5 - Schiefes Lächeln

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~I.

"Was darf es für sie sein?", frage ich den älteren Mann höflich.

"Einen Whiskey pur!", sagt er und dreht sich wieder zur Tanzfläche. Er leckt sich über die Lippen und mustert einige Frauen. Ich kenne dieses Verhalten. Männer halten Ausschau nach ihrer nächsten weiblichen Beute. Ich könnte mich bei diesem Gedanken übergeben.

"Hier, bitteschön."

Ich schiebe das Glas zum Mann und er dreht sich zu mir um. In seinen Augen flackert etwas und sein Blick wandert zu meinen Ausschnitt. Ich hasse diese Arbeitskleidung, aber um mehr Trinkgeld zu bekommen, müssen wir sie anziehen. Ich schnappe mir das Geld und lege es in die Kasse.

"Wie lange arbeitest du heute?", fragt er plötzlich.

Ich ignoriere ihn einfach und höre ihn schnauben. Dann geht er weg und lässt mich wieder in Ruhe. Dies mache ich immer so. Wenn ich angesprochen werde, ignoriere ich den Typen anschließend. Sie lassen mich dann in Ruhe und suchen sich eine willigere Dame.

Ich blicke auf die Uhr.

21:46 Uhr.

In 14 Minuten habe ich Feierabend. Normalerweise fange ich erst um 22 Uhr an. Jedoch habe ich meinen Chef gefragt, ob ich heute eventuell früher anfangen darf. Ich fahre nämlich morgen früh wieder zurück. Evan ist in zwar noch am Leben. Aber durch die Fotos, die ich von Damon erhalten habe, womöglich nicht mehr lange. Also beende ich meine Schicht früher. Der frühstmögliche Flug geht um 09:25 Uhr und ich habe schreckliche Angst davor. Aber es geht schneller und ich habe keine Zeit tagelang mit dem Bus zu fahren. Deshalb muss ich diesen sieben-Stunden-Flug irgendwie aushalten.

"Irina, könntest du zu dem Tisch dort hinten gehen?", fragt mich ein Arbeitskollege. Sein Name ist Dan und er ist ziemlich freundlich. Zu freundlich, wenn ihr mich fragt.

Ich blicke zum Tisch und nicke Dan anschließend zu. Mit schnellen Schritten bleibe ich vor dem kleinen Tisch stehen und frage: "Was darf es sein?"

Der Tisch besteht aus vier Mädchen, die etwa in meinen Alter sind.

"Ich hätte bitte einen Gin-Tonic."

"Für mich auch!", sagt die Blondine.

"Ich möchte eine Pina-Colada."

Bevor das vierte Mädchen ihren Mund öffnet, spüre ich ein eigenartiges Gefühl. Ich bekomme direkt Gänsehaut am ganzen Körper. Die Luft fühlt sich elektrisierend an und mir wird schwindelig. Ich halte mich am Tisch fest um nicht umzukippen.

"Heilige...wer sind die da?", höre ich eines der Mädchen flüstern.

Mein Blick fällt zur Tür und ich muss schlucken. Vier Wesen betreten gerade den Club. Man bemerkt direkt, dass dies keine normale Menschen sind. Werwölfe auch nicht. Vielleicht Vampire? Ich habe noch nie einen Vampir getroffen, weshalb ich schwer sagen kann, ob diese Aura von ihnen sein kann.

Obwohl alle vier ziemlich attraktiv sind, interessiert mich nur einer von ihnen. Mein Herz fühlt sich schwer an, meine Beine zittern.

Seine dunkelbraunen Haaren sind perfekt gestylt und bilden einen Kontrast zu seiner hellen Haut. Diese scheint makelos zu sein. Seine Wangenknochen könnten ein Papier zerschneiden, so perfekt wie sie aussehen. Unter seinem schwarzen Hemd erkennt man, dass er gut gebaut ist. Er scheint ziemlich gut gelaunt zu sein, weil auf seinen Lippen ein schiefes Lächeln zu sehen ist. Gott, bei diesem Anblick kann ich nur schmelzen.

Man kann es nicht leugnen, dass er ziemlich gut aussieht. Aber wieso hat es nur so eine Auswirkung auf mich? Ich kann mich kaum noch beherrschen.

Er steuert mit seinen Freunden auf die Bar zu und redet mit Dan. Wahrscheinlich bestellen sie etwas. Immerhin ist das hier auch eine Bar.

Aber als Dan sich umsieht und auf mich zeigt, brennen alle Sicherungen bei mir durch. Als der gutaussehende Mann seinen Kopf dreht, drehe ich mich selbst wieder um. Oh gott, Damon hat ihn bestimmt beauftragt mich zu finden.

"Mädels, er kommt auf uns zu!", höre ich plötzlich die Stimme des Mädchens.

Was? Er steuert auf uns zu?

Ohne mich unzudrehen gehe ich mit schnellen Schritten Richtung Badezimmer. Dort schließe ich mich ein und versuche mein pochendes Herz zu beruhigen. Bestimmt bilde ich mir alles ein. Warum soll er nach mir suchen? Vielleicht hat Dan auf jemand anderen gezeigt? Das muss es sein. Ich kann mir nicht vorstellen, weshalb dieser Adonis sich für mich interessiert. Nun, eine Sache gibt es. Damon hat ihn geschickt.

...

~K.

Lächelnd betrete ich die Bar und schnuppere an der Luft. Mist, der Geruch ist nicht hier. Wahrscheinlich hat sie noch gar nicht angefangen zu arbeiten. Mit jeder Sekunde die vergeht, werde ich nervöser. Immerhin begegne ich gleich der Frau meines Lebens.

Ich steuere auf die Bar zu und sehe mich kurz um. Ich winke dem Typen zu, der gerade einige Getränke mixt.

"Was darf es sein?", fragt er meine Freunde und mich.

"Arbeitet hier eine Irina?", frage ich direkt.

"Ouh, ja. Sie ist hier."

Meine Muskeln spannen sich an. Sie ist hier? Wieso spüre ich ihre Anwesenheit dann nicht? Was wenn sie wirklich nicht meine Erasthai ist und ich mir diesen unvergesslichen Duft nur eingebildet habe, weil ich mittlerweile mehr als verzweifelt bin.

"Wo kann ich sie finden?", frage ich flehend.

Er sieht sich um und zeigt schließlich mit seiner Hand hinter mich: "Bei der Ecke dort links, die Brünette im kurzen Outfit."

Mein Blick schießt zur Seite und ich sehe gerade, wie sich das besagte Mädchen umdreht. Ein Gefühl überkommt mich, jedoch kann ich es nicht deuten. Sie hat lange braune Haare und ein viel zu knappes Outfit an. Ich muss sie sehen, also steuere ich auf sie zu. Plötzlich rennt sie jedoch weg, als ob sie wüsste, dass ich hinter ihr her bin.

Wütend knurre ich und folge ihr. Wieso verdammt rennt sie weg? Als ich um die Ecke abbiege, sehe ich gerade noch, wie sie hinter einer Tür verschwindet. Ich stelle mich vor die Tür und lausche. Ihr schnell pochendes Herz ist nicht zu überhören und ich drücke die Türklinke nach unten.

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Bald begegnen sie sich.. wuhuuuu

Lykaner (Kaiden & Irina)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt