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Danach, gegenwärtig, Gegenwart

Das ohrenbetäubende Kreischen der Sirenen erfüllt die regnerische Nacht. Wie Blitze bringen die Rettungswagen rotes und blaues Licht ins Dunkel. Eine Katastrophe. Etwas Schreckliches muss passiert sein. Nur was? Die Sirenen verstummen. Nur noch entferntes Hupen untermalt die Szene. Eine Szene wie aus einem Albtraum. Autoteile liegen verstreut auf der nassen Fahrbahn, die einzige Beleuchtung bieten die Lichter der Rettungswagen und Sanitäter laufen schnell hin und her. Wie gesagt, ein Albtraum und ich bin mitten im Geschehen, aber bin ich eine Beobachterin? Eine Gafferin? Nein, auf jeden Fall keine Gafferin. Mein Blick liegt auf den Überresten zweier Autos. Sie sehen stark mitgenommen aus. Es war ein Unfall. Erst jetzt kann ich der Situation einen Namen geben. Ob es wohl Überblende bei diesem Unfall gab? War ich vielleicht sogar eine von den Überlebenden? Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Aber müsste ich mich dann nicht genau daran erinnern können? Ich beginne auf meine Unterlippe zu beißen, immer schneller, immer fester. Was wenn nicht alle überlebt haben und was, wenn ich eines der Opfer kannte? Die Gedanken schießen durch meinen Kopf. Ich gehe jede Möglichkeit dreimal durch. Dann schmecke ich Blut. Bin ich eines der Opfer und somit tot?

Schweißgebadet wache ich auf. Die Laken sind zerwühlt und haben sich um meine Beine geschlungen. Es sind schneeweiße Krankenhauslaken. Auch die Wände sind in dem gleichen Weiß gehalten. Ich bin im Krankenhaus. Ich bin im Krankenhaus und nicht Zeugin eines Unfalls. Dieses Mantra hilft mir meine Gedanken, wie auch meinen rasenden Puls zu beruhigen. Ich bin im Krankenhaus. Die Nadel, die in meinem linken Arm steckt und der Krankenhaus-typische-Geruch bestätigen meinen Gedanken. Das gerade war nur ein Albtraum. Aber wieso bin ich im Krankenhaus? Was ist passiert? Diese Fragen ziehen ihre Kreise und wollen mich nicht in Ruhe lassen, wie Aasgeier, die eine Beute entdeckt haben und jetzt nicht mehr von ihr ablassen können. Nur habe ich die Hoffnung, dass ich noch vor meinem Tod Antworten auf diese Fragen bekomme. Vielleicht hat dieser Albtraum damit etwas zu tun. Ist es möglich, dass es kein Albtraum war, sondern eine Erinnerung? Mein Blick gleitet zu meinem rechten bandagierten Arm. Wieder Frage ich mich, was passiert sein könnte. Wieder bekomme ich keine Antwort. Von wem auch?

Ein leises Klicken lässt mich erschrocken aufblicken und prompt beginnt mein Kopf zu pochen. Dennoch wage ich einen Blick auf die sich öffnende Tür. Eine hochgewachsene Frau im weißen Kittel betritt das Zimmer. Ich setzte an sie etwas zu fragen, aber meine Kopfschmerzen nehmen zu und schon umfängt mich die Dunkelheit wie eine alte Freundin.

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