Kapitel 30

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Genervt suchte ich nach dem Ausschalter meines Weckers. Ich stand immer früher auf. Ich wusste, dass heute wieder Wiegen war. Im Bad trank ich erstmal gefühlt drei Liter Wasser und machte mich fertig. Ich wusste dass ich abgenommen hatte. Ich stand im Unterwäsche vor den Ganzkörperspiegel und betrachtete mich kritisch. Fett, Fett, Fett; hallte es mir durch den Kopf. Ich sah grauenhaft aus. Trotz Make-up sah man die Tiefen Ringe unter meinen Augen. An meinen Hüften sah ich das Fett nur so sprießen.
Seufzend öffnete ich meinen Kleiderschrank und nahm eine schwarze Skinny Highwaist Jeans und ein Pullover heraus. Er ließ mich leider noch dicker wirken als ich schon war. Meine Skinny Jeans sah dagegen nicht mal annähernd anliegend, sodass ich ein Gürtel benutzen musste. Und gleichzeitig fragte ich mich, warum mich jeder zu dünn fand. Es ergab einfach keinen Sinn. Klar wusste ich, dass ich krank war und das dadurch meine Wahrnehmung eingeschränkt war, aber ich kann mich doch nicht so täuschen.
Es klopfte an der Tür und huschte ins Bad. Ich wollte nicht, dass sie einen falschen Eindruck bekamen.
„Lia?" rufte Julien meinen Namen. Ich lugte aus der Badezimmertür.
„Du musst zum Wiegen. Warst du schon auf der Toilette?" fragte er. Eifrig nickte ich, damit keinen mein Betrug auffiel. Er zog kritisch eine Augenbraue hoch, nickte darauf dann. Mein Herz pochte mir bis zur Brust, als ich wartete.
„Hey Lia, ist alles okay?" fragte mich Mia, die gegenüber von mir stand.
„Ja, wieso?" fragte ich verwirrt. Außer meinen alltäglichen Problemen gab es nichts.
„Du siehst so unglaublich fertig aus." sagte sie und guckte mich traurig an. Ich schüttelte den Kopf und lächelte.
„Es ist wirklich nichts. Bloß ein anstrengender Tag." sagte ich.
„Lia du bist als nächstes dran." sagte Mell, die gerade aus dem Zimmer kam. Langsam nickte ich.

„Guten Morgen Lia, hast du gut geschlafen?" fragte mich Luisa. Die hat mir gerade noch gefehlt! Ich zuckte nur mit den Schultern. Auf eine Unterhaltung mit ihr hatte ich nun wirklich keine Lust.

„Lia...Diese Gewichtszunahme kann nicht stimmen. Ich möchte dass du bitte nochmal aufs Klo gehst." sagte sie auffordernd. Diese dumme...kann sie nicht wie alle anderen sich darüber freuen?! Ich verdrehte genervt die Augen, tat dann aber was sie sagte.
Widerwillig stellte ich mich nochmal auf die Waage.
Luisa guckte mich wütend an.
„Das wolltest geheim halten?! Lia so geht das nicht weiter! Verstehst du denn nicht in welcher Lage du dich befindest?" rief sie wütend.
Ich schnalze mit der Zunge und strich mein Pulli über.
„Hören Sie endlich auf mit Ihren Moralpredigten. Ich bin es satt nach Ihrer Nase tanzen zu müssen!" sagte ich kalt. Innerlich brodelte ich aber vor Wut.
„Du findest also dein Gewicht gut? Schön dann geh Lia! Aber dann stirb bitte woanders vor dich hin! Du möchtest eh nicht gesund werden, warum bist du dann noch hier? sagte sie harsch. Ich starte sie fassungslos an. Das hatte sie doch nicht ernsthaft gesagt. Ich funkelte sie wütend an.
„Dann verschwinde ich halt! Mich brauch sowieso keiner." rief ich von meinen Gefühlen geleitet und stürmte raus. Rannte an allen vorbei. Ich wollte weg. Einfach rennen und verschwinden.

Draußen kam mir die kalte Morgenluft entgegen. Es war noch nicht wirklich hell. Aber das war mir egal und so rannte ich . Und sah nicht hin wo hin ich lief.
Vielleicht... nein Luisa hat recht. Zwar das eine Mal. Und zwar, dass ich es niemals wert bin. Niemals. Aiden ist nur bei mir weil es Mitleid hat. Kira will doch auch nur, dass ich fett werde und meine Schwester will doch sowieso seit langem, dass ich endlich aus ihren Leben verschwinde.

Inzwischen war ich in einen kleinen Wald angekommen und der Boden war ziemlich uneben. Ich rannte ins Unterholz hinein. Plötzlich blieb ich an einen riesigen Ast hängen und flog nach vorne. Ich Trottel stützte mich mit den Händen ziemlich unsanft ab.
„Na schöne Scheiße aber auch!" fluchte ich leise. Meine Knie waren aufgerissen und an meinen Händen zierten sich Schürfungen. Nachdem ich mich von meinen Schock erholt hatte, kam langsam der Schmerz. Ich zischte, als ich merkte, dass mein linkes Handgelenk anfing zu schmerzen. Ich schob meinen Pulli nach oben und sah die Schwellung schon kommen. Ich lachte auf. Wieso hasste mich mein Leben bloß so sehr?

Perfect for you! [Geschichte einer Magersucht]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt