Mein Hals fühlt sich wie die Wüste Gobi an und ich schlucke trocken, mein Gehirn fängt langsam an zu arbeiten. Krankenhaus, Not-Kaiserschnitt, mein Baby, wo ist sie?! Voller Panik reiße ich die Augen auf, huste leicht und versuche, den Oberkörper aufzurichten.
"Hey piccola Mama, schön liegen bleiben", sagt Aureliano, steht von seinem Stuhl neben dem Bett auf und drückt mich sanft zurück in das große Kissen.
"Wo ist mein Baby?", krächze ich, er hält mir ein Glas Wasser an die Lippen und ich nippe leicht daran. Er legt meine Hand in seine und streichelt über den Ehering.
"Der kleinen Principessa geht es den Umständen entsprechend gut, sie liegt zur Überwachung auf der Kinder-Intensivstation. Deine Frauenärztin ist vor zehn Minuten gegangen, sie sieht morgen erneut nach dir. Linda, das Hämatom der Schussverletzung hatte sich verkapselt, durch den Sturz und der Schwangerschaft ist es aufgerissen. Du hattest innere Blutungen, aber in ein paar Tagen bist du wieder ganz die Alte. Dein Baby hat Probleme mit der Atmung und bleibt noch ein paar Tage unter ärztlicher Aufsicht. Du siehst alles bene", er lächelt mich aufmunternd an.
"Weiß Flo Bescheid?", frage ich heiser.
"Nein. Wir haben ihn noch nicht erreicht. Mustafa löst mich gleich ab, dann probiere ich nochmal anzurufen. Ruh dich aus und schlaf jetzt."
Für was hat mein Mann ein Handy, er kann froh sein, dass die Narkose noch nachwirkt, sonst würde ich ihm die Hölle heiß machen. Aureliano verlässt leise mein Zimmer, ich wende den Kopf zum Fenster, draußen bricht langsam die Nacht an. Auf dem Nachtschrank liegt mein Smartphone, vorsichtig drehe ich mich, aber die Bewegung ist so schmerzhaft, das ich den Gedanken ganz schnell zur Seite schiebe und nur die Hand ausstrecke. Stöhnend lege ich das Telefon auf mein Dekolleté und hebe die Decke ein Stück an. Ziehe das Krankenhaushemd weg und mich trifft der Schlag. Zwei Schläuche mit frischem Blut verlassen die Bauchdecke, außerdem habe ich einen Katheter, oh mein Gott, was ist in den letzten Stunden passiert?! Tränen rollen meine Wange herab, ich streife das Hemd zurück, decke mich sachte wieder zu, jede Bewegung ist anstrengend und Zuviel. Ein Blick auf das Handy verrät mir, dass der Akku leer ist, na super, das auch noch. Ich schließe traurig die Augen, mein Baby ist nicht hier, mein Mann sowieso nicht und so bahnen sich erneut heiße Tränen an die Oberfläche. Am Rand bekomme ich mit, dass es leise klopft und Mustafa vorsichtig ins Zimmer schaut."Komm ruhig rein", flüstere ich und wische mir über die Wangen.
"Na schöne Frau wie geht es dir?"
"Scheiße. Ich habe fürchterliche Schmerzen, ich habe mein Baby noch nicht gesehen und mein Akku ist leer. Habt ihr Flo endlich erreicht?"
"Nein, keine Ahnung wo der sich rumtreibt. Wenn er im Club ist, hat er keinen Empfang, aber wir versuchen, es abwechselnd seit du eingeliefert wurdest. Ich stehe vor der Tür, wenn was ist, ruf mich einfach." Ich sehe ihn verwirrt an. "Linda, ich bin ein Gentleman, ich bleibe doch nicht im Schlafzimmer einer fremden Frau."
"Bitte bleib, sieh mal, der Stillsessel sieht doch bequem aus, ich brauche ihn nicht", sage ich traurig.
"Genieß die Ruhe, wenn ich meine Schwester sehe, die vor drei Wochen entbunden hat. Die rennt durch die Welt, wie ein Zombie auf Drogen", wir lachen, was mir prompt einen stechen Schmerz in die Rippengegend schickt. Die Nachtschwester kommt mit den Medikamenten und fragt, ob bei mir alles in Ordnung ist.
"Ich kann es ganz gut aushalten, was viel schlimmer ist, dass ich gleich vor Hunger sterbe."
"Das will ich nicht riskieren, hier auf der Entbindungsstation herrschen andere Gesetze, wir können egal zu welcher Tageszeit, etwas zu Essen besorgen. Auf was haben Sie denn Appetit?"
"Schnitzel mit Pommes?", frage ich unsicher.
"Kein Problem, wird bestellt. Haben Sie schon versucht, Milch abzupumpen?" Ich schüttele mit dem Kopf, weil ich mir noch gar keine Gedanken gemacht, ob ich doch lieber die Flaschen gebe, da es praktischer ist, wenn ich wieder im Rose arbeite.
"Ich ordere Ihren Essenswunsch und später reden wir über das Stillen. Einverstanden?", ich nicke und Mustafa sieht mich mit großen Augen an.
"Denk nicht mal dran, wenn dir dein Leben etwas Wert ist, verschwindest du spätestens nach dem Essen", er verkneift sich ein Lachen, es klopft erneut, Aleks und Ana schauen vorsichtig rein und lächeln mich voller Freude an.
