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Davor, zuvor, Vergangenheit

Schweigend sind wir durch den Rest der Galerie gezogen. Haben hier und da einen oberflächlichen Kommentar zu einem Gemälde geäußert oder aber auch den ein oder anderen Witz gerissen. Doch die Stimmung hob sich nur langsam und erst im letzten Saal brach dann das Eis.

Ich war vor einem der vielen Seerosenteichbilder Monets stehen geblieben und Finley, der sich hinter mir befand, erzählte mir von Monet und seinem Garten. Der Künstler fand so großes Gefallen an seinem eigenen Garten, dass er am liebsten nur diesen malte. Aus verschiedenen Perspektiven, verschiedene Ausschnitte und am liebsten seine Seerosen.

Irgendwie berührte mich Finleys Erzählung. Seine ruhige melodische Stimme mit dem norwegischen Singsang und die Art wie er die Geschichte wiedergab. All das ließ das Eis brechen.

Doch jetzt stehen wir am Ausgang und schauen durch die gläserne Tür nach draußen. Es regnet und zwar in Strömen. Mein Fleece befindet sich immer noch in meinem Rucksack, aber ich glaube kaum, dass es mich davor bewahren wird, nass zu werden.

Ich seufze resigniert und schaue Finley von der Seite an. Er hat seine Augenbrauen zusammengezogen und wirkt nachdenklich. Die helle Beleuchtung bricht sich in seinem blonden Haar, wirft Schatten auf sein Gesicht. Es wirkt als wolle die Welt ein Kunstwerk aus diesem Moment machen wollen. Das leuchten seiner Haare steht im Kontrast zu den Schatten und der Dunkelheit, die draußen auf uns wartet.

„Lass mich raten, du hast weder einen Regenschirm noch eine Regenjacke dabei?"

Finley Züge entspannen sich nur um sich im nächsten Moment zu einem verschmitzten Gesichtsausdruck zu verziehen und er schaut mich an, mustert mich.

„Ja, so könnte man das sagen."

Auch auf meine Lippen legt sich ein sanftes Lächeln und ich zucke mit den Schultern. Irgendwie werde ich schon nach Hause kommen. Ob trocken oder nass, ist mir egal.

Also lege ich meine Hand gegen den Rahmen der Glastür. Wassertropfen rennen an der Außenseite herab und die Kühle des Metalls überträgt sich auf meine Hand. Da raus möchte ich? Vielleicht ist es doch eine bessere Idee wenigstens das Fleece überzuziehen. Dann werde ich zwar trotzdem nass, aber die Feuchtigkeit muss durch mehrere Schichten dringen. Macht das überhaupt Sinn?

„Ich habe in keinster Weise vor deine Emanzipation zu untergraben, aber darf ich dich nach Hause fahren, Julie?"

Als er meinen Namen ausspricht, bekomme ich eine Gänsehaut. Oh man, es ist nur ein Name... Aber die Tatsache, dass er ihn ausspricht und der Umstand, dass er den Abstand, der zwischen uns entstanden ist, wieder zunichte gemacht hat, löst ein Kribbeln in mir aus.

„Ich wüsste nicht, wieso ich auf deinem Fahrrad nicht nass werden sollte, oder hast du so ein Super-Fahrrad?", frage ich und drehe mich zu ihm. Meine Stimme klingt gelassener als ich mich gerade fühle und auch meine vor der Brust versschränkten Arme, sollen Herausforderung wie auch Kontenance ausdrücken.

„Na klar. Mein Super-Fahrrad nennt sich Auto. Ist eine ganz neue Erfindung, die es erst seit 1886 gibt. Obwohl-..."

„Du fährst Auto? Darfst du das überhaupt?"

Mit diesen Fragen unterbreche ich ihn unhöflich, aber da ich manchmal schneller rede als denke, passiert mir das nicht zum ersten Mal. Was die Peinlichkeit natürlich nicht mindert.

„Ehm... ja? Wieso sollte ich nicht Auto fahren dürfen?", erkundigt sich Finley ruhig und seine Augenbrauen ziehen sich verwundert zusammen.

Unter Finley freundlichen Blick und dem sachten Lächeln, das immer noch auf seinen Lippen liegt, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Er ist bestimmt schon 18 und somit waren meine Fragen nicht nur unhöflich, sondern auch kränkend. Wer möchte in unserem Alter schon für jünger eingeschätzt werden...

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