Vic wirft ihren Kopf in den Nacken. „Ugh, ist das immer so anstrengend, ein Lied zu schreiben?"
„Wenn man Zeitstress hat, dann ja", antworte ich, ohne von dem Zettel in meinem Schoß hochzuschauen.
Wir alle sitzen im Bandprobenraum verteilt auf dem Boden. Ich bin direkt nach meiner Vorlesung am Morgen hierhergekommen und nacheinander sind dann auch die anderen eingetrudelt. Seitdem sitzen wir an dem Lied für den Wettbewerb.
Es sind ein paar Tage vergangen, seit wir wissen, dass die Band am Wettbewerb teilnehmen wird. Aber langsam müssen wir mit dem Lied fertig werden, damit die vier vorher noch ausreichend Zeit zum Proben haben. Wenigstens haben wir uns schon auf eine Idee geeinigt. Es war Ethans Vorschlag, einfach ein Lied über ihren Wunsch Musik zu machen zu schreiben. Wir waren damit sofort alle einverstanden. Auch, dass die Lyrics auf Englisch sein sollen, steht schnell fest. Thomas hat nach langem Ausprobieren eine Melodie gefunden, die allen zugesagt. Aber an den Lyrics hapert es noch.
Wir haben nur meine Idee, mit etwas in der Art von „Hello everybody, this is Måneskin" anzufangen und somit direkt die Band vorzustellen. Das Lied soll eine Art Vorstellung von der Band werden.
„Oh verdammt, Vic, Thomas, wir müssen los", sagt Ethan mit einem Blick auf die Uhr.
Die drei haben noch ein Seminar, an dem Damiano und ich nicht teilnehmen. Wir werden zurückbleiben und in der Zwischenzeit weiter an dem Liedtext arbeiten.
„Na dann", sagt Thomas und schultert seinen Rucksack, „hoffentlich habt ihr nachher was, wenn wir zurückkommen"
„Hey, ihr müsst auch weiter nachdenken!", ruft Damiano ihnen hinterher, aber da sind die drei schon zur Tür hinaus.
„Pff, die sind bestimmt froh, dass sie ne Pause bekommen", murmle ich. Ich habe eine Gänsehaut vom kalten Wind bekommen, der durch die offene Tür zu uns reingezogen ist. In dem Versuch, mich aufzuwärmen, reibe ich mir über die Arme.
„Ist dir kalt?", fragt Damiano.
Ich nicke kurz.
„Du musst echt aufhören dich anzuziehen, als wäre es noch Hochsommer", sagt er kopfschüttelnd. Dann beginnt er, nach etwas in seinem Rucksack zu suchen.
„In meinem Kopf ist es in Italien nun mal einfach immer warm", antworte ich trotzig, „Aber du hast Recht, ich muss mir echt mal ein paar wärmere Sachen kaufen gehen"
„Ich bin mir sicher, dass wir alle nichts gegen eine kleine Shoppingtour hätten, sobald wir endlich dieses Lied geschrieben haben", sagt Damiano grinsend. Er zieht seinen Pullover aus seinem Rucksack und wirft ihn mir zu. „Hier, zieh den drüber"
Ich fange den Pullover auf. „Oh, Dankeschön"
Ich streife mir den weichen, dunkelgrünen Stoff über und sofort ist mir nicht mehr kalt. Der Pullover riecht nach ihm, stelle ich fest.
Für einige Zeit legt sich Schweigen über den Raum. Damiano und ich sind damit beschäftigt, in unseren Notizen rumzukritzeln. Irgendwann fragt Damiano, ob er mir eine Passage zeigen kann, die er gerade geschrieben hat. Ich setzte mich neben ihm, um mit auf seinen Zettel schauen zu können.
Nachdem ich die Zeilen gelesen habe, überlege ich. Ich spüre, wie Damiano mich abwartend ansieht.
„Was ist?", fragt Damiano ungeduldig.
„Es ist... Ich meine, es klingt gut, aber es ist schon sehr Klischee, oder?", sage ich vorsichtig. Ich weiß noch, wie ich angefangen haben, Lieder zu schreiben und damals habe ich jede Kritik kategorisch abgelehnt. Zum Glück habe ich mich irgendwann davon überzeugt, dass man mir nur helfen wollte. Und zum Glück sind meine Texte seitdem auch besser geworden.
