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Davor, zuvor, Vergangenheit

Die Musik erfüllt die hohen Decken der Altbauwohnung und der Bass bringt alles zum Beben. Kurz eine ganz normale Oberstufenparty an einem Samstagabend vor den Herbstferien. Trotzdem wundert es mich, dass noch keine aufgeregten Nachbarn vor der Tür stehen und uns mit der Polizei drohen. Zu verübeln wäre es ihnen nicht. Die Musik ist zwar gut, was eine Seltenheit auf diesen Partys ist. Aber sie ist laut. Sehr laut. Doch vielleicht sollte ich den Lärm und die Konsequenzen lieber unserem Gastgeber und seinen Nachbarn überlassen.

Es wäre allerdings schade, wenn die Party aufgelöst werden würde, immerhin habe ich hier heute noch ein wichtiges Gespräch zu führen. Auch wenn sich in meinem Kopf der hoffnungslose Gedanke beginnt zu bilden, dass es zu diesem Gespräch gar nicht mehr kommt, denn Finley ist noch nicht aufgetaucht. Damit würde unser Gespräch dann nicht stattfinden. Es alleine zu führen wäre sinnlos, armselig und kommt überhaupt nicht infrage. Was hätte ich denn auch davon? Diese ganze gespannte Warterei war vergebens. Und auch all die verschiedenen Szenerien, die ich in meinem Kopf durchgespielt habe, würde einfach nicht stattfinden. Ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass es auch die Möglichkeit gibt, dass er gar nicht kommt.

In dem Moment werde ich von einem vorbei drängenden Paar auf die Seite gestoßen. Direkt in Frieda, die vor mir steht und mich zum Glück auffängt, bevor ich einen Tanzflächen-Domino auslösen kann.

Gleich nachdem wir diese Wohnung betreten haben, hat Frieda mich auf die „Tanzfläche" gezogen, was eigentlich nur ein anderes Wort ist, um das großzügige Wohnzimmer zu beschreiben. Frieda meint, sie würde es nicht aushalten, wenn wir deprimiert in der Küche rumhängen, sie sich volllaufen lässt und ich mit trauriger Miene auf Finley warte. Wieso wir beide deprimiert in der Küche rumhängen, konnte sie mir nicht sagen und hat nur etwas von Evan und seinen Echidnas genuschelt.

Natürlich habe ich ihr von meiner Bezeichnung von Evan Anhängseln erzählt und weil Frieda sie gut fand, hat sie die Bezeichnung auch gleich übernommen.

„Wow, Julie. Nur weil Finley noch nicht da ist, musst du dich nicht auf mich stürzen. Ich bin straight as hell", ruft sie, um die Musik zu übertönen, nachdem sie mich wieder auf meine zwei Beine gestellt hat.

„Wow, Frieda. Das war gerade ein schlechter Vergleich. Tut mir leid, dass ich so ehrlich bin, aber du bist meine beste Freundin."

Sie zuckt nur grinsend mit den Schultern und tanzt weiter. Entweder sie hat mich nicht wirklich verstanden oder es ist ihr schlicht egal. Und da beides sehr wahrscheinlich ist, zerbreche ich mir nicht weiter den Kopf darüber und tanze mit Frieda.

Sie legt ihre Hände auf meine Schultern und wir werden eins mit der Musik. Der Bass durchdringt uns und bestimmt unsere Bewegungen als würden wir nicht mehr Herr über unseren Körper sein. Ich fühle mich leicht und glücklich. Wieso weiß ich nicht ganz genau. Es ist ein einfach ein Gefühl, das tief in mir drin ist und mich ebenso wie die Musik erfüllt.

Doch gerade als wir richtig in unserem Element sind und ich mich meinem Glück hingebe. Frei von all den Problemen, den Gedanken an die Vergangenheit. Genau dann spüre ich, dass jemand hinter mir steht. Meine Schultern streifen einen muskulösen Oberkörper und ich zucke zusammen.

Sofort drehe ich mich zu der unbekannten Person und möchte ihr einen Vortrag darüber halten, dass sie sich nicht so nah an zwei tanzende Mädchen zu stellen hat, aber als ich sehe, wer vor mir steht, kann ich gerade noch den Mund schließen und nur ein komisches überraschtes Geräusch kommt mir über die Lippen.

Vor mir steht Finley. Natürlich sollte das keinen Unterschied machen und eigentlich sollte ich auch ihm so einen Vortrag halten. Aber für mich macht es eben doch einen Unterschied. Fern jeder feministischen Logik. Hinzukommt, dass ich nur wegen Finley auf dieser Party bin. Natürlich hat meine feministische Logik auch dagegen protestiert. Doch Finley ist Finley und bei ihm ist alles irgendwie anders.

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