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Das Aufeinandertreffen mit ihren Eltern beim Abendessen verlief zu Marinettes Erleichterung kurz und schmerzlos.
Sie konnte das alltägliche Tischgespräch sogar genießen, denn es hatte nichts zu tun mit magischen Schmuckstücken, kosmischen Kwami-Wesen, Superheldenkämpfen, geheimen Identitäten oder ungeplanten Schwangerschaften.
Trotzdem war sie froh, als sie danach allein auf ihrem Zimmer war und ihren Eltern nichts mehr vorspielen musste.
Sobald sie die Bodenluke ihres Zimmers hinter sich geschlossen hatte, stieß sie geräuschvoll die Luft aus und ließ zu, dass das unterdrückte Gefühlsgemisch in ihrem Innern wieder an die Oberfläche kam.

Zu ihrer Überraschung waren es aber weder Überforderung noch Erschöpfung, was sie nun überfiel.
Stattdessen war es Beklemmung.
Ihrem Zimmer fehlte auf einmal die Wärme und Gemütlichkeit. Und es war viel zu still.
Sie wusste, woran das lag: Tikki war nicht da.

So würde es in Zukunft immer sein.
Kein schöner Gedanke.
Gerade jetzt, wo es so viele wichtige Entscheidungen zu treffen gab und ihre Gefühle so aufgewühlt waren, hätte Marinette den Rat und Trost ihres Kwamis gebraucht.
Sie hatte keine Ahnung, wie sie all das ohne Tikki hinbekommen sollte.

Sie sah hinüber zum Bett, doch auf einmal zog es sie nicht mehr dort hin. Sie würde in der nächsten Stunde sowieso keinen Schlaf finden. Und Tikkis Kissen neben ihrem würde sie nur umso schmerzhafter daran erinnern, was – beziehungsweise: wer – an diesem Abend fehlte.

Einem spontanen Impuls folgend ging Marinette zu ihrer Truhe hinüber, in der sie gut versteckt die Miraculous-Schatulle aufbewahrte.
Sie hielt die Stille einfach nicht mehr aus und fürchtete sich vor den düsteren Gedanken, die bereits aus den Winkeln ihres Kopfes nach oben gekrochen kamen.
Wenn es eine passende Ablenkung von der Stille gab, dann war es ein Haufen aufgedrehter Kwamis.

»Marinette!«, riefen sie alle wild durcheinander, sobald sie die Schatulle geöffnet hatte, und stürmten auf sie ein.
Sofort wurde es ihr warm ums Herz.
Trixx, Pollen, Sass, Longg, Mullo und all die anderen flogen wie ein kleiner Wirbelsturm ausgelassen um sie herum, stupsten sie immer wieder sanft an und stießen kleine Jubelschreie aus.
Es war schon viel zu lang her, dass sie die Schatulle geöffnet hatte.

Wayzz, das Kwami des Schildkröten-Miraculous, war der Erste, dem Tikkis Fehlen auffiel.
Er stoppte vor Marinettes Gesicht und fragte: »Wo ist Tikki?«
Dann fiel sein Blick auf Marinettes Ohren und er kreischte laut auf: »Deine Ohrringe!«
Alle Kwamis hielten augenblicklich in der Bewegung inne und starrten sie mit großen Augen an.
Für drei Sekunden war es vollkommen still.
»H..Hawk Moth?«, hauchte Mullo, das Kwami des Mäuse-Miraculous.
Marinette lächelte beruhigend und schüttelte den Kopf.
»Ich musste sie einer neuen Trägerin übergeben.«
»Aber warum?«, fragte Pollen.
Mittlerweile schwebten alle Kwamis eine Armlänge von Marinettes Gesicht entfernt in der Luft und sahen sie aufmerksam an.
»Weil ich es nicht mehr benutzen kann.«
»Aber du warst doch so eine tolle Ladybug!«, meinte Trixx.
Marinette lächelte Alyas ehemaligem Kwami dankbar zu.
»Ich wäre auch gern Ladybug geblieben. Aber leider ist das nicht möglich.
Ich ... bin schwanger.«
Fünfzehn Kwami-Augenpaare sahen sie voller Überraschung an.

Orikko, das Kwami des Hahnen-Miraculous, war der Erste, der wieder etwas sagte.
»Ich lieeeeeeeeebe Kinder!«, krähte er und überschlug sich zweimal vor Freude.
Und nun stimmten auch die anderen Kwamis ein.
»Herzlichen Glückwunsch!«, sagten Wayzz und Xuppu beinahe gleichzeitig.
»Was für eine Neuigkeit!«, rief Trixx aus und Daizzi stieß ein freudiges Quieken aus.
Marinette konnte nicht anders, als aus ganzem Herzen zu lächeln.
Das war genau das, was sie gerade brauchte.

»Ich hatte auch mal eine Trägerin, die schwanger geworden ist.«, meinte Pollen, als sich die größte Aufregung unter den Kwamis gelegt hatte.
»Ich war traurig, weil ich sie nicht mehr verwandeln konnte, aber es war auch unheimlich schön, das mitzuerleben.«
»Schade, das Tikki nicht dabei sein kann.«, sagte Trixx und lächelte Marinette mitfühlend an.
Sie nickte nur.

Miraculous - Unendlich (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt