Kapitel 45

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~Aidens Sicht~

Klirrend fiel mir eines der Reagenzgläser herunter. Mit einer schnellen Entschuldigung versuchte ich den verunsicherten Patienten zu beruhigen.
Als ich vor einem Monat von Lias Vergangenheit erfahren habe, konnte ich kaum noch klar denken oder ein Wort mit ihr wechseln.
Ich wusste, es war Lia gegenüber nicht fair, dennoch fühlt es sich an, als könnte sie mir nach all dieser Zeit immer noch nicht vertrauen.

"Bro, was ist los mit dir? Du bist seit vier Wochen unkonzentrierter denn je!" sagte Josh seufzend. Ich hob das zerbrochene Röhrchen vom Boden auf und warf es in den Mülleimer. Ich fuhr mir durch die Haare.
"Die Situation ist kompliziert Josh." knurrte ich. Er schaute mich verwundert an.
"Ich dachte, die Geschichte zwischen dir und Lia hat sich wieder gelegt nach der Sache mit Tyler. " sagte er fragend.
"Schon, aber beim Gespräch sind Dinge herausgekommen, die mich verunsichern. Ich weiß auch nicht wieso, aber das ganze macht mir eine Heidenangst." sagte ich.
Er schaute mich fragend an. Ich hob abwehrend die Arme.
"Mehr kann ich dir nicht sagen. Lia würde mich köpfen." sagte ich verbittert.
"Was zur Hölle ist denn passiert, dass du nicht darüber reden kannst?", fragte er seufzend. Ich schaute ihn grimmig an.
"Ein Kerl, der noch schlimmer als Felix war", sagte ich Zähne knirschend.
"Das ist möglich?" er schaute mich ungläubig an. Ich nickte nur.
"Bro, wenn ich dich und Lia nicht besser kennen würde, hätte ich dir geraten, die Finger davonzulassen. Aber das geht nun mal schlecht." sagte er und fuhr sich durch seine Haare.
Ich weiß. Ich fühle mich schon selbst schuldig, dass ich an sowas gedacht habe.
"Ich glaube ich rede mal darüber mit ihrer verrückten Freundin, vielleicht weiß sie mehr. "Grübelte ich nach.
"Mach das, deine Situation muss sich bald ändern, sonst überhole ich dich noch", sagte er und schlug mir auf die Schulter.
Ich grinste.
"Davon träumst du wohl nachts", sagte ich neckend. Er lachte und zuckte mit den Schultern.
Nach meiner Schicht werde ich mit Kira sprechen. Die beiden sind jetzt schon so lange befreundet, irgendwas muss Lia ihr doch erzählt haben oder wenigstens eine Andeutung gemacht haben.

In suchte in meinen Kontakten nach Kiras Nummer.
Nach mehreren Sekunden hob sie ab.
"Hallöchen Brudi, was gibt's?" trällerte sie fröhlich.
"Kira... hättest du gleich Zeit dich kurz mit mir zu treffen. Es ist wichtig", sagte ich und versuchte nicht allzu verzweifelt zu klingen.
"Klar in einer halben Stunde am Stadtbrunnen?", sagte sie fröhlich.
"Super danke! Du bist meine Rettung!" sagte ich und lachte.
Sie erwiderte ein Lachen.
"Wozu ist die beste Freundin denn sonst da?", sagte sie und kicherte.

