Blauäugiges Sixpack ✔️

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Tysan

Das erste, was ich vernehme als wir ein Gebäude betreten ist der Geruch von Salz und Chlor.
Sofort ist mir klar wo wir uns befinden, aber meine Augenbinde wird trotzdem nicht entfernt.

Als wir kurz stehen bleiben, zucke ich bei dem Geklimper von Schlüsseln zusammen und lege mein Kopf genervt in dem Nacken. Okay, vielleicht auch um irgendwie was zu erkennen. Vor mir sehe ich aber nur Schemen von Schatten und angenehmes blaues Licht. Mehr ist nicht zu erkennen. Was zur Hölle wollen wir in einem Schwimmbad? Schwimmen.
Dumme Frage, schon klar.

Wieder werde ich geschoben wie ein Einkaufswagen und augenblicklich habe ich ein wenig Mitleid mit ihnen, so dämlich sich das jetzt anhört. Eine Tür öffnet sich und wir betreten ein Raum, der eine stickige Wärme beherbergt und der Geruch von Salz verstärkt sich nochmal.
Ich kreische ein wenig unmännlich auf, als ich über eine Schulter geworfen werde und spüre wie mir das Blut ins Gesicht schießt. Peinlich.

Gerade will ich etwas sagen, da werde ich auch schon in die Luft geschmissen. Für ein Moment ist es so als wäre ich schwerelos, doch dann falle ich rasend schnell nach unten und lande mit einem lauten „Platsch!" im Wasser. Keuchend strample ich wohlgemerkt nicht elegant an die Oberfläche und ziehe mir die durchnässte Augenbinde vom Kopf. Mich empfängt ein ohrenbetäubendes,, Überraschung!" und Konfetti schmückt den Boden und den Pool.

Die Musik wird aufgedreht und die Leute beginnen zu tanzen. Farbige Lampions hängen an der Mamor tapezierten Decke und unechte Palmen verleihen dem ganzen ein tropischen Touch.
Breit lächelnd steige ich aus dem Wasser und nehme dankend die Hand von James an. Großer Fehler seinerseits, denn kaum habe ich ihn gepackt fällt er auch schon ins Wasser.

„Tja,  Bruderherz leg dich nicht mit mir an!" Ich lege meine Arme um Phil und Kyle. „Trotzdem danke, das ist echt eine wundervolle Überraschung!" rufe ich aus und Gejubel antwortet mir. Die lockere Stimmung tut gut und alle haben Spaß, bewegen sich zur Musik oder ärgern ihre Freunde. Mit einem Drink in der Hand schlängle ich mich durch halbnackte Menschen hindurch suche nach einem Ausgang.

Einige Typen haben schon meine Aufmerksamkeit ergattert, wenn auch nur für Sekunden. Ich weiß nicht nach wem ich suche, obwohl eigentlich schon. Dieser Mann will mein Gedankenfluss einfach nicht verlassen. Seine eisblauen Augen, so hell wie Kristalle und doch so dunkel und geheimnisvoll wie eine ungelesene Geschichte, ein Song der noch nie gehört worden ist, der noch ungeschrieben ist.

Ich will noch mal in diese Augen blicken, den Song hören, in mir aufnehmen und immer wieder auf Repeat hören, bis ich seine Dunkelheit durchforstet habe und alle Geheimnisse von ihm kenne. Denn ohne zu wissen wer er ist, eins weiß ich, er hat Geheimnisse und zwar sehr viele. Schmerzhafte.

Endlich habe ich ein Ausgang entdeckt und kann so dem stickigen Aufenthalt in der Halle entkommen.
Gierig atme ich die kühle Luft ein und gehe ein vedunkelten Gang entlang, bis ich eine Schiebetür entdecke, die nach draußen führt. Inzwischen habe ich auch gemerkt das wir in der Villa von Kyle's Eltern sind, die beiden sind erfolgreiche Unternehmer und halten von den Zukunftsplänen ihres Sohnes nicht wirklich etwas.

Erschöpft, aber auch glücklich und dankbar für meine liebevolle Familie lasse ich mich auf die warmen Pflastersteine fallen und beobachte die leuchtenden Sterne am Himmel.

Ich wurde erst aus meiner inneren Ruhe gerissen als ich ein Rascheln und schlürfen vernehme. Mit zusammen gezogenen Augenbrauen sehe ich zur Seite und betrachte überrascht den braunhaarigen Mann neben mir. Er würdigt mich nicht eines Blickes, sondern greift nach seinem Sixpack bestehend aus sechs Dosen Bier.

Sein schwarzes Hemd hat er zugeknöpft und auch seine Beine stecken in einer langen Hose. Seine Boots geschmückt mit Nieten passen gut zu seinen Lederhandschuhen. Insgesamt sieht man nur wenig Haut und das Outfit ist ziemlich dick für den Sommer. Analysierend wandern meine Augen wieder zu seinem Gesicht, für ein Moment bleibt mein Herz stehen und ich beiße angestrengt auf meine Lippe.

Seine Iris ist unverkennbar, dieses blau würde ich überall wieder erkennen. Während er mich mustert kann ich nur wenig Emotionen in ihnen auffangen. Abschätzend. Das beschreibt sein Blick ziemlich gut.

Das hält mich allerdings nicht davon ab neugierig zu sein. „Wie heißt du?"

Eine seiner Augenbrauen hebt sich verächtlich. „Wieso willst du das wissen?" Seine Stimme ist tief und klingt trotz seiner Abscheu wunderschön.

„Ich will dich kennenlernen."

Er presst seine Lippen aufeinander. „Ich dich aber nicht."

Jetzt drehe ich mich ganz zu ihm und rutsche ein wenig näher, dabei merke ich wie er sich anspannt und leicht zusammen zuckt. „Wieso nicht?"

Er lacht gehässig und zischt. „Ich kenne Menschen wie dich. Liebevolle Familie, tolle Freunde und ein ach so wundervolles Leben. Ihr lebt in euerer rosaroten Welt und ignoriert andere, die nicht so sind wie ihr. Geld, Macht und Gier regiert die Menschheit und obwohl es offensichtlich ist redet ihr euch ein das sie regiert wird von so etwas schwachsinnigem wie Liebe und Freundschaft. So etwas nennt man meines Wissen nach Wunschdenken, nur das Wünsche nie in Erfüllung gehen."

Seine kleine Rede endet und ich muss sagen, dass ich erstaunt bin. Nie habe ich jemanden getroffen, der eine solche Abscheu und Hass gegen Menschen empfindet und diese auch so offen teilt.

Niemand wird mit dieser Ansicht geboren, irgendein Moment, ein Mensch muss dafür verantwortlich sein und mir wird klar das seine Geheimnisse vermutlich nicht nur dunkel sind, sondern auch erschreckend brutal. „Selbst in unserer rosaroten Welt findet man Ecken in denen Dunkelheit lauert, Schmerz der nie vergeht und Scherben zerbrochener Seelen und Herzen. Selbst wenn du mir nicht glaubst, jeder Mensch ist anders, man muss nur zulassen es zu sehen."

Auch wenn der Braunhaarige mich nicht anschaut, weiß ich das er mir zugehört hat.
Plötzlich steht er auf, greift nach seinen Bierdosen. Er entfernt sich ein paar Schritte und murmelt. „Du hast recht. Ich glaube dir nicht, Tysan."

Damit wird er verschluckt von der Nacht, aber in meinen Gedanken wird er noch für lange verweilen. „Du wirst mir glauben. Verlass dich drauf."

I Will Rescue YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt