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Marinettes Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln, als sie auf ihr Kwami hinabsah. Ihre Worte hatten einen angenehmen Nachgeschmack in ihrem Mund hinterlassen; einen Geschmack, der ihr gänzlich neu war.
Er passte zu der Einmaligkeit des Moments und beides in Kombination vermittelte ihr ein beinahe erhabenes Gefühl.
»Dich interessiert doch bestimmt, wie ich mich als Hüterin bezüglich Cat Noirs Ring entschieden habe.«
Dass sie etwas wusste, wovon ihr Kwami keine Ahnung hatte, war eine absolute Seltenheit. Hatte es so etwas überhaupt schon einmal gegeben?
Ihr fiel keine vergleichbare Situation ein.

Marinette hatte nicht im Geringsten ein schlechtes Gewissen dabei, ihr Schweigen weiter in die Länge zu ziehen und ihre Überlegenheit so ausführlich auszukosten.
Tikki hatte häufig dasselbe getan. Und manchmal hatte sie es sogar komplett unterlassen, ihre Geheimnisse mit Marinette zu teilen.
Nun war zur Abwechslung sie an der Reihe, bei einem dermaßen wichtigen Thema wie Cat Noir und seinem Miraculous ein wenig auf die Folter gespannt zu werden.

Zumindest war das Marinettes Plan gewesen.
Doch Tikki gönnte ihr nur wenige Sekunde, dann meinte sie auch schon: »Ich würde sehr gern deine Gedanken zu der ganzen Sache hören. Aber wie deine Entscheidung ausgefallen ist, weiß ich bereits.«

Marinette spürte, wie das Lächeln von ihren Lippen verschwand und sich ihre Gesichtsmuskeln anspannten. Sie war sich nicht sicher, ob es ein enttäuschter oder ein verwirrter Ausdruck war, den Tikki nun vor sich hatte.

»Woher?«, fragte sie.
Samstagnacht hatte sie stundenlang wach gelegen, um über all das nachzudenken und nachdem sie endlich zu einer Entscheidung gekommen war, hatte es noch bis Sonntagabend gedauert, bis sie es hatte offiziell machen können.
Es war noch keine fünf Stunden her, dass sie Adrien das Ergebnis ihrer Überlegungen mitgeteilt hatte.
Woher also wusste Tikki davon?

Ihr Kwami lächelte sie an, als wüsste sie genau, was gerade in Marinettes Kopf vor sich ging.
»Bevor du aufgewacht bist, war ich in der Miraculous-Schatulle und habe mit Plagg geredet.«, antwortete sie. »Er hat mir alles erzählt.«
Marinette wollte schon nachfragen, woher Plagg davon wusste, doch die Frage erübrigte sich.
Kurz nach Cat Noirs Ankunft in ihrem Zimmer hatte er sich zurückverwandelt und Plagg zu den anderen Kwamis in die Schatulle geschickt, aber anscheinend war das Katzen-Kwami noch immer nicht sehr gut darin, Anweisungen zu befolgen, und hatte sie heimlich belauscht.

»Sei nicht sauer auf ihn.«, redete Tikki weiter.
Marinette wusste nicht, ob ihr Gesichtsausdruck sie verraten hatte oder ob ihre Freundin sie einfach nur gut genug kannte, um den aufsteigenden Ärger in ihrem Innern zu erahnen.
»Er konnte die Unsicherheit nicht länger ertragen.
Seit Adrien das erste Mal davon gesprochen hat, seinen Ring wegzugeben, war Plagg sehr beunruhigt. Er würde es nie zugeben, aber er hängt unglaublich an Adrien und will auf keinen Fall einen neuen Träger.«

Marinette drehte den Kopf und sah hinab in die Dunkelheit ihres Zimmers, in Richtung der Truhe, in deren Inneren sich die Miraculous-Schatulle befand.
Es missfiel ihr, dass Adriens Kwami sie belauscht hatte und sie wollte sich ihm nicht nahe fühlen, aber sie konnte seine Gefühle nachvollziehen. Nur zu gut.
Plagg liebte Adrien und damit hatten er und Marinette eine Gemeinsamkeit. Eine Gemeinsamkeit die schwerer wog als all die Stellen, in denen sie sich grundlegend voneinander unterschieden.

»Wie geht es ihm jetzt?«
Sie wandte sich wieder Tikki zu.
»So, wie man es erwarten würde. Er ist erleichtert.«
»Und was ist mit dir?«, fragte Marinette weiter. »Was denkst du darüber, dass ich Adrien den Ring behalten lasse?«
Tikki erwiderte für einige Sekunden stumm ihren Blick.
Ihr Gesicht verriet nicht, was in ihr vorging, und so wussten Marinettes Gefühle nicht, in welche Richtung sie tendieren sollten.
War das Schweigen ihres Kwamis ein Grund zur Besorgnis?

Miraculous - Unendlich (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt