Danach, gegenwärtig, Gegenwart
Die weißen Krankenhauswände reflektieren das Licht der einstrahlenden Sonne, die durch die großzügigen Fenster scheint und lässt das Zimmer noch reiner und heller erscheinen. Kein Wunder, dass viele Patienten, nachdem sie aufwachen, denken, sie seien im Jenseits. So viel Weiß auf einmal ist ziemlich überwältigend.
Ich senke meinen Blick wieder auf die Gegenstände, die ich ordentlich auf meiner Decke drapiert habe. Anscheinend hat Ellies Perfektionismus auf mich abgefärbt.
Warte.
Ellie.
Perfektionismus.
Schnell schlage ich das Notizbuch auf Ellies Doppelseite auf und schreibe hektischen Perfektionismus auf, bevor mir die Erinnerung wieder entwischen kann. So geht das schon die ganzen letzten Tage. Mir fällt etwas ein, ich suche die passende Seite im Notizbuch und notiere mir die Information. Am Anfang habe ich mir dafür noch viel Zeit gelassen, doch nach dem mir der eine oder andere Gedanke abhandengekommen ist, achte ich darauf, alles umgehend aufzuschreiben.
Ich lege das Notizbuch, sowie den Stift wieder an ihren Platz und lasse meinen Blick über all die Dinge gleiten, die dort vor mir ausgebreitet sind. Die Bilder meiner unbekannten Freunde, eine Schere, ein Kleber, das Notizbuch natürlich und ein Bleistift. Man könnte meinen, dass ein Kindergartenkind sich gerade darauf vorbereitet ein Erinnerungsalbum zu basteln. Ein Kindergartenkind mit einem Hang zur Ordnung. Und das wiederum erscheint mir doch sehr widersprüchlich. Aber wieder zurück zum Eigentlichen. Ich habe mir vorgenommen auch meinen vermeintlichen Freunden eine Doppelseite im Notizbuch zu widmen.
Vorsichtig nehme ich das erste Bild, auf dem das rothaarige Mädchen mit den blauen Augen zu sehen ist. Ich schaue es mir noch einen Moment an, bevor ich die Schere ansetze und die Umgebung um das Mädchen wegschneide.
Das ist Frieda. Mit ihr fängt es an. Sie bekommt die erste Seite. Sie war... meine beste Freundin? Oder vielleicht feste Freundin?
Ich klebe das Bild auf die linke Seite der Doppelseite und streiche noch einmal drüber. Frieda meine feste Freundin? Ich in einer Beziehung mit einem Mädchen? Das kann ich mir nur schwer vorstellen. Dann... dann muss sie wohl meine beste Freundin sein. Und genau das schreibe ich neben das Bild. Ohne Fragezeichen.
Die zweite Seite geht an den Jungen mit den braunen Haaren sowie braunen Augen. Evan ist sein Name. Zumindest habe ich das auf die Rückseite des Bildes geschrieben, dass ich als Nächstes in mein Notizbuch klebe. Evan, also. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ich mit dem Jungen auf dem Foto befreundet war. Dieser selbstgefällige Blick und dazu noch das leicht angehobene Kinn lassen ihn mir sehr unsympathisch erscheinen. Nein, mit dieser Person war ich ganz sicher nicht befreundet. Wieso hat mir Dr. Freud dann aber auch sein Bild gegeben? Hat er vielleicht etwas mit dem Unfall zu tun?
All diese Gedanken schreibe ich auf die Doppelseite. Ich schreibe sie auf, in der Hoffnung bald Antworten zu bekommen.
Nach ein paar Minuten fällt mir aber nichts mehr zu Evan ein und ich greife nach dem dritten Foto. Du bist also David. Dieser Junge strahlt etwas Gefährliches aus. Die kalten blauen Augen scheinen kein Erbarmen zu kennen und auch der kantige Unterkiefer lässt David aggressive wirken. Dennoch macht er auf mich einen besseren Eindruck als Evan.
Jetzt liegt nur noch das Bild des jungen mit den blonden Haaren und den jadegrünen Augen auf meiner Bettdecke. Er ist wunderschön und sein bloßer Anblick löst so viele verschiedene Gefühle in mir aus. Sie toben durch mein Inneres und ich kann nur schwer nach ihnen greifen, kann sie nur schwer deuten.
Finley, was machst du mit mir? Ich kann mich nicht an dich erinnern und dennoch vermisse ich dich. Das ehrliche Lächeln auf seinen Lippen ist so schmerzlich vertraut.
Es ist als würde sich mein Körper, meine Seele an diesen Jungen erinnern. Sie sind es, die mich diese Zuneigung, diesen Schmerz und diese Leere zugleich fühlen lassen. Wer bist du, Finley? Du musst mit unendlich wichtig gewesen sein.
Ich nehme auch dieses Foto in die Hand, schneide es aus und klebe es auf eine Seite meines Erinnerungsbuches.
Vor allen anderen möchte ich mich an Finley erinnern.
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may i love him
Teen FictionIn Julies Augen sind alle Jungs gleich, und zwar gleich schrecklich. Doch als sie die Schule wechselt und am ersten Schultag dem norwegischen Austauschschüler Finley über den Weg läuft, ändert sich einiges. Sie beginnt ihre Abneigung gegenüber Jungs...