10-2 | Der Junge mit dem aufgeschürften Knie

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»-der beste Horrorfilm aller Zeiten«, sagte Toni gerade.

»"Shining"? Nie im Leben«, protestierte Isabella. »Der beste Horrorfilm aller Zeiten ist ganz klar "Der weiße Hai".« Sie summte die Titelmelodie. »Ikonisch. Da kommt nichts ran.«

»Nur wegen der Musik?« Toni fasste seinen Getränkekasten fester. »Bei "Shining" stimmt einfach alles. All work and no play makes Jack a dull boy. Das nenn' ich ikonisch.«

»In "Shining" geht's nur um einen Typen, der in einem verlassenen Hotel durchdreht«, sagte Isabella. »Aber in "Der weiße Hai" geht es um eine echte Bedrohung. Um viele Menschenleben.«

»Also, wenn es nach der Zahl der Todesopfer geht, müsste irgendein Zombie-Film an der Spitze sein«, erwiderte Toni. »Aber der beste Zombie-Film aller Zeiten ist ohne Zweifel "Shawn of the Dead".«

Isabella lachte. »Ja. Stimmt.« Sie entdeckte Björn. »Hey, Piccolo.«

»Das ist Björn«, stellte ich den Jungen vor.

»Jetzt rekrutiert Romeo schon in der Grundschule«, erwiderte Isabella.

»Björn ist nur ein Gast.«

Isabella spitzte spöttisch die Lippen. »Und ich dachte, du hättest dir gleich den nächsten Blondschopf angelacht. Jetzt, da sich dein Angebeteter nicht mehr meldet.«

»Isabella ...«, stöhnte ich, obwohl ich genau wusste, dass meine Schwester nicht locker lassen würde.

»Gib's doch zu«, entgegnete Isabella. »Du bist über beide Ohren in Dimi verknallt.« Sie zuckte mit den Schultern. »Da ist doch nichts dabei.«

»Das wird der Boss nich' gern hören«, bemerkte Patrice, während er seinen Getränkekasten neben dem Kühlschrank abstellte und die Flaschen ins entsprechende Fach einsortierte.

Isabella verdrehte die Augen. »Erstens ist Romeo nicht der Boss und zweitens ist das nicht Emmis Problem.«

»Ich kann's verstehen«, sagte Toni und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln.

»Wartet, wartet«, nuschelte Matteo mit vollem Mund. »Redet ihr von dem blonden Typen, der neulich im Target war?«

»Warst du auch da?«, fragte Isabella.

»Nein. Aber ich habe davon gehört«, antwortete Matteo. »Ihr wisst doch, in Heiderstedt sprechen sich Neuigkeiten schnell herum.«

Ich setzte mich auf den nächstbesten Stuhl und stützte den Kopf in die Hände. Das Letzte, was ich wollte, war, über Dimitri zu reden. »Können wir vielleicht über was anderes sprechen?«

Meine Frage stieß auf taube Ohren.

»Wieso denn?«, flötete Isabella. »Das muss dir doch nicht peinlich sein.«

»Ja? Okay!«, erwiderte ich heftiger als beabsichtigt. »Ich mag Dimitri. Soll ich mir vielleicht ein T-Shirt damit drucken lassen?« Die Worte kullerten einfach aus mir raus. »Aber wir kennen uns erst ein paar Tage und Dimitri ist abgehauen, nachdem wir uns im Target ein bisschen nähergekommen sind. Also beruhen meine Gefühle möglicherweise nicht auf Gegenseitigkeit.« Ich sah meine Schwester an. »Reicht dir das jetzt oder muss ich erst mein Geständnis unterschreiben?«

Björn schob den Teller von sich, als hätte er plötzlich keinen Appetit mehr.

»Jetzt flipp' doch nicht gleich so aus«, murmelte Isabella. Vielleicht hatte sie kapiert, dass sie zu weit gegangen war.

Matteo räusperte sich. »Also ... wenn wir schon einmal dabei sind ...« Er stopfte sich mit einem genüsslichen Grinsen ein Stück Waffel in den Mund. »Ich hab' auch wen kennengelernt.«

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