"Habt ihr nichts zu tun, schaut mal auf die Uhr, es ist schon nach neun?!" Aleks verdreht die Augen und stellt sich an das Fußende des Bettes.
"Ganz die Alte. Du hast uns einen gehörigen Schrecken eingejagt, wo ist denn meine Patentochter?!"
"Sie ist auf der Intensivstation, mehr weiß ich auch noch nicht. Habt ihr für heute keine Kunden mehr?"
"Ich habe alle Termine für heute abgesagt, schließlich liegt meine beste Freundin, Chefin, Lieblingsbitch im Krankenhaus, also fahr dich runter, Ana hat sich ein Zimmer ausgesucht und weiß, wo sie alles findet, was sie zum Arbeiten benötigt. Warum bist du so mies gelaunt? Du musst doch vor Glückshormonen nur so leuchten?!"
"Mein Handy ist tot, mein Baby irgendwo in diesem Kasten ohne mich, ich fühle mich innerlich aufgerissen und mein Mann ist wie vom Erdboden verschluckt. Ich habe einen beschissenen Katheter, mir hängen zwei Schläuche aus dem Bauch, hast du sonst noch schlaue Fragen?!", antworte ich gereizt. Aleks sieht mich amüsiert an, setzt sich auf die Kante des Bettes und nickt Ana zu, dass sie kurz draußen wartet. Sie wirft einen Blick unter die Decke, hebt das Krankenhaushemd an und verzieht den Mund zu einem erstauntem oh.
"Schätzchen, sie es mal so. Du hast einen Kaiserschnitt, du behältst eine dünne kleine Narbe in der Bikinizone, aber deine Vagina ist noch genauso hübsch und eng wie vor der Schwangerschaft. Also, so what?! In ein paar Tagen entfernen sie alles und du bewegst dich wieder ganz normal, hat doch auch etwas Positives, du musst nicht aufstehen, um aufs Klo zu gehen", lacht sie, ich schlage ihr spielerisch auf den Oberschenkel und lache vorsichtig mit.
"Siehst du, da ist sie noch, die kleine Bitch", Aleks deckt mich zu, schließt mich in eine herzliche Umarmung, legt anschließend beide Hände um mein Gesicht und sieht mir streng in die Augen.
"Was deinen verantwortungslosen Mann angeht, ich hoffe das er seinen Arsch in Rekordgeschwindigkeit hierher bewegt, sonst kneif ich ihm die Eier ab, ich bin richtig angepisst und das kommt selten vor."
"Nur wegen ihm, oder eventuell auch ein bisschen Wege seinem attraktiven Bruder?", ich ziehe gespannt die Augenbrauen hoch.
"Nein, nur Flo ist für meine schlechte Laune verantwortlich, übrigens sieht dein Bodyguard echt schnuckelig aus, oder?!" Ich stöhne und verdrehe die Augen. Die Schwester bringt mein Essen und Aleks leistet mir noch etwas Gesellschaft, bis die Milchpumpe zum Einsatz kommt und sie sich diskret aus dem Staub macht.
Wir versuchen, fast eine Stunde abzupumpen, aber es ist einfach zu wenig Milch, mein fester Busen, ist nicht zum stillen geeignet. Die Hebamme holt einen Rollstuhl, fährt mich auf die Kinderstation und sagt mir, dass ich meiner Tochter, auch noch so kleine Pfützen geben soll, der Rest wird mit der Flasche nachgefüttert. An einem großen Fenster in einem dieser sterilen Kästen liegt sie und wirkt so zerbrechlich mit den vielen Kabeln. Die Kinderkrankenschwester nimmt mir sofort die Berührungsängste und legt sie mir in den Arm. Voller Stolz blicke ich auf das winzige Bündel hinab, ein leises Glucksen kommt aus ihrem Mund und sie streckt sich. Ich führe die Flasche an ihre zarten Lippen und sie trinkt alles aus, zufrieden schläft mein Baby in meinem Arm weiter. Überglücklich streichel ich über die dicken schwarzen Haare, die samtweiche Haut und schaue mir die winzigen Finger und Zehen an.
"Hallo mein Engel, Mama wird immer auf dich aufpassen", ich küsse ihre Stirn, atme tief den speziellen Geruch meines Babys ein.
Zurück im Zimmer, falle ich müde und erschöpft in mein Kissen, einschlafen gestaltet sich allerdings sehr schwer. Tausend Gedanken und Bilder rasen von Flo durch meinen Kopf. Wieso ist er nicht in Frankfurt geblieben? Sind ihm letztendlich die Geschäfte wichtiger als seine Familie? Was macht er um diese Uhrzeit in seinem Bordell? Ich bin fest davon ausgegangen, dass er Leute dafür angestellt hat und sich nicht selbst darum kümmert! Szenarien, mit fremden Frauen flackern vor meinen Augen auf, die aufsteigende Eifersucht lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Um mich ein wenig abzulenken, denke ich an das kleine Wesen ein paar Stockwerke über mir, dass mich braucht und mit diesen schönen Gedanken schlafe ich endlich ein.
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Dark Rose Band 3 ~ Für immer ~
RomanceDas großes Finale von Dark Rose, eine lange und aufregende Reise liegt hinter Linda und Flo, die zu einer festen Einheit gewachsen sind. Die langjährige Freundschaft zu Aleks wird auf eine harte Probe gestellt und Flo versucht der Mann zu sein, de...