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Davor, zuvor, Vergangenheit

„Julie, ich frage mich echt, wie man mit 17 Jahren schon eine alte Frau sein kann?", fragt Frieda. Ihr Stimme schallt blechern aus meinem Handy.

„Wieso sollen Museen nur etwas für alte Leute sein?"

„Du hast recht-..."

„Wusste ich's doch!", unterbreche ich Frieda und gehe auf den Eingang des kunsthistorischen Museums zu.

Das große Sandsteingebäude stammt noch aus der Vorkriegszeit und beeindruckt nicht nur mit einem stattlich verzierten Eingangsportal, sondern auch einer gut gepflegten Grünanlage, die sich wie eine natürliche Abgrenzung um das Museum schlingt.

„Nein, lass mich ausreden. Du hast recht, dass nicht nur alte Leute Museen besuchen, ich habe die armen Schüler vergessen, die von ihren Lehrern zu Kunstexkursionen gezwungen werden. Die trifft man auch im Museum."

Vielleicht sollte ich einfach akzeptieren, dass Frieda in diesem Leben nicht mehr davon überzeugt werden kann in eine Kunstaustellung zu gehen. Dabei verpasst sie meiner Meinung nach einiges.

„Na gut, dann weiß ich jetzt, dass du nicht mit mir ins Museum gehen wirst..."

„Was? So schnell lenkst du ein? Das gibt's doch nicht. Julie, wo hast du deine Dickköpfigkeit gelassen?", fragt Frieda empört und ich kann ihr Grinsen beinahe durchs Telefon hören.

„Das, liebe Frieda, werde ich dir am Freitag erzählen, wenn wir zusammen im Theater sitzen."

Bevor sie auf das Gesagte reagieren kann, lege ich auf und halte mein Handy noch einen Augenblick in meiner rechten Hand. Irgendwie muss ich meiner besten Freundin doch etwas Kultur vermitteln, aber jetzt geht es erstmal um meine eigene kulturelle Weiterentwicklung und die Ausstellung des Künstlers, für die ein Plakat neben dem Eingang wirbt.

Drinnen empfangen mich Räume mit hohen Decken und ein Geruch, der in jedem Museum zu hängen scheint. Es riecht immer ein bisschen nach Farbe und auf eine gewisse Weise sauber, aber nicht so unangenehm, wie in einem Krankenhaus.

Zwar weiß ich nicht, wie man beschreiben soll, dass etwas sauber riecht, aber das tut es in Museen nun mal. Hinzukommt noch das helle Licht, dessen Quelle in dieser Kunsthalle nicht auszumachen ist. Ich sollte aufhören zu schwärmen, aber es hat seine Gründe, dass dieses Gebäude mein zweites Zuhause ist. Diese ruhige und intellektuelle Atmosphäre beruhigt meine Gedanken jedes Mal aufs Neue.

Für einen kurzen Moment überlege ich noch meinen kleinen Stoffrucksack in ein Schließfach zu sperren, aber entscheide mich dann dagegen und verstaue mein Fleece im Rucksack. Mein Rucksack und ich werden schon kein Gemälde von der Wand reißen.

Schon als ich den Saal betrete reißt das große Gemälde in der Mitte des Saals meine Aufmerksamkeit an sich. Es ist ein impressionistisches Abbild einer Parkanlage und im Hintergrund kann man die Umrisse einer Stadt erkennen. Ich bin beeindruckt von den vielen Pinselstrichen, die das Bild ausmachen. Monet. Ein kleines Schildchen neben dem Kunstwerk verrät mir, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege und dass das Gemälde auch einen Namen hat. Tuilerien-Gärten, Paris. Ich bleibe noch ein paar Minuten vor dem Kunstwerk stehen und bewundere die schemenhaften Spaziergänger im Park. Auch das Spiel der Schatten und des Sonnenlichts sind so präzise, wie man es eigentlich nur aus der Natur kennt.

„Es hat was, auch wenn ich zugeben muss, dass es Bilder von ihm gibt, die mehr aussagen."

Verwirrt von dem abrupten Ende der allgemeinherrschenden Stille und der Präsenz, die ich hinter mir ausmache, drehe ich mich um.

„Finley? Was machst du denn hier?", frage ich verwundert und auf Finleys Lippen bildet sich ein Lächeln. Sein Lächeln.

„Ich glaube, Menschen gehen ins Museum, weil sie sich für Kunst interessieren oder weil sie klug wirken wollen. Zu welche der beiden Kategorien gehörst du?"

may i love himWo Geschichten leben. Entdecke jetzt