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Marinette hatte nur wenige Sekunden, um das Design zu bestaunen, das der Ladybuganzug bei Alya angenommen hatte.
Dann ließ ihre beste Freundin das Jo-Jo durch die Luft zischen und katapultierte sich auf das nächstgelegene Hausdach hinauf.
Obwohl Marinette sie in diesem Moment um so vieles beneidete – ihre Miraculous-Fähigkeiten, ihre Nähe zu Tikki, den Kampf an Cat Noirs Seite – sah sie ihr doch mit einem Lächeln nach.
Alya war ein Naturtalent.
Und Marinette war sich sicher, dass sie auch die anderen Teile des Ladybug-Seins meistern würde.
Sie konnte sich keine bessere Vertretung als ihre beste Freundin vorstellen.

Leider konnte sie den Kampf nicht beobachten und musste sich nun aus dem Staub machen.
Nicht nur wegen der Gefahr, sondern auch wegen der Verabredung mit Cat Noir – von der er vermutlich in genau diesem Moment erfuhr.
Wie seine Reaktion wohl ausfiel?
Marinette entfernte sich eilig vom Schauplatz des Kampfes und peilte die nächstgelegene Metrostation an.
Wenn Alya tatsächlich so fähig als Ladybug war, wie Marinette dachte, würde der Kampf nicht allzu lange dauern.
Und bis zu Cat Noirs und ihrer Wohnung würde sie mindestens zwanzig Minuten unterwegs sein.
Sie wollte ihn auf keinen Fall warten lassen, also verdrängte sie ihre Erschöpfung und beeilte sich.

Erst, als sie im Metrowaggon Platz genommen hatte, erlaubte sie sich, innezuhalten und einen Moment die Augen zu schließen.
Doch schon drei Sekunden später packte sie die Unruhe und sie holte ihr Handy hervor, um in die Nachrichten zu schauen.
Wie immer gab es eine Liveschaltung zum Kampf und natürlich lag der Fokus heute komplett auf der »neuen Ladybug«.
Während Marinette Alya voll innerer Anspannung beim Kämpfen zusah und bei jedem Kontakt zwischen ihr und dem Superschurken am eigenen Leib zusammenzuckte, mutmaßte die Nachrichtensprecherin im Hintergrund, was es mit der neuen Superheldin auf sich hatte.
Aber der Wahrheit – dass die echte Ladybug von Cat Noir schwanger war und sich deswegen nicht verwandeln konnte – kam sie mit ihren Mutmaßungen noch nicht einmal nahe.

Als Marinette an ihrer Zielhaltestelle ausstieg, war der Kampf noch immer nicht vorbei.
Kurz zuvor hatte Alya jedoch die Ladybug-Spezialfähigkeit benutzt, was bedeutete, dass der Kampf in die finale Phase übergegangen war.
Marinette hoffte von ganzem Herzen, dass Alya wusste, wie sie den Glücksbringer anwenden musste.
Ab jetzt lief ihr die Zeit davon.
Wenn sie sich zurückverwandelte, bevor sie den Akuma eingefangen und den Glücksbringer in die Luft geschleudert hatte, würde es böse enden.
Zumal sie mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Essen für Tikki dabei hatte.
Marinette kam kaum gegen die Sorgen an.
Sie war absolut nicht dafür gemacht, tatenlos zuzusehen, während die Menschen, die sie liebte, gegen Superschurken kämpften.
Und das sollte sie nun neun ganze Monate aushalten?

Erst jetzt, vor dem Haus, in dem sich die Wohnung befand, kam der Gedanke an die Schwangerschaft wieder in den Vordergrund von Marinettes Kopf.
Die Sorge um Alya und Cat Noir wurde verdrängt von einem Anflug von Beklemmung, der sich binnen weniger Sekunden zu waschechter Panik entwickelte.
Sie war tatsächlich schwanger!
Von Cat Noir!
Mit einem Kind!

Sie musste sich mit einer Hand an der Hauswand abstützen, um nicht umzukippen.
Das war so ... unwirklich.
Beinahe rechnete sie damit, jeden Moment in ihrem Bett aufzuwachen und sich über diesen seltsamen Traum zu wundern.
Doch der raue Putz der Hauswand unter ihren Fingern war real – genauso wie die verschlossene Tür, auf die nun ihr Blick fiel.

Schon wieder stiegen Marinette die Tränen in die Augen.
Als sie von zu Hause aufgebrochen war, hatte sie geglaubt, trotz des tobenden Gefühlssturms in ihrem Inneren an alles gedacht zu haben.
Sie hatte sich schnell eine alte Jacke übergeworfen und eine Hose angezogen, die sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr getragen hatte. Außerdem hatte sie die dunkelrote Maske eingesteckt, mit der sie im Marcos gewesen war, genauso wie einen Notizblock mit Stift, um mit Cat Noir kommunizieren zu können.
Aber ein Detail war ihr bei ihrem hastigen Planen entgangen: Cat Noir konnte ihr nicht die Tür öffnen – weder die Haus- noch die Wohnungstür -, wenn er nicht wusste, dass sie davorstand.
Und wie sollte er es wissen, wenn sie nicht bei ihm klingeln konnte?
Selbst wenn sie in diesem Moment beschlossen hätte, dass es in Ordnung war, seinen Nachnamen zu kennen, hätte ihr ein Blick auf das Klingelschild kein Stück weitergeholfen.

Miraculous - Unendlich (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt