Kapitel 42

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Nach der Sitzung fühlte ich mich ausgelaugt. Als hätte es meine gesamte Kraft in Anspruch genommen. Es brachte mich erneut zum Nachdenken. Aber vielleicht ist mein Ansatz einfach falsch. Vielleicht möchte ich die Essstörung ja bekämpfen. Doch ich gehe nicht richtig vor.
Ich kuschelte mich tiefer in mein Bett und seufzte. Zu gern hätte ich Aiden jetzt hier. Einfach in seinen Armen liegen und mich geborgen und sicher fühlen. Wie ein Baby bei seiner Mutter.

"Man das war ja ein tiefer Seufzer!" sagte Jess und lachte. Ich lugte mit meinen Augen aus meiner Bettdecke hervor.
Jess legte sich zu mir und starrte die Decke an.

"Wir sind auf dem Weg zu einem gesunden Ich oder?" sagte sie und drehte sich zu mir.
Ich nickte.

"Wie es aussieht mache ich Fortschritte. Wie sieht's bei dir aus?" sagte ich und gab ihr etwas von meiner Bettdecke ab.

"Lia also sei mir nicht böse, aber ich habe meinen Entlassungstermin." sagte sie und versuchte zu Lächeln.

"Aber Jess, das ist doch wunderbar! Ich freue mich für dich! Du hast so viel geschafft, sei nicht meinetwegen traurig. Das müssen wir feiern!" sagte ich und strahlte, denn ich gönne es ihr vom ganzen Herzen. Natürlich wird sie mir unglaublich fehlen, aber sie ist schon so lange hier, sie verdient die Freiheit.

Jess lächelte mich an und kuschelte sich an mich.
"Danke Lia. Wir haben gemeinsam so viel durchgemacht. Ich werde dir ewig für deine Hilfe dankbar sein. Ohne dich hätte ich nie soweit kommen können." sagte sie. Ich grinste.

"Wozu sind Freunde da?" sagte ich und wir kicherten. Es war schön komisch. Obwohl sie die Schwester meiner meist gehassten Person ist, habe ich sie unglaublich gern. Man sucht sich die Familie ja nicht aus.

"Jess ich habe dir auch viel zu verdanken." sagte ich und lächelte.
Wir beide lagen noch eine ganze Weile im Bett und quatschen. Es tat so gut einfach jemanden hier zu haben, der einen verstand und für einen da ist.
Wir wurden unterbrochen, als es plötzlich an der Tür klopfte.
Sues Kopf luckte durch den Türspalt.
Sie schaute uns so verwundert an, worauf wir lachen mussten.

"Okay, ich weiß nicht was mit euch beiden los ist, aber ich soll dich zum Essen holen Lia." sagte Sue. Ich nickte.

"Lass uns gehen Jess." sagte ich und nahm ihre Hand und sprang aus den Bett, wobei ich mich fast hinpackte. Sie lachte darauf nur und hackte sich bei mir unter.

Im Speisesaal änderte sich mein Gefühl. Das fröhliche und beschützenende Gefühl würde weniger und der Raum wurde gefüllt durch Angst. Ich drückte den Arm von Jess fester.

"Lia du kannst das! Denke daran, was du so hart erarbeitet hast." flüsterte sie mir zu. Ich nickte zögerlich und ging mit ihr auf meinen Platz.
Ich sah, dass Sue heute bei mir saß. Mit Jess und ihr wird es mir definitiv leichter fallen.
Als alle mit ihren Essen am Tisch saßen, konnten wir anfangen.

"Halbe Stunde Lia. Denke an deine Kopfstimme." sagte Sue und schenkte mir ein warmes Lächeln.
Ich nickte und holte Bob wieder aus seiner Ecke.
Jess versuchte mich, zusätzlich zu meiner Kopfstimme, abzulenken. Dies klappte auch sehr gut. Die halbe Stunde fühlte sich diesmal nicht gequält an.
Nach dem Essen winkte mich Sue zu sich.

"Was ist denn Sue? Habe ich etwas falsch gemacht?" fragte ich sichtlich irritiert. Sie schüttelte den Kopf und lächelte.

"Ganz im Gegenteil. Du hast Klasse gegessen! Mach weiter so." lobte sie mich. Ich strahlte und nickte. Noch nie wurde ich hier gelobt. Und es fühlte sich gut an. Gut es richtig gemacht zu haben.

Ich hüpfte zu Jess hinüber.
"Jessilein ich wurde gelobt." trällerte ich als ich auf sie zu lief.

"Ein Weltwunder ist passiert, Lia kann sich benehmen!" lachte Jess.

Perfect for you! [Geschichte einer Magersucht]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt