Die Farben des Alls Teil 7

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30.August, 973 NEE, Lancedeck an Bord der Arizona

Die Luft in der winzigen Zelle fühlte sich zäh wie Fußschweiß an und kroch nur widerwillig ihre Kehle hinab. Kaya Ngono hatte es schon lange aufgegeben zu schreien. Weil sie keinen Atem dafür übrig hatte, weil niemand sie hören konnte und weil niemand auf der Arizona sich um ihren Zorn oder ihre Verzweiflung scherte. Deshalb schwieg sie und lief, einen Fuß vor den anderen, Minute um Minute, Stunde um Stunde. Zwanzig Stunden pro Tag. Wobei sie keine Ahnung hatte, wann ein Tag endete und der nächste begann, weil die Ruhepausen unregelmäßig kamen, um dem Gefangenen die Möglichkeit zu nehmen, die Länge seiner Strafe abzuschätzen. Kaya Ngono wusste nicht einmal mehr, wie viele dieser Ruhepausen sie bereits hinter sich hatte, oder wie oft sich die Muskeln ihrer Waden in steinharte Klumpen verhandelt hatten, die sie mit Wellen purer Agonie peinigten. Dann musste sie auf den Knien weiterkriechen, weil es die Trommelzelle nicht interessierte, ob sie sich auf den Beinen halten konnte oder nicht. Kaya Ngonos Gefängnis glich einem aufrechtstehenden Rad, das sich unerbittlich drehte, egal wie sich seine Insassin fühlte. Für eine komplette Umdrehung benötigte die Trommelzelle eine Minute. Das war verhältnismäßig gnädig. Die harten Jungs bekamen vier Umdrehungen pro Minute. Wobei harte Jungs im Sprachgebrauch von Lancemaster 2. Class Owen Deeze durchaus auch weiblich sein konnten. Das wusste Kaya aus eigener Erfahrung, aber damals war sie noch auf der anderen Seite der Tür gestanden und hatte sich nicht vorstellen können, jemals selbst so eine Tortur ertragen zu müssen.

Wieder ein Schritt.

Kaya bückte sich und angelte nach der Wasserflasche, die müde neben ihr her kullerte. Ein Schluck, mehr gönnte sie sich nicht, obwohl ihre Kehle brannte. Aber die Flasche war nicht einmal mehr viertel voll und die Nächste gab es nicht vor der nächsten Ruhepause. Wann immer die sein mochte. Der Boden neigte sich unter ihr, zwang sie wieder sich zu bewegen. Sie hob das Bein, setzte den nackten Fuß auf den kalten Stahl. Ein dumpfes klatschendes Geräusch ertönte. Wie nasse Wäsche, die zu Boden fiel. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Oder das Geräusch stammte von dem Knäuel ihrer Uniform, das sich mit ihr durch die Zelle quälte. In der ersten Ruhepause hatte sie sich ausgezogen. Alles. Sogar ihre Unterhose, weil die Luft so verflucht stickig und heiß war, dass ihr jeder noch so kleine Fetzen Stoff am Leib klebte, als würde er sich festsaugen. Häftlinge hatten im Imperium kein Anrecht auf Bequemlichkeit, wozu auch eine adäquate Lüftung zählte. Vor allem während einer Bestrafung.

Schritt, klatsch, Schritt, klatsch, Schritt, klatsch ...

Dann hielt der Boden an.

Kaya blinzelte, aber ihr zermürbter Geist war nicht mehr in der Lage die Bewegung ihres Fußes rechtzeitig anzupassen. Sie strauchelte, stolperte ...

... eiskalte Luft hüllte sie ein, jagte einen Schauer über ihre verschwitzte Haut, dann fiel sie. Grelles Licht blendete sie. Kaya schrie und schlug schmerzhaft auf dem grauen Deck des Zellentraktes auf. Der Aufprall trieb ihr die Luft aus der Lunge und die Tränen in die Augen.

Sie schluchzte.

»Riecht ja würzig da drin«, erklang die Stimme von Owen Deeze. »Ich hoffe, sie haben die kleine Sportübung genossen.«

Kaya antwortete nicht.

»Ich wollte ja schon immer mal wissen, wie ihre Brüste aussehen, Cupcake.« Er warf ihr ein Uniformbündel und ein Lancecollar hin. »Hier! Ziehen Sie das an.«

»Ich bin keine Lance«, krächzte Kaya.

»Vielleicht ...«, antwortete er gedehnt. »Aber im Moment brauche ich Sie mit so einem schicken Halsband, Cupcake.«

Sie starrte ihn an.

»Entweder das Lancecollar oder noch mal drei Tage in der Trommelzelle. Ihre Entscheidung, Cupcake«, sagte er spöttisch.

Kaya fluchte, griff mit zitternden Fingern nach dem Halsband und legte sich den kalten Stahl um den Nacken. Das Schloss rastete deutlich hörbar ein.

»Geht doch.« Owen Deeze nickte zufrieden und drehte sich um. »Ziehen Sie sich an und kommen Sie in mein Büro. Dann besprechen wir alles Weitere.«

»Nennen Sie mich nicht Cupcake ...«, murmelte sie wütend.


Fortsetzung folgt am 11.12.2021


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