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Davor, zuvor, Vergangenheit

Gegen Nachmittag mache ich uns erneut etwas zu essen. Ravioli mit Tomatensoße. Wir haben weder von der Schule noch von meiner Mutter oder den Eltern von Frieda gehört. Vielleicht haben sie noch nicht bemerkt, dass wir weg sind, was ich mir schwer vorstellen kann oder der Showdown ist heute Abend, wenn meine Mutter nach Hause kommt. Frieda meint, dass es ihr Eltern wahrscheinlich einfach nicht stört oder interessiert. Dennoch verschwindet sie nach dem Essen, um nach Hause zu gehen und ihre These zu überprüfen. Aber nicht ohne mir das Versprechen zu geben, sofort anzurufen, falls es ihr wieder schlechter geht oder Evan sich, entgegen der Erwartungen, doch noch bei ihr meldet und etwas Licht ins Dunkel bringt.

Mit dem Klicken des Schlosses und einem lauten Rums, kündigt sich die Ankunft meiner Mutter an.

„Juliet!", ruft sie auch schon, nachdem sie ihre Tasche abgestellt und die Jacke wie auch die Schuhe ausgezogen hat.

Möge der Showdown beginnen, denn meine Mutter benutzt nur meinen vollständigen Namen, wenn ich ihrer Meinung nach etwas wirklich Schlimmes angestellt habe. Also stelle ich mich lieber dem, was kommt, anstatt davor wegzulaufen.

„Ja, Mama. Ich bin in der Küche."

Wie jeder andere Streit wird auch dieser im Esszimmer stattfinden. Obwohl es dieses Mal, so wie ich meine Mutter kenne, eher einer Maßregelung gleichkommen wird.

„Ich habe heute einen äußerst beunruhigenden Anruf aus der Schule bekommen."

Sie bleibt für einen kurzen Moment im Türrahmen stehen und ich sehe die Anstrengung, die ihr Gesicht bleicht und die ersten Falten durch ihre Haut zieht. Man könnte sagen, dass sie mir leidtut, aber sie hat sich selbst ausgesucht mehr zu arbeiten. Oberärztin zu werden. Es war ihre Entscheidung. Ebenso war es ihre Entscheidung mein heutiges Fehlen in der Schule als äußerst beunruhigend zu bezeichnen, was ich etwas überspitzt ausgedrückt finde.

„Mir ging es heute einfach nicht so gut."

Eine Lüge. Aber keine allzu große. Mir ging es den Umständen entsprechend und Frieda ging es miserabel. Sonst belüge ich meine Mutter nicht. Ich verschweige ihr Dinge, aber ich belüge sie nicht. Doch um jetzt die ganze Wahrheit zu umgehen, muss ich sie anlügen.

„Und du hättest dich nicht einfach entschuldigen können? Weißt du wie mich das dastehen lässt?"

Das Licht der Esszimmerlampe versucht gegen die Dunkelheit außerhalb der Wohnung anzukommen und wirft Schatten in das Gesicht meiner Mutter. Sie ist nicht nur blass, sondern wirkt auch auf eine Besorgnis erregende Art und Weise ausgemergelt, so als hätte sie zwar gegessen, aber seit Tagen viel zu wenig. Ich habe Mitleid mit ihr.

„Natürlich, Mama. Ich werde mich das nächste Mal beim Sekretariat abmelden."

Ein kluger Mensch hat einst gesagt – willst du recht haben oder glücklich sein? Ich bin lieber glücklich und lass den rechthaberischen Teil in mir schweigen.

may i love himWo Geschichten leben. Entdecke jetzt