21-2 | Die Organisation

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Ich konnte nicht glauben, dass das gerade passierte. Und was passierte überhaupt? Was hatte der Zylindermann vor? Wollte er uns bedrohen? Hatte er eine Waffe?

Mein Blick zuckte zu Romeo, der mir mit einer beschwichtigen Geste zu verstehen gab, dass er die Sache im Griff hatte. Vielleicht glaubte er das tatsächlich. Vielleicht wollte er mich auch nur beruhigen.

Wie auch immer. Ich musste Felix beschützen. Komme, was wolle.

»Welchen Teil von Dimitri ist nicht hier haben Sie nich' verstanden?«, fragte Romeo und verstellte dem Zylindermann den Weg.

Der Angesprochene lächelte noch immer. So als ob er etwas wüsste, das wir nicht wussten. So als ob er ein Sturmgewehr in der Manteltasche verbergen würde. »Geh mir aus dem Weg, Junge.«

Romeo stemmte die Hände in die Taille und hob fragend die Brauen. »Junge?«, wiederholte er. »Yo, Mann, ich bin nich' Ihr Junge. Mir gehört dieser Laden und wenn Sie keinen Stress wollen, drehen Sie jetzt sofort um und sehen zu, dass Sie Land gewinnen.«

Ohne den Zylindermann aus den Augen zu lassen, wickelte ich Felix in eines der Handtücher, hob ihn auf den Arm und presste ihn an mich. Er quäkte und strampelte, als könnte er spüren, dass etwas nicht in Ordnung war.

Der Zylindermann beobachtete jede meiner Bewegungen. »Das Kind«, sagte er. »Wo sind seine Eltern?«

»Was geht Sie das an?«, erwiderte Isabella, während sie Dimitris Handy langsam in ihre Gesäßtasche wandern ließ.

»Das ist Felix«, sagte Romeo. »Der Sohn von 'nem Freund. Wir passen nur vorübergehend auf ihn auf.«

Ich nickte zustimmend, während ich Felix' weichen, aber noch recht spärlichen Haarschopf streichelte.

Der Zylindermann nickte bedächtig. Alle seine Bewegungen waren langsam und träge, doch ich hatte trotzdem nicht das Gefühl, es mit einem kraftlosen, alten Mann zu tun zu haben. Eher mit einem Kaltblüter, der in Abhängigkeit von den Umständen jederzeit vorschnellen und zubeißen konnte. »Und wie heißt dieser Freund?«

Romeo zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Léon Colak. Kennen Sie ihn? Soll ich ihm was ausrichten?«

»Sie können ihm ausrichten, dass ich Lügner nicht besonders schätze.« Der Tonfall des Zylindermanns war trotz des Lächelns kälter als flüssiges Helium.

»Wen nennen Sie einen Lügner?«, entgegnete Romeo, machte einen Schritt auf den Zylindermann zu und verschränkte die muskulösen Arme vor der Brust.

Aus dem Augenwinkel konnte ich erahnen, wie Isabella ein Handzeichen formte. Sie kommunizierte mit Toni, der im Durchgang zu den Hinterzimmern kauerte. Anscheinend hatte ihn Felix' Geplärre aus dem Keller gelockt. Isabellas Geste ließ nur einen Schluss zu: Sie wollte, dass er Romeos Pistole holte.

Toni nickte, versicherte sich, dass der Zylindermann noch immer mit unserem Cousin beschäftigt war, und kroch dann vorsichtig rückwärts zur Kellertreppe. Ich war wirklich froh, dass er bei uns war und nicht etwa Babu, der mit Sicherheit durch irgendein Missgeschick auf sich aufmerksam gemacht hätte.

»Ich kenne den Vater des Kindes«, sagte der Zylindermann.

»Woher?«, fragte ich, um Zeit zu gewinnen.

Der Zylindermann maß mich mit einem geringschätzigen Blick.

»Und nicht lügen«, wandte Isabella vom Tresen aus ein. 

»Wir waren Kollegen.«

Romeo schnaubte. »Wo? In der Geisterbahn?«

»Sie arbeiten für die Organisation, nicht wahr?« Mit diesen Worten wagte ich mich langsam aufs dünne Eis. 

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