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»Marinette.«
Ihr Name.
Von Adriens samtweicher Stimme in ihre Halsbeuge gemurmelt.

Marinette riss die Augen auf und sah direkt in das grelle Licht der Deckenlampe.
Zusammen mit dem Schmerz zuckte ein Gedanke durch ihren Kopf.
»Ist das echt?«

Die Flut an Sinneseindrücken schien sie mit aller Macht davon überzeugen zu wollen, dass es kein Traum war - ihre Nervenzellen bombardierten sie regelrecht mit Geräuschen, Gerüchen und Empfindungen, als würde Adriens Gegenwart von allen Seiten und auf allen Ebenen gleichzeitig auf sie einstürmen - dennoch konnte Marinette den Zweifel nicht abschütteln.

»Das ist ein Traum.«, dachte sie, während das Lampenlicht sich noch immer in ihre ungeschützten Augäpfel bohrte.
»Alles andere ist unmöglich. Es muss ein Traum sein.«

Die Finger ihrer linken Hand krallten sich in den Stoff von Adriens Pullover und überdeutlich spürte Marinette die weiche Struktur des Materials, genauso wie die Wärme, die von Adriens Körper darauf übergegangen war.
»Das ist echt.«, bezeugten die sensiblen Nerven ihrer Fingerkuppen.
Doch das reichte nicht aus.
Auch ihre rechte Hand tastete sich vorwärts, Adriens Arm hinauf, über seine Schulter und den Hals bis zu seinem Nacken.
Haut. Haare. Und noch mehr Wärme.

»So fühlt sich kein Traum an.«
Der Gedanke hatte sich kaum gebildet, als Marinettes Kopf ihm auch schon widersprach.
»Es muss ein Traum sein. Es passt alles zusammen.
Solche Dinge - dass aus zwei geliebten Personen eine einzige wird und alle verbotenen Gefühle und Sehnsüchte auf einen Schlag nicht mehr zurückgehalten werden müssen - passierte nur in Träumen.
In Träumen können Personen nahtlos ineinander übergehen und sich vermischen.
In Träumen kommen die geheimsten und verdrehtesten Wünsche ans Licht.
In Träumen fallen die Mauern der Vernunft und in Träumen dürfen Dinge passieren, die in der echten Welt unmöglich sind.«

Entgegen allen Bedenken senkten sich Marinettes Augenlider hinab und sie unterbrach den Gedankenstrom, um das Gefühl von Adriens Lippen auf ihrem Hals zu genießen.
Kuss um Kuss lockte er sie von den Zweifeln weg und zog sie tiefer in den Traum hinab.

Ganz leise hörte sie noch die Stimme in ihrem Hinterkopf, die sie vor den Schuldgefühlen warnte, die sie nach dem Erwachen haben würde.
Doch ein anderer Gedanke war stärker: »Wenn es wirklich nur ein Traum ist, soll er noch so lang andauern wie möglich.«

Ihre Hände glitten über seinen Körper hinweg und den Regeln des Traumes folgend legte Marinette sich nicht fest, ob es Adrien oder Cat Noir war.
Mit geschlossenen Augen war das ganz leicht.
Es war einfach nur Er.
Ihre Liebe auf eine einzige Person konzentriert.

Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und zog ihn von ihrem Hals nach oben, bis ihr Mund seinen fand und sie den unzähligsten Kuss teilten.
Diesmal waren ihre Lippen gierig und rastlos - fast schon grob. Genauso ihre Zunge.
Sie konnte nicht sagen, was sie mehr antrieb: Das bevorstehende Erwachen, das sie jeden Moment aus der Situation herausreißen konnte, oder der Kuss an sich - das berauschende Gefühl, mit ihm verbunden zu sein; mit ihm Atem und Wärme und Empfindungen zu teilen.

Marinette wollte jede Millisekunde davon auskosten und diesen Wunsch schien sie mit ihrem Körper gemein zu haben.
Er war so aufmerksam und wachsam, wie sie es noch nie erlebt hatte.
Als wolle er mit allen Mitteln verhindern, dass sie etwas verpasste, leitete er jedes noch so kleine Signal an sie weiter.
Jede Bewegung seines Körper, jeden Laut, den er von sich gab, jede Kollision zwischen seinen und ihren Molekülen.

Je länger der Kuss anhielt, desto tiefer versank Marinette in ihren Empfindungen. Sie gewöhnte sich an ihre überempfindlichen Sinne und genoss es, wie viel von ihm sie gleichzeitig wahrnehmen konnte.
Sie hielt ihre Hände nicht davon ab, ihn noch enger an sich zu ziehen, ihn zu streicheln, zu packen, zu erfassen.

Miraculous - Unendlich (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt