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Davor, zuvor, Vergangenheit

Einen Augenblick später und drei Flure entfernt von Evan finden wir eine Bank, auf der sich die Reste der einst so coolen Frieda niederlassen. Auch ich geselle mich zu ihr und versuche sie so gut ich kann zu tröste. Zwar bin ich mir sicher, dass es eine andere Person gibt, die das viel besser könnte, aber da diese der Grund für die Zerstörung meiner besten Freundin ist, denke ich, dass es keine gute Idee wäre, diese hierher zu holen. Also muss ich genügen.

Da mir die Worte fehlen, um Frieda wiederaufzubauen, nehme ich sie vorsichtig in die Arme und sage gar nichts. Manchmal muss man nicht aufgebaut werden. Manchmal darf man einfach am Boden zerstört sein und nur die Dunkelheit am Ende des Tunnels sehen.

Und Frieda lässt los. Sie sinkt an meine Brust. Ihr Kopf liegt unter meinem. Ihr Körper bebt unter den leisen Schluchzern und ich werde zu dem Felsen in der Brandung, an dem sie zuvor noch zerschellt ist. Ihr Schmerz ist so real, beinahe greifbar und doch unsichtbar. Jede einzelne Person, die an uns vorbeiläuft, schaut Frieda und mich mitleidig an, als würden sie ganz genau wissen, was los ist. Doch sie wissen gar nichts. Sie haben nicht Friedas Wandel mitbekommen. Frieda, die vor noch nicht einmal mehr zehn Minuten vor Freude beinahe geplatzt ist. Frieda, die auf so eine komische Art und Weise beschrieben hat, wie der Junge, den sie liebt, mit einem anderen Mädchen rumgeknutscht hat.

Ich habe nur noch Friedas blumigen Geruch in der Nase als sie sich einen Moment später wieder von mir löst und mich aus geröteten Augen ansieht.

„Danke", haucht sie so leise, das selbst ich, die genau vor ihr sitzt, Schwierigkeiten habe sie zu verstehen.

Auch der stärkste Mensch mit den ausgeklügeltesten Fassaden hat diese eine Person in seinem Leben, die alles innerhalb eines Wimpernschlages einreißen kann. In Friedas Fall scheint es Evan zu sein. In meinem, jeder und niemand zu gleich. Wir beide sind zerstört. Die eine mehr, die andere weniger. Ich auf die eine und sie auf die andere Weise. Aber auf eine unbegreifliche Art scheinen wir uns in unserem Schmerz gegenseitig vor dem Sturz in das tiefe schwarze Loch zu bewahren.

„Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten, Frieda. Entweder wir bauen dich jetzt notdürftig wieder zusammen und quälen dich durch den Schultag oder wir schwänzen mindestens die erste und die zweite Stunde und fahren zu mir, um uns einen schönen Tag zu machen."

Natürlich ist mein Vorschlag so objektiv wie möglich gemacht und meine eigene Präferenz könnte man nie im Leben heraushören.

Frieda lacht schniefend und wischt sich mit dem Ärmel ihres grünen Pullovers die Tränen von den Wangen. Mit dieser Aktion trocknet sie zwar ihre Tränen, verteilt aber auch ihre Mascara großzügig über ihr Gesicht. Vielleicht sollten wir dieses Problem erstmal beseitigen, bevor wir weiter zu Phase 2 übergehen.

Mit einer frisch geschminkten und schon etwas muntereren Frieda im Schlepptau stoße ich die Tür zu unserer Wohnung schwungvoll auf und falle wie eigentlich jedes Mal beinahe in den Flur. Wenn niemand sich um die Reparation dieser Tür kümmert, müssen wir wohl weiterhin bei dem Versuch die Wohnung zu betreten, riskieren unseren Hals zu brechen.

Die Schuhe, wie auch die Jacken stellen und hängen wir ordentlich an ihre Plätze. Wir wollen ja keine Spur der Zerstörung hinterlassen.

In der Küche schwingt sich Frieda auf die Anrichte und wackelt, wie ein Kleinkind, etwas mit den Beinen. Anscheinend hilft auch schon der Ortswechsel Friedas Laune etwas anzuheben.

„Also Julie... was machen wir jetzt?"

Das ist eine sehr gute Frage und ich muss ehrlich zu geben, dass ich mir noch keine Gedanken darüber gemacht habe. Meinen Frieda-Aufmunterung-Plan habe ich nicht ganz bis zu Ende hin durchdacht. Um ehrlich zu sein. Ich habe mir nicht viel mehr überlegt als sie hier zu mir in die Wohnung zu holen.

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