Die Farben des Alls Teil 4

146 4 0
                                    

Acht Jahre zuvor, Canis Minor

Seit dem Bad im See fühlte ich mich hundeelend. Daran änderte auch der nächste Morgen nichts. Ich wälzte mich fiebrig im Bett, schleppte mich als Schatten meiner selbst zum Frühstück und erbrach kurz danach das Wenige, das ich in mich hineingestopft hatte unter den kritischen Blicken eines Hexapodendinos in den Schatten eines der Chalets.

Ich habs ja schon immer gesagt ...

... fickt euch ihr bescheuerten Dinos.

Aber vielleicht stand das Vieh ja auch einfach nur auf Honigpops mit Biomilch.

Aus der anschließenden Exkursion zu den Wasserfällen, die ich vor nicht allzu langer Zeit auf allen vieren kriechend gemeistert hatte, schummelte ich mich raus, indem ich irgendwas Unverständliches von Frauenproblemen und nicht schwanger murmelte und verkroch mich stattdessen unter der Bettdecke. Kurz vor dem rudimentären Mittagessen für die wenigen Daheimgebliebenen und Mitarbeiter hielt es dann aber endgültig nicht mehr aus und wankte in die Krankenstation, wo ich fragende Mienen in die Gesichter der beiden Ärzte zauberte, während sie auf die HoloScreens starrten, die wie ein Karussell auf Droge um mich herum rotierten.

Wer ist eigentlich auf diese völlig bescheuerte Idee gekommen?

Wem vorher schlecht war, wurde spätestens unter den bunt blinkenden Bildschirmen speiübel und pflichtschuldig fühlte sich mein Magen nach wenigen Minuten auf dem medizinischen Bett an, als wollte er im Kotzen Karriere machen. Ich begriff zwar nicht einmal die Hälfte von dem Gebrabbel der beiden Ärzte, aber selbst mit dem Wenigen, das ich verstand, war mir klar, dass meine Werte schlicht unmöglich sein sollten. Meine Erythrozyten waren viel zu hoch, die Leukos im Keller und mein unspezifischer Antikörpertiter sah aus, als wäre ich geradewegs durch ein Pestgebiet spaziert. Dazu kamen noch Hormonspiegel laut derer ich entweder schwanger, tot oder high sein sollte. Alles zur gleichen Zeit natürlich.

Irgendwann atmete ich tief ein und musste husten. Ich konnte plötzlich nichts mehr riechen, aber die Luft fühlte sich dafür seltsam schwer und kratzig an und hinterließ einen widerlich bitteren Geschmack auf meinem Gaumen, der meine Kehle hinabzukriechen schien, als hätte er einen eigenen Willen. Den Ärzten fiel das anscheinend nicht auf, was vermutlich daran lag, dass es keine Anzeige für meine Geschmacksknospen auf ihren HoloScreens gab. Ich hob schwach die Hand und öffnete den Mund, während ich überlegte, wie ich den beiden Hinterwäldlerschamanen meine verwirrenden Sinneseindrücke klar machen sollte.

»Daran bin vermutlich ich Schuld ...«, erklang so plötzlich wie überraschend Charles körperlose Stimme in meinem Verstand.

Der Schock traf mich mit der Wucht eines Faustschlags und ließ meinen Mund so heftig zuklappen, dass meine Zähne klapperten.

»Du ...?«, hauchte ich matt.

Die Ärzte reagierten nicht. Anscheinend war ich so krank, dass Selbstgespräche im Delirium nicht ungewöhnlich für meinen Zustand waren.

»Ja«, antwortete das seltsame Pflanzenwesen kleinlaut.

»Wie ...?« Mir war natürlich klar, dass er mich nicht wirklich hören konnte. Meine Worte zumindest. Charles musste sich mehrere Meilen entfernt im See aufhalten und selbst wenn sich irgendwo unter seinen Blättern so etwas wie Ohren verbergen sollte, würden schwachen akustischen Schwingungen, die mein kränkliches Flüstern erzeugte, es niemals bis dorthin schaffen, ohne von allen möglichen Umgebungsgeräuschen übertönt zu werden. Aber trotzdem verstand er mich offensichtlich. Genau wie damals am Beginn der Langen Nacht.

»Telepahtie«, sagte die Stimme in meinem Kopf. »Wenn du sprichst, stellst du es dir gleichzeitig vor und das kann ich empfangen. Auch über große Entfernungen hinweg. Eigentlich würde es auch schon genügen, wenn du nur denkst, aber dafür bist du im Moment zu schwach ...«

»Aha ...«, machte ich nur.

»Sobald wir uns mit einem Wirt verbinden ...« Charles klang seltsam bedrückt, »... übernehmen wir die Kontrolle über verschiedene zentrale Körperfunktionen. Oder besser die Koordination verschiedener Körperfunktionen ...«

»Du willst mir jetzt aber nicht erklären, dass ich auf Entzug bin?«

Diesmal warf mir einer der Ärzte einen fragenden Blick zu.

»Im Endeffekt ist es so ... Nur schlimmer ...«

»Aha«, murmelte ich wieder wenig begeistert.

»... weil der Prozess nach einiger Zeit nicht mehr reversibel ist ...«

Ich stöhnte und wollte die nächsten Worte gar nicht mehr hören.

»Deshalb habe ich in letzter Zeit so wenig gesagt und mich so still verhalten. Ich hatte gehofft die Verbindung damit zu ... verzögern ...« Charles Stimme verklang mit dem letzten Satz wie ein trauriger Windhauch.

Ich nickte. »Und jetzt?«

Mittlerweile starrten die beiden Ärzte mich und nicht mehr ihre bescheuerten Bildschirme an.

»Nun ja ...« Das Pflanzenwesen stockte. »Wir müssen uns entweder wieder vereinigen ... oder du stirbst ...«


Fortsetzung folgt am 20.11.2021


Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.
Ratpack 7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt