der Lidstrich verschmiert. Klar?«

»Klar«, grunzte Romeo.

»Na prima«, flötete Aurora. »Ich wusste, wir würden uns verstehen. Dann will ich jetzt mein Zeug. Und zwar pronto.«

»Es liegt hinten«, sagte Romeo und deutete zur Tür hinter der Theke. »Soll ich es holen?«

Aurora nickte ihrem Handlanger zu. »Moritz wird dich begleiten.« Sie wandte sich an Felix, stupste ihm mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze und säuselte. »Und denk dran: Wenn du Ärger machen solltest, blas' ich deiner kleinen Waffel-Lady Blei in den Schädel.«

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