16.

12 2 0
                                    

Davor, zuvor, Vergangenheit

Gelangweilt schwenke ich den Inhalt des Plastikbechers hin und her. Irgendein Typ hat mir diese Plörre, gepimpt mit Alkohol, in die Hand gedrückt. Was er nicht wissen konnte, ich trinke kein Alkohol und habe auch nicht vor heute damit anzufangen. Gelangweilt seufze ich und stelle den Becher vor mir auf die Bar. Wer hat denn bitte in seiner Küche eine Bar?

„Das ist schon das dritte Mädchen, mit dem er heute Abend rummacht."

Auch um mir diese Information zu geben, löst Frieda ihren Blick nicht von Evan. Den ganzen Abend geht das schon so. Alle paar Minuten bekomme ich Updates darüber, was Evan gerade wieder macht. Nach meinem ersten Schultag hatte ich angenommen, dass die Beiden sich nicht ausstehen können oder sogar bis auf den Tod hassen, aber die letzten drei Wochen haben mich etwas anderes gelehrt. Die Blicke, die sie sich zu werfen, wirken nicht feindselig, aber von Liebe fehlt auch jede Spur. Dafür ist die Leidenschaft einfach unübersehbar. Die ganze Zeit rätsle ich, was zwischen ihnen läuft. Natürlich hätte ich Frieda fragen können, aber jedes Mal, wenn ich kurz davor war sie darauf anzusprechen, wurden wir unterbrochen oder ich habe einen Rückzieher gemacht.

Mit einem Stoß in meine Rippen erinnert Frieda mich an ihre Existenz. Als könnte ich die jemals vergessen. Nachdem wir uns an meinem ersten Schultag kennengelernt haben, ist uns ziemlich schnell aufgefallen, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben und einfach super miteinander auskommen. Außer natürlich diese Sache mit der kulturellen Bildung.

„Frieda, wenn es dich stört, geh einfach zu ihm und sag ihm das."

Sie gibt einen leicht verächtlichen Ton von sich und setzt die Bierflasche an ihre Lippen.

„Ich bin doch nicht seine Freundin oder so was", gibt sie barsch von sich, nachdem sie die Bierflasche wieder abgesetzt hat.

Darauf folgt erneut ein abfälliges Schnauben und ihr Blick scheint das Mädchen, das es sich kichernd auf Evans Schoß bequem gemacht hat, beinahe umzubringen.

Darüber kann ich nur schmunzelnd den Kopf schütteln. Evan hat sich an diesem Abend noch keinen Millimeter bewegt. Er sitzt einfach lässig auf diesem weißen Designer Sofa, lässt sich von seinen Freunden mit Alkohol versorgen und den Rest erledigen die Mädchen. Sie zerzausen seine schwarzen Haare, küssen ihn leidenschaftlich und verschwinden irgendwann mit lüsternen Blicken, die er mit seinen dunklen blauen Augen erwidert, aber er geht ihnen nie nach. Genug von Evan. Vielleicht ist jetzt ja ein guter Zeitpunkt, um Frieda auszufragen. Dieses Mal kommt der Stoß in die Rippen von mir und Frieda löst sich heute Abend wahrscheinlich zum ersten Mal von dem, was zwischen Evan und dem anderen Mädchen passiert.

„Was ist das mit dir und Evan eigentlich?", falle ich mit der Tür ins Haus und kümmere mich nicht groß drum, dass ich sie so direkt darauf anspreche.

Frieda behauptet immer, dass es sie eher verunsichert, wenn man wie eine Katze um den heißen Brei herumschleicht, anstatt gerade heraus zu sagen, was man sagen möchte. Also setzt sie eine nachdenkliche Miene auf und legt ihren Kopf leicht schräg.

„Ich weiß nicht... wir können uns eigentlich ganz gut leiden... aber wie schon gesagt, bin ich nicht seine Freundin, dennoch hatten wir schon ein paar Mal so etwas wie eine Beziehung. Das hat dann meistens nicht so lange gehalten und wenn wir uns getroffen haben, haben wir eigentlich nur miteinander geschlafen."

Sie wirkt sehr nüchtern, wie sie das erzählt, aber ihr Blick verrät mir, dass sie trotzdem nicht vollkommen anwesend ist. Sie starrt Evan an, scheint aber eher durch ihn durch zu schauen und ich frage mich, ob sie sich wünscht eine richtige Beziehung mit ihm zu haben. Gott, wieso muss dieses wundervolle Mädchen nur ihr Herz dem fiesesten, arrogantesten und herzlosesten Jungen an unserer Schule schenken? In dem Moment fällt mir wieder ein, was bei meiner ersten Begegnung mit Evan passiert ist.

may i love himWo Geschichten leben. Entdecke jetzt