Die Lange Nacht Teil 2

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8 Jahre zuvor, Canis Minor

Ich schlug frustriert die Hände vor dem Gesicht zusammen und hauchte in meine Handflächen. Weißer Nebel tanzte in den Lichtkegeln der beiden Schulterlampen. Bald würde es so kalt werden, dass die leichte Thermokleidung des Little Big Bear Camps mir keinen Schutz mehr bieten würde und dann ...

Ich wollte nicht weiterdenken. Canis Minor war bereits vor Stunden in den Schatten seines gigantischen Mutterplaneten eingetreten und würde die nächsten neununddreißig Standardtage brauchen, um die sonnenabgewandte Seite des Gasriesen zu passieren. Die ersten Siedler hatten es die lange Nacht genannt, in der nur noch der Glanz der fernen Staubringe dem erdgroßen Mond im Nova Scotia System Licht spendeten. Das sah nicht nur spektakulär aus, sondern machte Canis Minor auch zu einer Welt der Extreme, die zwischen tropischer Hitze und lebensfeindlichster Kälte schwankte. Trotzdem galt der Planet dank fehlender renitenter Eingeborener oder rebellischer Kolonisten als sicher, solange man sich an eine überschaubare Anzahl von Regeln hielt, weshalb sich die Touristikkonzerne des Imperiums um die wenigen Hotellizenzen in dem planetenweiten Nationalpark prügelten. Mein früher und selbstverschuldeter Erfrierungstod wäre dabei nur ein bedauerlicher Ausreiser in einer ansonsten windschnittigen Risikobewertungsstatistik. Schließlich konnte niemand etwas dafür, dass Alexandra Wilson lieber imaginäre Probleme wie einst Sisyphos vor sich her wälzte, statt sich auf die Magie einer fremden Welt samt dinosauriergroßer Hexapoden einzulassen, die man von der Mensaterrasse des Camps füttern konnte.

Aber bitte nur mit Salat aus biologischem Anbau.

Fickt euch doch alle und die beschissenen Dinos zuerst!

Ich fluchte in den Kunstpelzkragen meiner Thermojacke.

Also weiter.

Zurück würde ich es jetzt eh nicht mehr schaffen, bevor ich mich in die humanoide Version einer Tiefkühlpizza verwandelte – garantiert haltbar für die nächsten neununddreißig Tage.

»Runter! Duck dich!«

Ja klar. Du mich auch mal.

Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, zwischen den schemenhaften Schatten der Bäume hindurch etwas zu erkennen.

Es muss einfach hier sein! Ich bin doch nicht ganz blöd!

Allerdings eignete sich ein wild auf den Stromschnellen tanzendes Kanu nur bedingt für präzise Positionsbestimmungen. Egal wie sehr ich mich gegen diese Einsicht sträubte. Mal ganz abgesehen davon, dass die verwaschene Silhouette, die ich für wenige Sekunden aus den Augenwinkeln heraus erspäht hatte, alles sein konnte und nicht notwendigerweise zu einem ausgedehnten Hotelkomplex gehören musste, wie ich mir seit Tagen versuchte, selbst einzureden. Einem Hotelkomplex natürlich, in dem keine lästige Kommunikationssperre existierte und man überall Zugang zum GalNet bekam, dem galaxieumspannenden Kommunikationsnetz des Imperiums. Da es nur bedingt möglich war, den Radius des Airlinks zu beschränken, sollte ich bereits aus einiger Entfernung Empfang haben und könnte meinen wiedererwachenden Newsfeed und die Anzeige der Signalstärke wie einen Kompass benutzen, um unvermeidliche Defizite bei den Zielkoordinaten auszugleichen. Das war der Plan und spätestens ab hier wurde Wildwasser Rafting lebensgefährlich, denn ohne die Kanutour wäre ich nie auf die grenzdebile Idee gekommen, mich bei Einbruch der Nacht aus dem Camp zu schleichen.

»Ein ausgesprochen dämlicher Plan«, bekräftigte die Stimme in meinem Kopf, »und jetzt duck dich endlich.«

Ich öffnete den Mund ...

Dann riss mich eine gigantische Detonation von den Beinen, packte mich und schleuderte mich wie eine Puppe hoch in die Luft. Der Wald rund um mich herum explodierte in einem ohrenbetäubenden Inferno aus violetten und blauen Lichtkaskaden.

Ich schrie.

»Warnung, Warnung, Warnung!«, brüllte eine weibliche Computerstimme in meine Ohren.

Endlose Sekunden schwebte ich zwischen Leben und Tod, bevor mich eine Titanenfaust in die gefrorenen Überreste eines Schlammlochs katapultierte. Ich überschlug mich, schnappte nach Luft, spürte die feuchte übel schmeckende Kälte des Schlamms meine Kehle hinabkriechen. Nur eine Handbreit neben meinem Kopf ragte eine abgetrennte Gliedmaße aus dem Morast und streckte mir die erstaunlich menschenähnlichen Finger einer Klaue anklagend entgegen. Ich schrie wieder. Brüllte die gesamte seit Stunden angestaute Angst und Panik heraus, bis ich wie ein Ertrinkender um den letzten rettenden Atemzug kämpfte. Sekunden gerannen zu einer Ewigkeit, in der nichts existierte außer meine brennende Lunge und der prickelnd bittersüße Geschmack nach Tod und Verwesung auf meiner Zunge. Dann brach die Hölle los und die Welt verwandelte sich in ein surrealistisches Armageddon. Berstendes Holz heulte und jagte kreischende Splitter wie Schrapnellgeschosse durch die Nacht. Blitze, die an den Spitzen der Äste zu entspringen schienen, zuckten von Wipfel zu Wipfel und meißelten die Silhouetten der Bäume wie Scherenschnitte aus der Finsternis. Ich rollte mich auf den Rücken, schlug nach der klauenförmigen Hand, rappelte mich auf und stolperte blindlings durch das tobende Inferno.

»Warnung, Warnung!«

Grellgelbe Sterne explodierten wie tollwütige Glühwürmchen nur wenige Millimeter vor meinem Gesicht. Der winzige Prallfeldgenerator des Survivalkits kreischte schrill. Dafür war die minimalistische Technik, die man dem Anzug spendiert hatte, nie entworfen worden. Der Schutzschild sollte eher besorgte Eltern beruhigen und nicht tatsächlich Leben retten, auch wenn er es gerade tat. Lange würde die kleine Batterie das Dauerfeuer allerdings nicht durchstehen, daran ließ die hektische Computerstimme keinen Zweifel.

»Runter und duck dich endlich«, ertönte wieder die Stimme in meinem Kopf. »Sind eigentlich alle Menschen so dumm wie du?«

Die nächste Explosion ließ eine gleißende Blume aus blauem Licht vor mir erblühen und die Wucht der Detonation fegte mich wieder von den Beinen.

»Ist das wirklich so schwer zu verstehen? Duck dich!«


Für die Fortsetzung mal wieder einfach auf den Knopf drücken :-)

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