Davor, zuvor, Vergangenheit
Schon nachdem ich den ersten Schritt nach draußen mache, schlägt mir die kalte Luft entgegen. Immer noch besser, als das, was die da drinnen Luft nennen wollen, denke ich und reibe meine Arme damit mir etwas wärmer wird. Vielleicht sollte ich mir angewöhnen mich etwas wärmer anzuziehen oder ich könnte auch immer Finleys Pullover mitnehmen. Letzteres wäre wahrscheinlich die bessere Option, obwohl...
„Ich kenne Niemanden, der die Jahreszeiten so sehr unterschätzt, wie du es tust."
In dem Gesagten schwingt ein leicht belustigter, aber liebevoller Unterton mit und mit den Worten „Ich habe mir schon gedacht, dass es kalt sein würde" legt mir Finley die Decke, die er zuvor in seiner Hand gehalten hat, auf die Schultern. Sofort ziehe ich diese enger um mich und ziehe meine Schultern glücklich über die Wärme nach oben. Genau dasselbe habe ich auch gemacht, nachdem ich mir Finleys Hoodie übergezogen haben und die Andeutung eines Lächelns legt sich auf meine Lippen, als ich wieder an diesen Moment zurückdenke, an das Gespräch zwischen mir und Finley, an unsere Umarmung zum Abschied und das Gefühl, das ich zu dem Zeitpunkt das erste Mal war genommen habe. Ein Blick in Finleys grüne Augen genügt, um zu sehen, dass er genau wie ich auch an diesen Moment denkt und das Leuchten, das seine Augen noch grüner, noch schöner werden lässt, verhindert, dass ich den Blick abwenden, die Intensität zwischen uns unterbrechen kann. Mich durchfährt ein wohliger Schauer, meine Gedanken beginnen sich zu zerstreuen und sich neu zusammenzusetzen. Immer wieder. Als würden sie nicht genau wissen, was sie eigentlich wollen. Keine Sekunde bleiben sie ruhig. Sie einigen sich. Werden zu einem, zu mehreren Gedanken, die sich nur um eine Sache drehen. Finley. Mir wird klar, dass sich mein Herz und mein Kopf gegen mich verschworen haben. Mir wird klar, dass ich auf dem sicheren Weg bin mich in den norwegischen Austauschschüler des größten Mistkerls der Schule zu verlieben und ich nichts dagegen tun kann. Doch diese Erkenntnis wird durch das Auftreten einer breit grinsenden Person unterbrochen, die in das funzlige Licht der Außenbeleuchtung tritt.
„Hey, habt ihr eine Ahnung warum es nachts kälter als draußen ist?"
Nur schwer kann ich mich von Finleys Augen abwenden, meine Aufmerksamkeit auf das hier und jetzt richten, wenn er mir doch so nah ist. Es sind zwar nur wenige Zentimeter, die er mir während unseres Moments nähergekommen ist, aber zuvor haben uns auch nur wenige Zentimeter voneinander getrennt. Ich räuspere mich und versuche meine Gedanken wieder zu ordnen.
„Ich weiß es leider nicht, Lieo", antworte ich schulterzuckend und kann den ironischen Klang meiner Worte nicht unterdrücken.
Auch Finley zuckt nur mit den Achseln und die zusammengebissenen Lippen machen klar, dass er nur nicht antwortet, weil er sich sonst sein Lachen nicht verkneifen könnte. Lieo ist der Kiffer unserer Schule und somit wundert es mich nicht, dass er breit grinsend so eine Frage stellt. Selbst im Unterricht ist es keine Seltenheit sein gackerndes Lachen aus der letzten Reihe zu hören oder ihm während einer Partnerarbeit in die rot geäderten Augen zu schauen.
„Ach, schade Marmelade, Leute. Dann muss ich es eben selbst rausfinden und vergesst nicht – make love, not war."
Mit diesen Worten schlendert er durch die Terrassentür ins Haus. Was war denn das? Kopfschüttelnd lache ich in mich hinein und blicke auf den Boden vor mir. Make love, not war? War das nur ein Spruch, den er einfach so aufgesagt hat oder war das auf Finley und mich bezogen? Das kann ich mir nicht vorstellen... wie lange stand Lieo eigentlich schon in der Dunkelheit? Was hat er da gemacht? Ehe ich mich noch weitere in die Verwirrung Lieos kryptischer Sätze stürzen kann, werde ich schlagartig wieder in die Realität zurückgeworfen. Ein etwas raue Hand legt sich um mein Kinn und hebt es ein wenig an, gerade so, dass ich ihm in seine grünen Augen schauen kann, die mein Gesicht aufmerksam mustern. Aus der Nähe kann ich die dunklen Flecken erkennen, die dem Grün seiner Augen noch mehr Tiefe verleihen.
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may i love him
Teen FictionIn Julies Augen sind alle Jungs gleich, und zwar gleich schrecklich. Doch als sie die Schule wechselt und am ersten Schultag dem norwegischen Austauschschüler Finley über den Weg läuft, ändert sich einiges. Sie beginnt ihre Abneigung gegenüber Jungs...