„Mh", sagt Damiano und lässt seinen Zettel sinken. Er überlegt. „Schon, aber ich meine, das ist doch das Ding bei Leuten, die mit ihrer Musik bekannt werden wollen, oder? Ist nicht die Liebe zur Musik so eins der größten Klischees überhaupt?"
„Ja", antworte ich. Ich kaue auf meinem Stift herum, während ich weiter nachdenke. Dann sage ich: „Ich glaube, ich weiß was du meinst. Vielleicht sollten wir genau dieses Klischee benutzten"
„Genau! Wir sind jung und machen Musik - mehr muss unser erster Song ja gar nicht aussagen"
Daraufhin überarbeiten wir gemeinsam Damianos Passage. Damit sind wir sogar richtig zufrieden. Ich zeige ihm auch, was ich bis jetzt geschrieben habe und auch meinen Teil überarbeiten wir gemeinsam. Prüfend trägt Damiano den Text vor.
„Das klingt richtig gut!", sage ich begeistert. Ich halte meine Hand hoch und Damiano schlägt grinsend ein.
„Ja, das haben wir echt gut hinbekommen", sagt er.
Nicht viel später kommen die anderen auch schon wieder zurück. Als sich Vic neben mich setzt wirft sie mir einen fragenden Blick zu, aber ich verstehe nicht, was sie will. Ich komme auch nicht dazu, nachzufragen, denn Damiano erzählt den Dreien aufgeregt von unserem Erfolg.
Ethan, Thomas und Vic lesen den Text mehrmals und geben dann auch ihre Änderungsvorschläge. Gemeinsam machen wir den letzten Schliff und auf einmal haben wir einen fertigen Liedtext.
„Wir sind fertig?", fragt Thomas ungläubig.
„Das ging ja jetzt doch schneller als gedacht", sagt Vic, während sie erneut den Text überfliegt.
„Das haben wir nur Maya zu verdanken, ohne sie wären wir richtig aufgeschmissen gewesen", sagt Damiano und stupst mich lächelnd an.
„Ach komm, ich hab nur geholfen! Ihr wart ja schon auf dem richtigen Weg", sage ich grinsend. Dann stehe ich vom Boden auf und ziehe die anderen mit hoch. „So, und jetzt will ich den Song mal von euch zusammen hören"
Damiano hat zwischendurch immer mal wieder den Text gesungen, aber ich bin gespannt darauf, wie es zusammen mit den Instrumenten klingen wird.
Vic und Thomas legen sich ihre Instrumente um, Ethan setzt sich an sein Schlagzeug und Damiano nimmt das Mikro in die eine und den Zettel mit dem fertigen Liedtext in die andere Hand.
Sie beginnen zu spielen. Es ist alles noch etwas sehr holprig, aber die vier haben trotzdem Spaß dabei. Die gleichen Stellen werden immer wieder wiederholt bis auch wirklich alle damit zufrieden sind. Ich klinke mich nur noch ab und zu ein, um Vorschläge zu machen, aber eher beobachte ich Damiano, Vic, Ethan und Thomas dabei, wie sie sich austauschen und miteinander üben. Sogar nur zu sehen, wie sie einen neuen Song einstudieren, macht Spaß. Die Dynamik zwischen ihnen passt einfach perfekt, fällt mir mal wieder auf.
Irgendwann, als alle erschöpft sind und keine neuen Änderungen angebracht werden, wendet sich Thomas an mich: „Und, was sagt die Expertin?"
Ich ziehe meine Augenbrauen hoch. „Expertin?"
Vic lacht. „Sag uns einfach, was du denkst"
„Und sei ehrlich, wehe wenn wir wegen dir mit einem Lied antreten, dass total daneben klingt", sagt Damiano.
Sofort antworte ich: „Also erstmal, das Lied ist auf keinen Fall total daneben. Ich finde es richtig gut. Es bringt die Message gut rüber und ist einprägsam, was will man mehr?"
Die anderen stimmen mir zu und damit beenden wir die heutige Probe.
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Morirò da Regina
FanfictionMaya macht ein Auslandssemester in Rom, Italien. So weit weg von zuhause will sie sich endlich selbst entdecken. Neues ausprobieren, neue Leute kennenlernen und ganz viel ungewohntes tun gehören da dazu. Als sie auf die Band Måneskin trifft scheint...