Die Autofahrt dauerte nicht lang, doch Marinette nutzte die Zeit, um das Durcheinander in ihrem Kopf zu beseitigen.
Einfach nur durch seine Präsenz hatte Adrien sie komplett aus der Bahn werfen können und an diesem Fakt konnte sie zu ihrem Bedauern nichts ändern.
Aber sie hatte eine Erklärung gefunden; eine ganze Liste an plausiblen Gründen für ihre heftige Reaktion: Erschöpfung, Schwangerschaftshormone, jede Menge Druck, der auf ihr lastete.
Kein Wunder, dass sie im Moment nicht sie selbst war.
Und zusätzlich zu ihrer allgemeinen Verfassung hatte Adrien sie auch noch in der denkbar ungünstigsten Situation erwischt.
Sie hatte Cat Noir seit zwei Wochen nicht gesehen und ihr Körper war auf Zärtlichkeitsentzug. Außerdem war die Gesundheit ihres Kindes in Gefahr gewesen und ihre Dankbarkeit als Mutter hatte sie vergessen lassen, wie kompliziert ihre Vorgeschichte mit Adrien war.
Er war nur noch die Person gewesen, die sie und ihr Kind vor der Kälte gerettet hatte.Als das Auto vor der Bäckerei ihrer Eltern hielt, war Marinette recht zufrieden mit ihrer eigenen Verfassung.
Und sie atmete erleichtert aus.
Adriens Schweigen während der kompletten Fahrt hatte verhindert, dass etwas ihrer Vernunft in die Quere gekommen war, und nun war die Verabschiedung das einzige Hindernis, das es noch zu überwinden galt.
Marinette wandte den Kopf und sah zum Fahrersitz hinüber.Adrien hatte gerade den Motor ausgeschaltet.
Mit einem leicht abwesenden Ausdruck sah er auf seine Hände hinab, die noch immer auf dem Lenkrad lagen.
Marinette wollte ihn ansprechen, doch etwas hielt sie zurück.
Und so war die leise Musik - mit Ausnahme vom Regenprasseln auf dem Autodach - das einzige Geräusch.Zu gern hätte Marinette gewusst, was gerade in Adriens Kopf vorging.
Was hatte ihn dazu veranlasst, während der gesamten Fahrt zu schweigen?
Wie ging es ihm mit ihrer Anwesenheit in seinem Auto?
Und was dachte er ganz allgemein über sie?Ohne seinen Oberkörper zu bewegen oder den Kopf zu heben, wandte Adrien ihr nun den Blick zu. Seine Bewegung war dabei langsam und zögerlich - als würde ihn etwas davon abhalten, sich ihr vollständig zuzuwenden.
Halb schräg sah er zu ihr auf.
Und dieser zurückhaltende – fast schon verstohlene – Blick ließ ihr Herz plötzlich höherschlagen.
Sie verstand nicht, warum, aber er wirkte viel vertrauter und inniger als der direkte Blick zuvor.Wieder war Marinette überrascht und überwältigt davon, was für eine warme Farbe das Grün seiner Augen war.
Etwas in ihrem Innern wurde davon berührt. Unsanft.
Es fühlte sich an wie ein großes, schweres Pendel, das von Adriens Blick in Schwingung versetzt wurde und jede Menge unerwünschte Erinnerungen anstieß.
Der Abend ihres Dates.
Die Riesenradfahrt.
In der offenen Gondel hoch über dem Boden waren sie dem Wind ausgesetzt gewesen.
Marinettes Körper erinnerte sich an die Kälte und zog ganz von selbst die Verbindung zu der Kälte, die sie jetzt gerade empfand.
Und an noch etwas erinnerte sich ihr Körper: An die Wärme, die Adrien ausgestrahlt hatte.Nun zuckte Marinettes Blick von seinen Augen hinab zu seinem Mund.
Auch seine Lippen waren unheimlich warm gewesen.
Und weich.
Sie schluckte schwer.
Noch nie zuvor hatte sie auf diese Weise über den Kuss gedacht. Er war immer nur die Bestätigung gewesen, dass sie Cat Noir liebte und ihn unmöglich vergessen konnte.
Sie hatte nie ausformuliert, wie die flüchte Berührung sich angefühlt hatte.
Bis jetzt.
Ihr Gedächtnis wusste es noch.
Ihre Lippen wussten es noch.
Und genau jetzt sehnten sie sich nach der Wärme.Marinette fühlte sich absolut elend.
Warum musste Adrien mit seinem gesamten Wesen Wärme und Geborgenheit ausstrahlen – ausgerechnet jetzt, wo sie fror und auch sonst in einer schlechten Verfassung war?
Sie wusste, dass ihre momentanen Gefühle auf keinen Fall zu Handlungen führen würden; sie fürchtete keinen Kontrollverlust.
Aber sie fürchtete sich vor den Folgen.
Vor dem schlechten Gewissen, das einsetzten würde, sobald sie aus dem Auto gestiegen war.
Vor den zwangsläufigen Überlegungen, ob sie Cat Noir davon erzählen sollte.
Und – was sie jetzt gerade am allermeisten fertigmachte – vor der unumgängliche und kompletten Beseitigung von Adrien aus ihrem Leben.
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Miraculous - Unendlich (FF)
Fanfiction{abgeschlossen} *** Teil 3 ***(Fortsetzung zu "Miraculous - Endlich vereint") Wenn zwei verliebte Menschen nicht zusammensein dürfen, wird bloßes Träumen ihnen kein gemeinsames Leben ermöglichen. Oder doch? Was passiert, wenn aus Träumen plötzlich H...