Gewitter ✔️

91 15 41
                                    

Tysan

Die Herausforderung für die nächste Runde beim Wettbewerb ist: Zwei Bands müssen kurzzeitig zu einer werden. Das heißt alle Bands die in der zweiten Runde sind müssen sich mit einer anderen zusammen tun und einen Auftritt hinlegen. Das beste kommt noch! Das ganze findet in Miami statt und ich liebe alles was in den Tropen nicht bei drei auf dem Baum ist.

Natürlich haben wir, Insideout sich mit Clarks Band, Burning Blades vereint. Bis zur nächsten Runde heißen wir nun Burning out.
Da wir übermorgen schon nach Miami fliegen haben meine Eltern vorgeschlagen das die Jungs hier bleiben können. In Elternsprache heißt es, dass sie Clark im Auge behalten wollen.

Gerade liege ich hellwach im Bett und starre an die Decke. Wegen des beschissenen Gewitters kann ich nicht schlafen, obwohl ich müde bin. Auch Clark, der sich auf meinem Schlafsofa befindet, weil ich meine Eltern davon überzeugt habe das er mich nicht im Schlaf töten wird, rollt ständig hin und her.

Seufzend richte ich mich auf, gleite auf die Füße und tapse zur Tür. Ich will mein Zimmer verlassen und nach meiner Schwester sehen, da sie nicht nur hellwach bei Stürmen ist, sondern auch Angst vor ihnen hat, aber eine gebrochene Stimme hält mich auf, lässt mich schwer schlucken.

Langsam drehe ich mich um und der Anblick der sich mir bietet könnte glatt aus einem Horrorfilm stammen.
Clark sitzt die Knie an die Brust gezogen auf dem Bett, pure Panik steht in seinen Augen, wobei die Blitze im Hintergrund mein Zimmer erhellen.

Vorsichtig gehe ich auf ihn zu und lasse mich auf die Polster des Sofas sinken. Seine Augen liegen zwar auf mir, aber trotzdem ist es so als würde er durch mich hindurch sehen. Wortlos suche ich nach einem Hinweis der mir zeigt was in ihn geraten ist. Währenddessen murmelt Clark, der einem verängstigtem kleinen Jungen ähnelt. „Bitte nicht!! Nicht damit! Ich mache alles was ihr wollt!!"

Bestürzt rücke ich ein Stück näher, sehe auf seine Brust, die sich rasend schnell hebt und wieder senkt. Sein Gesicht verzieht sich als würde etwas ihm Schmerzen bereiten und ab da reicht es mir. Ich bin mir sicher das Clark eine vergangene Situation wieder durchlebt und dadurch wurde eine Art Panikattacke ausgelöst. Ohne nachzudenken ziehe ich ihn in meine Arme, streiche durch sein Haar und spüre wie sein Herzschlag sich ein wenig beruhigt.

Clarks Gesicht liegt in meiner Halsbeuge, während er sich in meine Taille krallt, versucht den Schock zu überwinden. Beruhigend streiche ich über sein breiten Rücken und hauche sanft. „Ich bin hier. Ich bin hier und werde nichts tun außer für dich da zu sein. Also lass dich fallen. Lass dich einfach fallen, Honey."

Immer weiter wiederhole ich exakt diese Worte bis der braunhaarige in meinen Armen in den Schlaf gesunken ist. Wenn die Situation nicht so verdammt ernst wäre, fände ich es urkomisch das ein siebzehnjähriger ein zwanzigjährigen zu beschützen versucht.

Allerdings ist mir aufgefallen das Clark sich eben gar nicht bei meiner Umarmung gewehrt hat und ihn in meinen Armen zu wissen ist unbeschreiblich und gleichzeitig Folter gewesen. Denn mir ist bewusst das er mich bei klarem Verstand aus dem nächsten Fenster geschubst hätte und da ich nun weiß wie sich eine Umarmung mit ihm anfühlt, ist es so als wäre ich süchtig. Obwohl süchtig bin ich schon seit ich mich zum ersten Mal in den eisblauen Kristallen verloren habe.

Jetzt muss ich nur aufpassen, dass er mich nicht mit in die Tiefe reißt, sondern ich stark genug bin uns beide in die Lüfte zu heben, denn eins weiß ich, fühle ich.

Ich will ihn retten, vor was auch immer!

____________

„Morgen ,Schwesterchen!" , nuschle ich mit der Zahnbürste im Mund, als diese gerade das Badezimmer betretet. Sie rollt nur die Augen und motzt. „Sei nicht immer so motiviert es ist gerade mal elf Uhr!"

