27.August, 973 NEE, an Bord der Valkyrie
»Und jetzt noch die Haube!«m wiederholte Norman mit riesigen glänzenden Augen, während sich ein dünner Speichelfaden über sein Kinn arbeitete.
»Jetzt wird er aber wirklich eklig«, sagte Charles mit der ihm eigenen hallenden Stimme in meinem Verstand.
Nein. Der Kerl wird nicht eklig, er ist schon immer eklig gewesen ...
... aber das half mir jetzt auch nicht weiter. Ich starrte ihn hasserfüllt an. Meine Lippen waren ein blutleerer dünner Strich und meine schwarzglänzenden Finger öffneten und schlossen sich, als hätten sie einen eigenen Willen. Als wären sie eigenständig denkende und fühlende Wesen, die sich zur Faust ballen und diesem abstoßenden Mann mit aller Kraft ins Gesicht schlagen wollten.
»Komm schon«, sabberte er. »Hast es ja gleich geschafft. Nur noch die Haube. Dann haste deine Ruhe. Für immer ...«
Die letzten Worte gingen einem schrillen Kichern unter, während seine Finger über die Kontrollen des HoloScreens huschte.
»Fick dich«, murmelte ich und rührte mich nicht.
»Du machst das gut, weißt du. Richtig gut ...« Der Speichelfaden wurde dicker. »Macht keinen Spaß, wenn sie sich nicht wehren.«
Der Deprivationsanzug zog sich an der Taille zusammen.
Ich keuchte.
»Steht dir. Ehrlich.« Er machte eine vielsagende Bewegung, als wollte er mit beiden Händen meine Taille umfassen.
»Fick dich, du verdammtes Arschlosch«, fluchte ich und spuckte ihm das letzte Wort in sein hässliches Rattengesicht.
Er leckte sich über die Lippen. »Weißt du. Vielleicht hätte ich dich wirklich wieder aus dem Anzug rausgelassen. Nach ein paar Monaten schwitzen, oder so. Aber du bettelst ja darum, dass man es dir so richtig hart besorgt. Ich hätt' nie gedacht, dass ich mal so eine kriege. Spätestens wenn sie sich die Dinger zwischen die Beine stopfen sollen, knicken eigentlich alle ein. Fangen an zu jammern, bieten einem was an ... Aber du ...«
Ich öffnete den Mund, aber genau in diesem Moment zog sich der Anzug erneut zusammen und verwandelte meinen Wutausbruch in ein dumpfes Stöhnen.
Norman schüttelte den Kopf. »Echt! Du machst das richtig Klasse.«
»Ich sage es ja nur ungern«, mischte sich plötzlich Charles ein. »Aber ich fürchte, er hat Recht. So machst du es nur spannender. Der wird sich an dir aufgeilen, solange du dich wehrst.«
»Was, soll ich den Scheiß stumpf über mich ergehen lassen?«, knurrte ich und wusste selbst nicht, an wen ich die Frage richtete, an Charles oder an Norman.
»Ein wenig Demut schadet keiner Frau. Aber das hilft dir jetzt auch nicht mehr. Ich habe ...« Weiter kam Norman nicht mehr, denn hinter ihm öffnete sich die Tür der Krankenstation und Wee kam herein. Sie durchquerte den Raum mit drei, vier schnellen Schritten, packte den MP Officer an der Schulter, zog ihn herum und rammte ihm das Knie schwungvoll in den Schritt. Der Mann klappte stöhnend zusammen wie ein Taschenmesser. Dann donnerte sie seinen Schädel auf die Konsolen eines MedPods und zertrümmerte Normans Nase.
»Raus!«, sagte sie gefährlich leise. »Verschwinden Sie und zu niemandem ein Wort, wer ihnen die Nase gebrochen hat, sonst sorge ich dafür, dass Sie in so einem Teil stecken und jemand den Schlüssel wegwirft! Haben wir uns verstanden?«
Norman quiekte etwas Unverständliches und stolperte mehr kriechend als laufend aus der Krankenstation.
