Lykaner (Kaiden & Irina)

59 - Fluch

~I.

"Ich habe Angst."

Kaiden drückt meine Hand fester und küsst meinen Handrücken.

"Ich weiß. Aber ich bin bei dir. Dir kann nichts geschehen. Ich verspreche es. Sie ist in einer Zelle, die selbst von einigen Hexern verzaubert wurde."

"Was wenn sie dir etwas antut?", frage ich ängstlich.

"Mir wird nichts geschehen, Süße."

Ich nicke und widme mich wieder dem riesigen Tor zu.

"Bereit?"

"Ja."

~K.

Ich drücke Irina's Hand fester und schenke ihr ein Lächeln, als wir das große Gebäude überwachen. John erblickt uns und läuft auf uns zu. Er verbeugt sich vor uns beiden und begrüßt uns anschließend.

"Mein König, meine Königin."

Irina schnappt nach Atem. Der Gedanke, Königin zu sein irritiert sie immer noch. Was natürlich verständlich ist.

"Bringt uns direkt zu ihr. Ich will meine Erasthai nicht länger als nötig hier lassen."

"Jawohl."

Ich bin hier noch nie gewesen. Als Prinz ist es auch nie meine Aufgabe gewesen. Die Verräterin damals habe ich auch nie getroffen. Ich habe lediglich Geschichten von ihr gehört. Sie lebt schon seit vielen Jahrhunderten auf dieser Welt. Länger als ich. Sie hat damals einen verbotenen Zauber ausgesprochen. Unsterblickeit. Dann war sie für eine ganze Weile auf der Flucht gewesen, bis wir sie vor einigen Jahren wieder gefangen genommen haben.

"Ihr müsst diese Tür betreten. Sie ist da drin."

Ich nicke dem Wärter zu und sage: "Wir wollen allein sein."

Er verbeugt sich zum Abschied und auch die vielen anderen Lykaner und Wölfe, die Wache halten, verschwinden von ihrem Platz.

Ich küsse Irina's Stirn und sage: "Habe keine Angst. Ich bin bei dir."

Sie nickt mir lächelnd zu und zusammen betreten wir die Zelle. Die alte Frau ist an beiden Händen und Füßen gefesselt. Sie sieht aus, als wäre sie kurz vor dem Tod. Aber der Schein trügt. Das weiß ich am besten.

"Der König selbst besucht mich. Wie schön, dass du deinen Vater endlich losgeworden bist."

Mein ganzer Körper spannt sich an. Sie wusste schon immer, was auf dieser Welt vor sich geht. Man meinte, sie kann die Zukunft, die Vergangenheit und die Gegenwart sehen.

"Die Königin hast du also auch mitgebracht."

Ich sehe zu Irina, die geschockt die alte Hexe betrachtet. Ich kann ihre Gefühle spüren, aber Angst ist nicht dabei. Eher Verzweiflung und Verwirrung.

"Kleines, ist alles in Ordnung bei dir?"

Sie schweigt und sieht die Frau immer noch stumm an.

Die alte Hexe lächelt Irina an und sagt: "Wie geht es dir Irina? Ich habe dich lange nicht mehr gesehen."

Moment.

Irina kennt die alte Frau? Woher?

"Kleines, kennst du sie?"

Sie wendet ihren Kopf zu mir und antwortet: "Das...das ist meine Großmutter. Sie hat mich all die Jahre großgezogen. Sie hat mir über die Existenz der Lykaner erzählt. Dann meinte sie plötzlich, dass alles ein Unfug wäre. Kurz darauf ist sie verschwunden. Ich dachte, sie wäre tot."

Ihre Stimme klingt zerbrechlich und hätte ich kein überdurchschnittliches Gehör, dann würde ich sie womöglich gar nicht erst hören.

Ich blicke die alte Hexe an, die uns grinsend zusieht.

"Sie ist deine Enkelin!", stelle ich fest.

"Dann musst du uns helfen."

"Es ist zu spät. Der Fluch kann nicht rückgängig gemacht werden."

Knurrend steuere ich auf die verzauberten Gitterstäbe zu.

"Von welchem Fluch sprichst du?", erkundige ich mich wütend.

"Als sie geboren wurde, kannte ich bereits ihr Schicksal. Sie ist deine Erasthai. Die Gefährtin des Prinzen. Aber ich wollte nie, dass sie eine verfluchte Lykanerin wird. Deshalb habe ich sie verflucht. Als du sie markiert hast, hast du ihr Todesurteil unterschrieben."

Ich lasse Irina's Hand los und verwandel mich binnen von Sekunden in einen Lykaner. Dadurch, dass ich meine Erasthai markiert habe, habe ich endlich die volle Kontrolle meines Lykaners erhalten.

Ich fletsche meine Zähne und knurre die Hexe an.

"Du nimmst diesen Fluch zurück!"

"Sonst was? Tötest du mich dann? Das heilt deine Gefährtin auch nicht. Der Fluch sorgt dafür, dass sie sich nicht verwandeln kann. Dadurch, dass sie nun dein Lykanergift in ihrem Blut hat, wird sie von Tag zu Tag schwächer. Es gibt keine Möglichkeit mehr sie zu retten. Du wirst sie bald verlieren. Sie wird sterben, mein König."

__________
Whaaaaat? Wer hätte das gedacht?