9

224 18 4
                                    

Als Tikki langsam und bedächtig zu reden begann, spürte Marinette bereits nach wenigen Worten, dass sie nicht auf ausführlichen Antworten hoffen konnte.
Tikki wollte ihr nicht wirklich von Cat Noirs und ihren Vorgängern erzählen. Stattdessen hatte sie wieder einmal nur unkonkrete, schwammige Kwamiweisheiten zu bieten.

Nach mehreren Minuten, in denen Marinette ihr stumm zugehört hatte und die Enttäuschung in ihrem Innern immer größer geworden war, hielt Tikki inne.
»Ich weiß, das ist nicht das, was du von mir hören wolltest.«
Wie recht sie damit hatte!

Im Prinzip hatte Marinette nichts Neues erfahren.
Tikki hatte zum ersten Mal zugegeben, dass es schon früher romantische Paare unter den beiden Trägern der Katzen- und Marienkäfer-Miraculous gegeben hatte. Aber das war Marinette schon längst klar gewesen.
Über die Dinge, die sie wirklich interessierten – die Kinder, von denen sie heute erfahren hatte, den Umgang der Paare mit ihren geheimen Identitäten und wie ihre Geschichten letztendlich ausgegangen waren – dazu hatte Tikki kein einziges Wort verloren.

Noch vor wenigen Minuten hatte Marinette sich Trost und Rat von ihrem Kwami gewünscht. Nun bereute sie es beinahe, dass Tikki aufgetaucht war.
Aus den anderen Kwamis hätte sie mit mehr Zeit womöglich noch etwas Wissenswertes herausbekommen können.
Aber Tikki speiste sie wieder einmal nur mit Floskeln ab.

»Marinette? Bitte rede mit mir. Was geht gerade in dir vor?«
Marinette hob den Kopf und sah ihrem Kwami in die dunkelblauen Augen.
»Ich bin müde.«
»Es wirkt eher, als wärst du wütend auf mich.«
Marinette presste die Lippen aufeinander. Tikki durchschaute sie wie gewöhnlich ohne Probleme.
Aber vielleicht war das gar nicht so schlecht.
Vielleicht war jetzt der falsche Zeitpunkt, um ihre Gefühle zu verbergen.

»Du hast recht. Ich bin wütend auf dich!«, brach es aus ihr hervor. »Du redest von deinen jahrhundertelangen Kwamierfahrungen und davon, dass »jede Information den richtigen Zeitpunkt hat«, aber im Grunde hilfst du mir kein Stück weiter! Kannst du mir nicht ein einziges Mal eine klare Antwort geben, was ich tun soll?«
»Ach Marinette ...«, sagte Tikki mit teilnahmsvollem Ton, »Ich wünschte, es wäre so einfach. Aber das ist nicht meine Aufgabe als dein Kwami.
Ich gebe dir keine Antworten, sondern ich helfe dir nur dabei, sie selbst zu finden.«
»Aber genau das tust du nicht! Ich habe noch immer keine Ahnung, was ich morgen zu Cat Noir sagen soll!«
»Aber du wirst es wissen. Ich habe dir alles gesagt, was dafür notwendig ist.
Die letztendliche Entscheidung jedoch musst du selbst treffen. Hast du das nach all der Zeit noch immer nicht verstanden?«

Marinette wandte den Blick ab.
Sie fühlte sich wie ein dummes Kind, dass einfach nicht begriff und immer wieder die gleichen, einfältigen Fragen stellte.
Und sie nahm es Tikki übel, dass sie ihr dieses Gefühl vermittelte.

Natürlich hatte Marinette mittlerweile verstanden, dass ihr Kwami ihr die großen Lebensentscheidungen nicht abnahm. Aber zumindest einen besseren Ratschlag als »überlege genau, ob es der richtige Moment für diese Information ist« hätte sie sich schon gewünscht.

Und noch etwas nahm Marinette ihrem Kwami übel: Tikkis Auswahl bei den Informationen zu ihren Vorgängern.
Sie hätte Marinette mit ihren vagen Erzählungen Mut machen und ihr etwas ihrer Sorgen nehmen können. Stattdessen hatte sie jede Menge rätselhafter Andeutung gemacht von wegen »ich musste es erst auf die harte Tour lernen« und »sei froh, dass ich dieses Erfahrung habe und dich warnen kann. Viele deiner Vorgängerinnen hatten dieses Glück nicht.«.

Was Marinette aus all dem heraushörte, war eine Warnung, nicht vorschnell Dinge zu offenbaren; genau zu überlegen, ob dafür der richtige Zeitpunkt gekommen war.
Aber das hatte sie auch vorher schon gewusst!
Das war nichts Neues für sie!

Miraculous - Unendlich (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt