16-2 | Ein Körnchen Wahrheit

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Mit diesen Gedanken im Kopf folgte ich Isabella zum Wagen. Wir fuhren zurück zum "Zu den Waffeln", wo uns direkt die nächste Katastrophe erwartete.

Romeo, Patrice und Toni rannten wie aufgeschreckte Hühner durchs ganze Haus, wühlten in Schränken und Schubladen, leerten Mülleimer und Wäschekörbe aus. Nicht einmal vor den Regalen und Kühltheken des Waffelladens machten sie halt. Derweil drang laute Rap-Musik aus dem Keller und die laufende Dusche verwandelte das Bad in eine Dampfsauna.

»Was ist denn los?«, fragte Isabella, nachdem wir das Wasser abgedreht und Romeo in seinem Büro gestellt hatten, wo er die Schubladen aus seinem Schreibtisch zerrte und den Inhalt achtlos auf dem Boden verteilte.

»Ich such' was«, antwortete Romeo, ohne innezuhalten. Seine Haare waren nass und er trug nur ein Handtuch um die Hüfte, was mich vermuten ließ, dass er gerade unter der Dusche gestanden hatte, als die Hiobsbotschaft ihn erreicht hatte.

Mein Blick wanderte zu Isabella und ich bemühte mich, so viel schwesterliche Strenge hineinzulegen wie nur möglich.

Offenbar mit Erfolg, denn Isabella verdrehte die Augen, biss sich auf die Unterlippe und fasste in ihre Handtasche. Kommentarlos legte sie die Waffe vor Romeo auf den Schreibtisch, zwischen einen Stapel alter Flyer und ein halb aufgegessenes Thunfisch-Sandwich aus der Edeka-Kühltheke. 

Unser Cousin hielt in seinem manischen Herumgekrame inne. »Das ist meine Waffe«, stellte er wenig geistreich fest. »Wieso hast du meine Waffe?«

Isabella schielte zu mir.

Ich gab ihr mit den Augen zu verstehen, dass sie die Wahrheit sagen sollte. Denn wie hieß es so schön? Ehrlich währt am Längsten.

»Ich hab' sie gebraucht, um jemanden zu verhören«, gestand Isabella mit einem Stoßseufzer.

Romeo nahm seine Pistole, fuhr beinahe liebevoll mit dem Daumen über den silbrig glänzenden Lauf und überprüfte anschließend das Magazin. Seine Augenbrauen wanderten aufwärts. »Ungeladen?«

»Ich wollte ihm ja nicht wehtun«, murmelte Isabella kleinlaut. »Er sollte sich nur ein bisschen ins Hemd machen.«

»Hat's funktioniert?«

»Und wie«, verkündete meine Schwester stolz.

Romeo grinste.

»Okay«, mischte ich mich ein. »Anscheinend habt ihr beide den gleichen Hirnschaden.« Ich stemmte die Hände in die Taille und sah mich demonstrativ um. »Aber wenn das jetzt geklärt ist, könnt ihr euch ans Aufräumen machen.«

»Moment mal«, wandte Romeo ein. »Ist ja prima, dass ihr an meine Waffe gedacht habt, aber das ist es nicht, was wir dringend finden müssen.«

»Was denn dann?«

Romeo legte seine Knarre zurück auf den Tisch und wischte sich mit dem tätowierten Unterarm über die feuchte Stirn. Dabei verlor das Handtuch seinen Halt und er musste schnell zupacken, um sich nicht unabsichtlich vor uns zu entblößen. »Wir suchen das Ei«, keuchte er, während er sich das Handtuch eilig wieder um die Hüfte wickelte und festknotete.

»Welches Ei?«, fragte ich. Kaum zu glauben. Es ging schon wieder um Eier. In was für einem Albtraum war ich gelandet?

»Na, dieses goldene Ei, das wir den Hyänen geklaut haben«, antwortete Romeo.

»Das Fabergé-Ei?«, platzte es aus mir heraus.

»Keine Ahnung. Ich kann kein Französisch.«

»Die Dinger sind unbezahlbar!«

»Bestimmt war es nicht echt«, sagte Isabella.

Romeo breitete in einer hilflosen Geste die Arme aus. »Wie auch immer, diese dumme Hyänen-Bitch will das Ei zurückhaben und wir können es nicht finden.«

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