Ich lächle nur erschöpft, weil ich fast die ganze Nacht wach war falls Clark wieder Panik schiebt. Sie mustert mich daraufhin prüfend, denn sonst habe ich selber immer eine große Klappe. Allerdings fühle ich mich beschissen, denn Clark hat wohl beschlossen mich zu ignorieren. Gerade eben ist er ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen aus meinem Zimmer spaziert.

Sauer sein kann ich nicht.
So ist er nun mal und ich will ihn nicht verändern nur damit die Leute ihn nicht mehr seltsam oder unheimlich finden.

Er ist und bleibt Clark und das ist auch gut so.

„Ich bin gleich weg mit unseren Cousinen. Wir wollen shoppen gehen, aber vorher besuchen wir Mum und Dad im Krankenhaus, okay?"  , vermittelt mir Jane, während sie ihr Gesicht mit Schminke zu kleistert. Dabei fällt mir auf das sie starke Augenringe hat.

„Ja klar. Nimm lieber ein Schlüssel mit ich weiß nicht ob die Jungs und ich gleich nochmal was machen. Aber sag mal hat dich das Gewitter wach gehalten?" , hinterfrage ich ihre müde Erscheinung. ,, Ja, ein wenig, aber ich komme schon darüber hinweg, Brüderchen!" , winkt sie ab und wuschelt mir bevor sie aus dem Bad rauscht durch die Haare.

Brummend richte ich wieder meine Blonden Strähne ehe ich ebenfalls nach unten wandere.

Ich vernehme klappernde Geräusche aus der Küche und gedämpfte Gespräche aus dem angrenzenden Esszimmer. Schließlich gehe ich erst in die Küche und zu meiner Überraschung steht dort an dem Herd nicht James, sondern Clark.
Die Stirn gerunzelt, lehne ich mich gegen den Türrahmen und mustere akribisch jede seiner fließenden Bewegungen. Man merkt das er nicht zum ersten Mal kocht, denn alles geht ihm leichthändig von der Hand.

„Was sagen die Leute immer? Ach genau, mach ein Foto hält länger?" , ertönt es spottend von ihm, aber davon beeindrucken lasse ich mich nicht. Wortlos bewege ich mich auf ihn zu und stelle mich mit Abstand neben ihn. Seine linke Hand schneidet fein säuberlich eine Frühlingszwiebel, während sie gleichzeitig fester um das Messer greift.

Plötzlich hallt ein schneidender Ton in meinem Ohr nach, allerdings zucke ich nicht zusammen, sondern konzentriere mich ganz auf Clark. Er hat das Messer in seiner rasend schnell auf das kleine Holzbrett fahren lassen und wirft mir nur ein fixierenden Blick zu, wartet meine Reaktion ab. Um mich ihm ebenbürtiger zu fühlen richte ich mich auf und erwidere sein Blick ruhig.

In dem Eisblau blitzt kurzzeitig etwas auf, verschwindet aber schneller als das ich es erfassen konnte wieder hinter dem undurchdringlichen Eis.

„Ty, könntest du mir bitte meine Kontaktlinsen von oben holen?" , bittet mich mein Bruder, der unbemerkt die Küche betreten hat und eine schwarze Brille trägt. Fragend schaue ich ihn an, aber sein Blick duldet keine Widerrede also erfülle ich seine Forderung und verlasse die Küche um nach oben zu gehen.

Während ich die Kontaktlinsen suche, überlege ich wieso meine Familie so seltsam ist seit dem Clark aufgekreuzt ist. Klar, er ist gewöhnungsbedürftig, aber scheint auch eine scheiß Vergangenheit oder sogar Gegenwart zu haben. Allerdings wissen ja alle mehr als ich, weil sie ihn schon länger kennen als sie zugeben und mir nichts sagen wollen.

Mein Gefühl sagt mir aber durchaus, dass ich die Wahrheit vielleicht gar nicht wissen will und mein Verdacht das besonders James mich zu beschützen versucht wird mit jedem Gedanke stärker.

Fündig geworden schlurfe ich wieder nach unten, dabei höre ich schon die ziemlich aufgebrachte Stimme meines Bruders. Argwöhnisch gehe ich ein Schritt schneller und will die Küche betreten, doch die Worte von James treffen mich wie ein Schlag ins Gesicht. Nein, viel schlimmer nämlich wie ein Einblick in eine Vergangenheit, die ich längst vergessen wollte.

Die Erinnerungen prasseln auf mich ein wie, spitze Nadeln, treiben mir Tränen in die Augen. Alles ist wie in Watte eingehüllt und das Atmen fällt mir jede scheiß Sekunde schwerer. Zu Boden gerissen von dieser unerwarteten Welle, hocke ich gegen die Wand gelehnt am Boden versuche die wenigen Worte meines Bruders zu verarbeiten.

Aber ich will nicht. Ich will die Wahrheit nicht verstehen.

I Will Rescue YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt