Kapitel 17

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MELANY

Überall war Glitzer und Tüll in den buntesten Farben. Hier und dort blitzten Edelsteine auf und reflektierten die Feenlichter, die im ganzen Raum umherschwebten. Die anwesenden High Fae trugen wunderschöne Kleider oder Anzüge in den unterschiedlichsten Tönen - Von weiß über rot bis grün und schwarz war alles vertreten. Wenn man es genau nahm, war es nur allzu verständlich diese Farbenpracht zur Schau zu stellen: Calanmai war ein Frühlingsfest. Es sah hier aus wie auf einer bunten Blumenwiese und inmitten dieser wunderschönen Blumen war ich.

Nesta hatte mir am Morgen ein Kleid herausgelegt, während ich im Bad war. Eine stumme Aufforderung: Trag das beim Fest. Und jetzt war es schon Sonnenuntergang und langsam kamen die Fae ins Haus der Winde. Der High Lord und die High Lady des Nachthofs luden zum alljährlichen Calanmai-Fest ein. Und weil ich für diese Woche bei Nesta bleiben würde, war ich indirekt auch eingeladen worden.

Ich gab aber gerne zu, dass diese Einladung im Gegensatz zu meiner Wohnsituation kein Unwillen in mir ausgelöst hatte. Und auch das Kleid war einfach nur perfekt. Ein Traum aus dunkelgrünem Tüll. Das enganliegende Korsett des Kleides hatte einen Herzausschnitt und war mit reichlichen Glitzersteinen und Blütenornamenten verziert. Es ging in fließende Röcke über, die an beiden Seiten Hüftlange Schlitze hatten. Der dunkelgrüne Tüll der Röcke war nicht ganz blickdicht, doch das gleichfarbige Höschen des Kleides verdeckte alle Bereiche, die es zu verdecken galt. Zwei Träger aus Tüll hingen mir locker an den Armen und entblößten meine Schultern. Bloß die offenen Haare, die mir in großen dunklen Locken über die Schulter fielen verdeckten weitere nackte Bereiche meiner honigfarbenen Haut. Zugegeben, das Kleid war viel freizügiger als ich es gewohnt war, doch selbst ich hatte nach einem Blick in den Spiegel feststellen können, wie elegant ich darin aussah.

»Du siehst wunderschön aus.« Ich drehte mich zu der Fae, die nun neben mir stand. Mit einem Lächeln betrachtete ich Mor und nickte zum Dank. »Auch wenn du gestern eher unzufrieden mit Nestas Entscheidungen warst, siehst du so aus, als würdest du zumindest die Feierlichkeiten genießen.«

Gestern Abend war Mor zum Abendessen gekommen, wo ich sie dann auch zum ersten Mal kennengelernt hatte. Zugegeben, sie und Nesta mochten sich nicht sonderlich, und das hatte jeder am Tisch mitbekommen, aber Mor war sehr freundlich zu mir. Zudem hatte sie Amren dabei, die allein durch ihre Präsenz eine gewisse Ernsthaftigkeit der Gesellschaft erfordern ließ. Sie war noch genauso respekteinflößend wie damals, als sie mit Nesta im Archiv nach Lösungen für den Kessel gesucht hatte. Ihre Augen hatten aber nicht mehr dieses unnatürliche Funkeln, was im Zuge ihrer Verwandlung zur Fae geschehen war. Auch das hatte ich gestern erfahren.

»Es ist wie in einem Märchenbuch«, sagte ich an Mor gewandt und deutete mit der Hand auf das alles hier - Die Fae, das Haus, die Atmosphäre. »Magisch, würde ich fast sagen.« Ein Grinsen schlich sich auf mein, und auch Mors Gesicht.

»Ich bin jedenfalls froh, dass du mitgekommen bist«, sagte sie und legte eine Hand auf meinen Arm. »Und ich bin auch froh, dass du für die Woche im Stadthaus bleibst.« Ich nickte bloß höflich und sah wieder durch die Gegend. Ich hatte keine Lust, über diese Abmachung mit Nesta zu reden. Wir beide hatten seither auch kein Wort zueinander gesagt. Ich war noch immer sauer auf sie. Dass sie mich mit meiner eigenen Magie erpresst hatte war enttäuschend gewesen. Ich gab nur ungern zu, dass ich aber auch Schuldgefühle hatte. Es wurden auch meinerseits keine netten Worte gesagt. Mir war bewusst, dass Nesta sich bloß Sorgen machte, aber dieser Vertrauensbruch zwischen uns... Ich wusste nicht, ob das so leicht zu verdauen sein würde.

Mor hatten wir natürlich nichts von der Abmachung gesagt. Es wurden nur einige Worte über Virions Auftauchen letzte Woche, mein plötzliches Unwohlsein gestern, die unerwarteten Alarme im Archiv und die Abwesenheit Novas gesagt. Schon war Mor voll und ganz Nestas Meinung - was wohl auch eher selten passierte, wenn man sich die Reaktionen von Elain und Amren angeschaute. Ich war nur froh, dass Mor eine nette Person war. Ich hatte schon einiges über sie gehört, aber sie schien ihrem Ruf alle Ehre zu machen. Zudem mochte sie mich, und ich mochte sie. Dennoch war da diese dunkle Wolke, die seit dem Vorfall im Archiv über mir schwebte. Auch wenn ich es nicht gerne zugab, ich hatte gehofft, zumindest in meinen Träumen ein wenig Trost von den Schatten zu bekommen. Aber der Traum fiel aus. Seit Wochen war es das erste Mal, dass ich nicht geträumt hatte.

Der Ruf des SchattensängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt