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An einem Freitagnachmittag Ende Februar saß Marinette neben Alya in der Schulcafeteria und starrte gedankenverloren ins Leere.
In den vergangen zwei Wochen hatten sie und Cat Noir bereits Lösungen für die allermeisten Probleme ihres Zusammenzieh-Plans gefunden, aber einige Hindernisse gab es nach wie vor und Marinette nutzte jede freie Minute und jede freie Hirnkapazität, um darüber nachzudenken.

Der erschöpfte und etwas weniger tatkräftige Teil von ihr wollte das Grübeln am liebsten noch etwas hinausschieben. Immerhin war ihr 18. Geburtstag noch anderthalb Monate entfernt und vorher würde es sowieso nicht zu dem Umzug kommen.
Doch auch heute gönnte sie ihrem Kopf diese Pause nicht.
Infolge des vielen Planens und mit Cat Noir darüber Redens war das Bild ihres zukünftigen Lebens schon so präsent, dass sie es kaum noch erwarten konnte.
Ihre Gedanken würden erst Ruhe geben, wenn sie die restlichen Lösungen gefunden hatte, denn solang die Details nicht geklärt waren, gab es noch immer die Möglichkeit, dass dieses Leben niemals passierte.
Und dieser Zustand war für Marinette kaum zu ertragen.

Neben der Ungeduld und Vorfreude gab es noch ein Gefühl, was sie antrieb: Nervosität.
Einer der großen Punkte, bevor der Umzug stattfinden konnte, war die Offenbarung der Schwangerschaft – sowohl gegenüber ihren Eltern als auch ihren Freunden.
Im Moment war sie froh, es noch ein wenig vor sich herschieben zu können und mit dem Fehlen einer überzeugenden Erklärung die perfekte Ausrede dafür zu haben.
Aber gleichzeitig sehnte sie sich danach, es endlich hinter sich zu haben, und das wiederum trieb sie an, weiter intensiv nach einer Lösung zu suchen.

Obwohl sie nun schon zwei Wochen über die ganze Sache nachgedacht hatte, war sie sich noch immer nicht sicher: Bedeutete das Zusammenziehen in der Summe mehr oder weniger Schwierigkeiten?
Zwischen ihr und Cat Noir würde es vieles einfacher machen, aber dafür erschwerte es das Finden einer Erklärung.

Bevor das Zusammenziehen Thema gewesen war, hatte Marinette sich bereits eine Geschichte zurechtgelegt gehabt.
Keine Geschichte, die sie gern erzählen wollte, aber eine, die einfach und schlicht genug war, um alle möglichen Komplikationen abzudecken.
Ihr Plan war es gewesen, aus Cat Noir ein One-Night-Stand zu machen, von dem sie weder die Telefonnummer noch den Namen kannte.

Sie hatte es schon damals vor der Reaktion gegraut – vor dem Blick, mit dem ihre Eltern sie dann ansehen würden.
Aber zumindest hätte diese Version die Möglichkeit offengelassen, dass Cat Noir irgendwann als Vater auftauchte, wenn sie ihre Identitäten nicht mehr voreinander verbergen mussten.
Nun gab es jedoch die Wohnung.
Und die einzige Erklärung, die ihnen beiden dafür eingefallen war, war die Wahrheit: »Der Vater des Kindes bezahlt sie.«
Marinette war froh über jede einzelne Lüge, die sie umgehen konnte.
Allerdings stand dadurch wieder die große Frage im Raum, wo und vor allem wer der Vater ihres Kindes war.
War es überhaupt möglich, darauf eine zufriedenstellende Antwort zu geben?
Marinette war mittlerweile erfahren im Lügen, aber in diesem Fall überforderte sie das Entwerfen einer passenden Lügengeschichte.

Obwohl sie diese Ideen längst verworfen hatte, dachte sie zum wiederholten Mal über mögliche Rollen für Cat Noir nach.
Ein Prominenter, der geheimbleiben wollte.
Ein Mann, der sich dem Militär verschrieben hatte.
Ein Sohn aus reichem Haus, dessen Familie ihn von ihr fernhielt.

Nichts davon kam in Frage, aber seit zwei Wochen war das beinahe alles, was ihr einfiel und auch Cat Noir hatte bisher keine besseren Vorschläge gehabt.
Auch ihm war es sehr wichtig, dass die Erklärung die Option für ein offizielles, plötzliches Auftauchen von ihm als Vater enthielt.
Marinette kämpfte gerade gegen ein tiefes Aufseufzen an, als Alyas Ellbogen sie in die Seite traf.
»Hey, wäre das nicht was für dich?«

Marinette sah ihre Freundin an. Sie hatte keine Ahnung, wovon sie redete.
»Äh ... was?«
»Na, die Dekoration.«, antwortete Alya mit gedämpfter Stimme, »Du magst doch alles, was mit Gestalten zu tun hat.«
Marinette sah sich in der Cafeteria um und als sie sich an den Grund erinnerte, warum sie hier waren, konnte ihr Kopf die fehlenden Stücke zusammensetzen.

Miraculous - Unendlich (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt