Miraculous - Unendlich (FF)

4

Marinette hatte noch nie etwas Vergleichbares empfunden.
Es war wie ein Ruck, der durch ihren ganzen Körper – und ihre Seele – ging, jeden Teil von ihr einige Millimeter zur Seite verschob und sie in einen völlig neuen Zustand versetzte.
Sie war noch derselbe Mensch, aber auch nicht.

Etwas in ihr wollte ihrem Kwami einen verärgerten Kommentar entgegenschleudern.
Wollte ihr direkt ins Gesicht sagen, dass man mit so etwas keine Scherze machte.
Doch Tikkis Blick ließ keinen Zweifel daran.
Sie meinte, was sie gesagt hatte.
Und sie schien sich dabei absolut sicher zu sein.
Schwangerschaft.

Marinette sah an sich selbst hinab und erblickte ihre Hand, die sich wie von selbst auf ihren Bauch gelegt hatte. Als würde sie dort der Wahrheit nachspüren.
»Marinette?«
Tikkis eindringliche Stimme ließ sie wieder den Kopf heben.
»Ich weiß, das ist gerade mehr als überfordernd für dich. Und es tut mir wirklich leid, dass ich das sagen muss: Aber gerade jetzt ist deine Schwangerschaft nicht das Wichtigste.«
Marinette blinzelte verwirrt.
Was konnte denn bitte wichtiger sein als ihr und Cat Noirs Kind?
»Du musst dich jetzt zusammenreißen!«, fuhr Tikki fort. »Du kannst nicht mehr Ladybug sein, aber genau deswegen ist es so wichtig, dass du jetzt deine Aufgabe als Hüterin erfüllst.«
»Was?«, stammelte Marinette.
Tikki kam ein Stück näher zu ihr geflogen und für eine Sekunde dachte Marinette, dass sie ihr eine Ohrfeige geben würde.
Doch eine Handbreit vor ihrem Gesicht blieb sie in der Luft stehen und redete weiter.
»Gerade jetzt ist dort draußen ein akumatisierter Superschurke unterwegs. Und Ladybug ist die Einzige, die den Akuma einfangen und eine Katastrophe verhindern kann.
Deshalb musst du dein Miraculous so schnell wie möglich an eine neue Trägerin weitergeben.«
»Was?«
Marinette schnappte nach Luft.
Tikkis Stimme war das Drängen anzuhören gewesen, doch nun nahm sie sich die Zeit, ihr langsam und sanft zuzureden.
»Ich weiß, dass das gerade alles sehr viel für dich ist.
Aber es gibt leider keinen anderen Weg.
Solange du schwanger bist, kann ich dich nicht verwandeln und Paris braucht Ladybug.
Das ist nichts, wofür du dich entscheiden musst. Du hast gar keine andere Wahl.
Die einzige Entscheidung, die du jetzt treffen musst – und zwar schnell - ist, wem du deine Ohrringe übergibst.

Marinette schossen die Tränen in die Augen.
Tikki hatte vollkommen recht.
Das war alles viel zu viel.
Sie hatte noch nicht einmal ansatzweise begonnen, die Enthüllung ihrer Schwangerschaft zu verarbeiten. Und jetzt sollte sie Tikki und ihr Miraculous an jemand anderen übergeben?
Sie griff mit beiden Händen nach Tikki und presste sie an sich.
»Ich schaffe das nicht ohne dich!«, sagte sie unter Schluchzen.
Und sie spürte, wie auch Tikkis kleiner Kwamikörper an ihrer Wange wieder und wieder zusammenzuckte.
»Doch, Marinette.«, sagte sie.
Ihre Stimme klang genauso tränenerstickt wie Marinettes.
»Wir werden das hinbekommen.
Wir werden Paris auch dieses Mal retten. Und dabei wirst du so heldenhaft sein, wie noch nie zuvor.
Die Bewohner von Paris werden es nicht verstehen und werden dir deswegen auch nicht dankbar dafür sein. Aber ich werde wissen, was es dich gekostete hat – was es uns gekostet hat.
Und das macht dich zu einer noch viel größeren Heldin, als du sowieso schon warst.«

Marinette war noch immer weit davon entfernt, den Tränenstrom aus ihren Augen unter Kontrolle zu bekommen, als Tikki sich aus ihren Händen befreite.
»Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.«, sagte sie ernst und wischte sich mit ihren Kwamipfoten die Tränen aus den Augen.
»Du solltest jetzt aufbrechen. Weiß du schon, wem du deine Ohrringe übergeben wirst?«
Marinette musste all ihre Willensstärke aufwenden, um das Schluchzen niederzuringen und eine Erwiderung herauszubekommen.
Die Tränen flossen weiterhin.
»Es gibt eigentlich nur eine Kandidatin: Alya.
Sie kennt sich nicht nur mit der Funktionsweise der Miraculous aus, sie weiß auch besser als jeder sonst, welche Aufgabe Ladybug hat.
Sie wird sofort wissen, was zu tun ist.«
Tikki lächelte ganz leicht und nickte.
»Dann geh jetzt schnell zu ihr und übergib ihr heimlich die Box.«