Kira winkte mir zu. Ich umarmte sie zur Begrüßung und wir nahmen uns einen Tisch draußen im Café Fendricks einen Platz. Lia würde es hier lieben. Ich vermisste sie, dass es im Herzen weh tat.
"Was ist los Aiden?", sagte Kira und sah mir kritisch an. Ich seufzte.
"Du erinnerst dich doch, dass Lia vor einem Monat das Gespräch mit mir, Jess und Tyler hatte, oder?", fragte ich sie. Sie nickte nur.
"Gut und ach ich weiß nicht. Ihre Therapeutin hat eine Andeutung gemacht und nach Lias Reaktion ist das auch wirklich passiert. Sie hat mir davon nichts erzählt, also wollte ich dich fragen, ob du mehr weißt als ich. ", sagte ich.
"Aiden ich stehe total auf dem Schlauch, wovon redest du bitte? Ich weiß nur, dass Tyler sie jahrelang gemobbt hat." sagte sie und ich hörte einen leichten verzweifelten Unterton in der Stimme.
"Laut ihrer Therapeutin wurde sie vergewaltigt", sagte ich mit bitterer Stimme.
Kira starrte mich mit offenem Mund an.
"SIE WURDE WAS?!", rief sie perplex und schaute beschämt drein, als sich mehrere Leute nach uns umdrehten.
"Mehr weiß ich auch nicht. Es war die Andeutung ihrer Therapeutin und Lia ist darauf zusammengezuckt." sagte ich leise.
"D-Das hat sie mir nie erzählt.", sagte Kira und ihre Stimme brach ab und sie unterdrückte ihren Schluchzer. Ich legte meine Hand auf ihre.
"Hey, ich wusste das auch nicht. Ich weiß einfach nicht, wie ich mit Lia umgehen soll, nachdem sie mir das verheimlicht hat." sagte ich und schluckte meinen Klos hinunter. Ich reichte Kira ein Taschentuch, was sie dankend annahm.
"Wieso? Wieso hat sie nie etwas erzählt? Geschweige denn mir sowas anvertraut?" sagte sie weinerlich.
"Wenn ich das bloß wüsste. Vielleicht fühlte sie sich schon schlecht genug?" rätselte ich. Kira nickte zustimmend.
Wir schwiegen uns eine Weile an. Kira schnäuzte ihre Nase und seufzte.
"Aber Aiden du willst sie deswegen doch nicht verlassen, oder?", fragte sie mich.
Ich schüttelte den Kopf.
"Um ehrlich zu sein, kamen mir die Gedanken, weil ich nicht wusste, wie ich damit umgehen soll, aber sie in einer solchen Lage alleine lassen, wäre falsch und mein Herz und mein Verstand sind verrückt nach ihr.", sagte ich und fuhr mir durch die Haare.
Kira schmunzelte.
"Wer könnte dir das verübeln? Schließlich ist meine Lia ne heiße Schnecke." sagte sie lachend. Ich grinste sie an.
"Danke Kira. Es tut gut jemanden zu haben, der einen versteht." sagte ich und lächelte sie an.
"Immer wieder gerne. Außer du brichst ihr das Herz. Dann mache ich Kleinholz aus dir." sagte sie grinsend. Ich lachte.
Nach dem Gespräch fühlte ich mich viel besser. Jetzt kommt der schwierige Part: Mit Lia reden.

~Lias Sicht~

Ich wusste nicht wieso, aber mein Herz tat weh. Waren das physische und psychische Symptome? Ich wusste mein Herz hatte ne Macke, aber etwas fühlte sich nicht richtig an.
Unruhig lief ich in meinem Zimmer auf und ab. Mein Herz schlug mir zur Brust und tat unglaublich weh. Ich blieb stehen und atmete tief ein und aus.
Ein und aus.
Es half nicht. Sollte ich das melden? Mein Gehirn grübelte, während mein Herz raste.
Nein! Jetzt tue endlich mal das richtige Lia!
Mein Verstand gab mir die klare Botschaft, dass etwas nicht stimmte.
Ich lief langsam zum Stützpunkt. Es war nach wie vor  so unangenehm nach Hilfe zu fragen.
"Lia was machst du denn für ein Gesicht?", fragte sie, die gerade in Stützpunkt saß.
"I-Ich weiß auch nicht, aber mein Herz ...das rast oder klopft wie verrückt und schmerzt. I-Ich hab's auch schon mit Atemübungen probiert, aber es half nicht."  haspelte ich und fuchtelte wild mit meinen Armen umher.
Julien, der neben ihr saß, schnappte sich das Blutdruckgerät und ein Stethoskop.
"Geh mit Julien mit. Zur Not ruft er Herrn Dr. Scholl an." sagte sie ruhig, obwohl ihr Blick was anderes sagte. Ich nickte stumm und folgte Julien.

