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Davor, zuvor, Vergangenheit

Das Licht der Straßenlaternen lässt die kleinen Gespenster, Monster und Hexen, die über die Gehwege huschen noch gruseliger erscheinen. Das ein oder andere Exemplar stolpert auch uns vor die Füße bevor es weiterzieht, um bei einem Haus nach Süßem oder Sauren zu betteln.

„Haltet mich auf, wenn ich in Versuchung geraten sollte eines dieser kleinen Ungeheuer zu entführen", sagt Frieda grinsend. „Die sind einfach viel zu süß."

Sie hat Finley und mich dazu überredet mit auf die Halloween-Party unseres Jahrgangs zu kommen und auch Evan sieht nicht wirklich so aus als würde er freiwillig zu dieser Party gehen. Friedas Überredungskünste möchte man haben.

Evan legt einen Arm um Friedas Schulter und zieht sie an sich.

„Keine Sorge, Frieda, nach mindesten einem Tag wirst du von diesem kleinen Vieh so genervt sein, dass du es freiwillig abgibst."

Darauf verdreht Frieda nur die Augen und streckt Evan die Zunge raus, der ihr einen Kuss auf den Scheitel drückt.

Ich beobachte die beiden mit zusammen gezogenen Augenbrauen. Ihr Anblick ist zwar süß und sie scheinen sich wieder ganz gut zu verstehen, aber ich traue dem nicht. Nicht nachdem, was Evan auf der letzten Party gesagt hat.

„Was verärgert dich, Marilyn?", flüstert Finley an meinem Ohr. Ein angenehmer Schauer durchfährt mich und zaubert mir ein seichtes Lächeln auf die Lippen. Frieda hat sich große Mühe gegeben, meine blonden Haare in Marilyn Monroes Haarpracht zu verwandeln und sie hat auch noch ein weißes Kleid auftreiben können, dass das Kostüm perfekt abrundet. Ich glaube, ich möchte nicht nur ihre Überredungskünste.

Evan umarmt Frieda von hinten und tut so als würde er ihr in den blassen Hals beißen. Vielleicht nimmt er seine Zombie-Bemalungen doch etwas zu ernst.

„Keine Ahnung."

Ich drehe mich zu Finley, der einen Arm um meine Schulter gelegt hat. Frieda hat auch an Finley ihre Schmink-Künste ausgelassen. Seine Haut ist ein paar Töne heller und sein ganzes Gesicht wirkt irgendwie ausgemergelt. Dazu kommen die spitzen Eckzähne — wer weiß, wo Frieda die aufgetrieben hat — und das dunkle Augen-Make-Up, dass das Blitzen seiner grünen Augen in diesem Moment noch mehr betont.

„Erzähl. Was ist es, das dich so stört?", fragt er und imitiert dabei den verlockenden Tonfall eines Vampirs. Bei jedem anderen hätte es lächerlich geklungen.

„Evan und Frieda", gebe ich zu.

Finley hebt eine Augenbraue, doch dann macht sich so etwas wie Erkenntnis auf seinem Gesicht breit.

„Ich versteh. Du machst dir immer noch Gedanken darüber, dass er sie als wertlos bezeichnet hat."

„Du etwa nicht? Findest du das okay?"

Ich balle die Hände zu Fäusten. Seine Reaktion ärgert mich.

„Nein. Natürlich nicht. Aber sieh's mal so. Es ist doch Friedas eigene Entscheidung mit Evan zusammen zu sein. Sie weiß, was er gesagt hat und hat ihm verziehen."

Er hat recht. Natürlich hat er recht. Wer bin ich, meiner besten Freundin vorzuschreiben, mit wem sie zusammen ist und mit wem nicht. Selbst wenn er ihr nicht gut. Ich blicke auf den Asphalt und möchte Finley gerade erklären, dass ich ganz seiner Meinung bin. Aber wir sind anscheinend beim richtigen Haus angekommen.

„Na los! Finley, Julie ihr könnt euch auch noch später eure Liebesgeständnisse machen", ruft Frieda und lotst uns durch den gepflegten Vorgarten zur Haustür.

Das Einfamilienhaus wirkt mit seinen süßen Balkons und dem stilvollen Anstrich entschieden zu schön, um hier eine Party zu feiern. Aber die laute Musik, die durch die angelehnte Haustür dringt, lässt die unschuldige Wirkung in Rauch aufgehen. Na dann, lasst die Party beginnen.

may i love himWo Geschichten leben. Entdecke jetzt