Wee schnaubte und sah mich an. »Habe ich es mir doch gedacht. Wir hätten dieses Schwein nie auf das Schiff lassen sollen. Bist du in Ordnung?«
Ich atmete so tief ein, wie es der Anzug erlaubte und nickte.
»Gut« Wee musterte die Reste meiner roten Mähne, die sich zu meinen Füßen am Boden wandt und schüttelte den Kopf. »Schaffst du es allein aus dem Teil raus?«
»Ich ... ich denke ... ja ...«, sagte ich.
Sie nickte. »Dann beeil dich. Wir müssen los. Auf uns wartet ein ganzer Geleitzug.«
Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und rauschte aus dem Raum.
Ich leckte mir über die Lippen. »Das war dann wohl die Erlaubnis ...«
»Würde ich auch so sehen«, pflichtete mir Charles körperlose Stimme bei. »Verdammt. Ich hätte wirklich nie gedacht, dass ich mal froh sein würde eine Aérien zu sehen.«
»Woher kennt eine Alge von Canis Minor eigentlich die Aérien?« Ich fummelte an der Kragenmanschette herum, die Anzug mit dem Lancecollar verband. »Und vor allem ... was hast du gegen sie?«
»Das ist eine lange Geschichte, Alex«, wich Charles aus.
»Verdammte Sch ...«, fluchte ich, als ich zum dritten Mal an dem komplizierten Verschluss im Nacken scheiterte.
»Ich würde dir ja wirklich gern helfen, Alex. Aber ich fürchte ...«
»Schon gut«, murmelte ich und starrte auf meine nachtschwarz glänzenden Hände. Vermutlich war es eine Sicherheitsfunktion des Anzugs, dass man sich nicht selbst daraus befreien konnte. Ich pfefferte die Haube, die noch immer zusammen mit der konturlosen Gesichtsabdeckung auf der Liegefläche des MedPods lag, frustriert auf den Boden zwischen die traurigen Überreste meiner Haare und plötzlich erwachte das spiegelnde Material des Visiers zum Leben. In leuchtend roten Buchstaben blinkte dort wütend:
Lockin noch nicht abgeschlossen.
Unverzüglich fortfahren.
»Scheiße!«, entfuhr es mir.
»Das ist nicht gut, Alex. Das ist gar nicht gut. Wir müssen hier raus!«
Ich stieß mich von dem MedPod ab, ignorierte den unangenehmen Druck zwischen meinen Beinen, stolperte vorwärts ...
... und prallte gegen die Automatiktür, die sich eigentlich ohne mein Zutun für mich hätte öffnen müssen.
»Fuck!«, rief ich.
»Das ist doch jetzt wirklich ein schlechter Scherz«, erklang Charles Stimme in meinem Bewusstsein.
Ich sah mich gehetzt um, während ein seltsamer Schauer durch den Deprivationsanzug rieselte und sich langsam zu einer vibrierenden Welle aufbaute.
Damit haben wir einen erneuten Wendepunkt in Alex und Charles Schicksal erreicht und ihr seid dran :-) Soll Alex, nachdem sie jetzt ihre ersten unangenehmen Erfahrungen mit dem Deprivationsanzug sammeln musste, weiterhin in dem Anzug Dienst schieben oder soll sie daraus entkommen. Ich bin gespannt, wie ihr euch entscheidet :-)
Fortsetzung folgt am 23.10.2021
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Ratpack 7
Ficção CientíficaDie Menschheit hat die Sterne erobert und die Macht des Ewigen Imperiums schenkt ihr ein scheinbar goldenes Zeitalter, in dem mehr Dunkelheit als Licht herrscht. Mein Name ist Alexandra Wilson, Mathe - Nerd, Social - Noob und sonst alles dazwischen...