"Hattest du schon so etwas öfter?", fragte er mich, während er meinen Blutdruck überprüfte.
Ich schüttelte den Kopf.

"Nur einmaliges Herzversagen, aber sonst war es immer normal", sagte ich.

"Dein Blutdruck ist in Ordnung. Sonst war er ja sehr niedrig." sagte Julien und fing an, mit zwei Fingern meinen Puls am Handgelenk zu fühlen. Er schaute auf seine Uhr.

"Ungewöhnlich. Ziemlich ungewöhnlich. Dein Puls ist tatsächlich ziemlich hoch. Wann war dein letztes EKG?" Julien sah mich an.
"Ich glaube vor zwei Wochen. Herr Dr. Scholl meinte, es soll regelmäßig gemacht werden." sagte ich. Julien griff zum Telefon, das anfing zu klingeln.
"Ja?... Ja sie ist bei mir. Blutdruck ist okay, aber ihr Puls weist eine Tachykardie auf... Gut ich schicke sie zu dir." sagte Julien, der gerade wahrscheinlich mit Herrn Dr. Scholl telefonierte.

"Du sollst einmal zu Herrn Dr. Scholl. Er macht mit dir ein neues EKG und wir schauen dann weiter." sagte er ruhig. Ich nickte nur und folgte ihm stumm zum Arztzimmer. Innerlich verfluchte ich meinen Körper schon wieder.

"Hallo Lia, so schnell sieht man sich wieder. ", versuchte Herr Dr. Scholl zu spaßen.
"Mir wäre es lieber gewesen, wenn das nicht mehr passieren würde.", murmelte ich.
"So einfach ist es leider nicht, Lia. Dein Herz ist nicht mehr in Ordnung und muss überprüft werden. Ich schaue, was das EKg sagt und dann schauen wir weiter." sagte er ruhig und direkt.
Ich legte mich auf die Liege und Herr Dr. Scholl schloss mich an das EKG Gerät an.
Prüfend sah er auf das Papier, das mein Herzschlag aufzeichnete.

Nach 15 min gab er mir endlich Rückmeldung.
"Also es scheint eine kleine Unregelmäßigkeit da zu sein. Ich würde dich gerne am Langzeit EKG angeschlossen lassen, damit wir einen Überblick haben." sagte er.
Ungute Neuigkeiten.

"Zusätzlich, kann ich dir, wenn es nicht besser wird, Betablocker verschreiben." fügte er hinzu.

"Dankeschön, auch wenn es mich nicht wirklich beruhigt", sagte ich unruhig.
"Lia, das kann ich voll und ganz nachvollziehen, aber im Moment können wir nichts weiter tun als abwarten. Dein Körper muss wieder zu Kräften kommen. Es wird sich wahrscheinlich regulieren, wenn du ein Gewicht von 50 kg erreichst." sagte er freundlich. Ich hoffe, er hat recht. Ich will gesund werden, ich möchte endlich wieder laufen, lachen und vor allem glücklich sein!

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Hello peeeeooople! 🐢

Ja schneller als erwartet kommt ein neues Kapitel.
Was denkt ihr, gibt es ein Happy end für Lia und Aiden? 👀
Und wird Lia gesund werden ? Ich schätze, dass ich diese Geschichte mit 50 Kapiteln beenden werde! 😁
Also seit auf die letzten gespannt! Das 51 Kapitel wird dann der Epilog werden. Ich bedanke mich an alle, die bisher mit Lia mitgefiebert haben. Dankeschön, dass euch die Geschichte so gut gefallen hat. Irgendwie ist sie mir ja über die Jahre echt ans Herz gewachsen.
Freut euch aufs nächste Kapitel ❤️

Ich wünsche euch einen schönen und sonnigen Sommer.

Liebe Grüße

Rike 🐣

Perfect for you! [Geschichte einer Magersucht]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt