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Cat,

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Da ist so viel, was ich dir sagen möchte.
Manches hätte ich dir schon vor langer Zeit sagen sollen.
Manches ist mir erst in den letzten Tagen bewusst geworden.

Ich bedauere, dass wir dieses »Gespräch« nicht schon viel früher geführt haben.
Und ich bedauere auch, dass ich im Moment nur auf diese Art zu dir reden kann.
Ich weiß, dass ich es dir an vielen Stellen in unserer Beziehung nicht leicht gemacht habe. Und auch hiermit verlange ich dir viel ab.
Ich hoffe aber, dass du mich nach diesem Brief verstehst.
Er ist ein Versuch, dir einen Blick in meinen Kopf und in mein Herz zu geben – auch wenn du schon jetzt die Person bist, die sich dort am allerbesten auskennt.

Vielleicht fange ich gleich damit an: Deiner Stellung in meinem Leben.
Auf dich muss es wirken, als würde der Großteil meines Lebens passieren, während ich nicht bei dir bin.
Ich kann gar nicht ausdrücken, wie falsch das ist.
Du bist nicht mein ganzes Leben, aber du bist mehr davon, als irgendjemand sonst; mehr, als ich es mir jemals hätte vorstellen können.
Meine Gedanken drehen sich ständig um dich.
Wenn ich nicht bei dir bin, vermisse ich dich, und wenn ich bei dir bin, will ich nie wieder gehen.

Mein Leben ist ein völlig anderes, seit du so ein großer, wichtiger Teil davon bist.
Ich habe angefangen, anders über meine Aufgabe als Ladybug zu denken. Ich habe angefangen, anders über meine Zukunft zu denken, über meine Wünsche und Träume und Vorstellungen.
Wie ich dir schon einmal gesagt habe, hat mir das auch Angst gemacht.
Und du hast recht: Ich wollte möglichst viel Kontrolle über all das behalten.

Mit Tikki und dem Miraculous ist unheimlich viel Verantwortung in mein Leben gekommen.
Du bist die Person, die das wohl noch am ehesten verstehen kann, aber selbst du weißt vieles noch nicht.
Ich habe es nie gewagt, es auszusprechen, aber diese Aufgabe – Ladybug sein, das mächtigste aller Miraculous tragen, Paris mit seinen Menschen beschützen, als Einzige die Akumas einfangen können, als Hüterin auf so viele Miraculous achtgeben müssen – ist an manchen Tagen zu viel für mich.
Es gibt Tage, da hasse ich es, ausgewählt worden zu sein.
Nicht nur wegen der riesigen Verantwortung, sondern auch wegen der Auswirkungen, die es auf mein Leben hat.
Die Leute anlügen zu müssen, die ich liebe.
Jederzeit damit rechnen müssen, dass Ladybug gebraucht wird und somit niemals vollständig abschalten zu können.
Die Unsicherheit, wie meine Zukunft aussehen wird – wie sie überhaupt aussehen kann.

Ich musste und muss unglaublich viel aufgeben, um dieser Pflicht gerecht zu werden.
Die Auswirkungen auf mein Leben sind so weitreichend, dass es sich manchmal anfühlt, als wäre es gar nicht mehr mein Leben.
Als hätte ich gar keine echte Kontrolle mehr darüber, was mit mir passiert.
Ist es also verwunderlich, dass jede weitere Unsicherheit, jede weitere mögliche Komplikation mich zurückschrecken lässt?

Gefühlt bin ich ständig nur damit beschäftigt, zu versuchen, alles irgendwie zusammenzuhalten - und das schon seit so langer Zeit.
Ich kann mich kaum noch erinnern, wie es vorher war.
Wie fühlt es sich an, ein ganz normaler Teenager zu sein?
Manchmal schaffe ich es fast, mich in einem »normalen« Moment in meinem Leben daran zurückzuerinnern.
Aber vollständig werde ich die Verantwortung, die auf mir lastet, nicht los.
Niemals.

Und seit der allerersten Minute war ich vollkommen allein damit.
Du warst immer für mich da, aber ich habe dich all das niemals sehen lassen. Ich habe es hinter meiner Maske versteckt – wenn ich verwandelt war, genauso wie in meinem Alltag.
Vielleicht wäre vieles zwischen uns anders gelaufen, wenn ich dir schon eher davon erzählt hätte.
Vielleicht wären wir nicht an diesem Punkt, an dem wir gerade sind, wenn ich mutiger gewesen wäre.
Doch auch wenn es so klingt: Ich bin nicht verzweifelt.

Miraculous - Unendlich (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt