Teil 14

386 35 17
                                    

Mustafa sitzt bei Stefan und Jule, die, die Bar für den heutigen Tag mit Getränken bestücken. Ich setze mich schräg auf einen der Hocker und beobachte wie sie sich gegenseitig die pinken Schürzen im Rücken zubinden. Genieße den Cappuccino und eine Stunde später gesellen sich Aleks und Ana zu mir. Arm in Arm kichern sie über irgendetwas.

„Habt ihr eure Probleme geklärt?"

"Na klar, ich lass doch meine kleine Schwester nicht hängen. Sie wohnt erstmal bei mir und wir schauen in Ruhe, was sich in der Zukunft ergibt."

"Zeigst du ihr alles? Ich fahre nach Hause, sonst erleidet Flo noch einen Herzinfarkt, wenn er hört, dass sich den ganzen Tag unterwegs war", Mustafa lacht so herzhaft, dass er sich fast an der Cola verschluckt. Die Schiebetüren gleiten auf, Milo und Nikolaj nähern sich schnellen Schrittes unserer kleinen Gruppe. Bevor jemand reagieren kann, packt Milo Anastasia grob am Arm, zieht sie von ihrem Hocker, vor Wut pocht eine Halsschlagader violett und tritt sehr deutlich hervor

"Das hast du dir ja fein ausgedacht, abhauen, auf direktem Weg zur großen Schwester rennen und sich ausheulen", zischt er ihr ins Gesicht. Ich stehe auf und stelle mich zwischen die beiden. "Lass sie sofort los!"

"Sonst was, Frau Milicaj?! Ich mache mit dieser Nutte, was ich will, da hältst du mich bestimmt nicht davon ab. Oder löst du sie aus?", lacht er höhnisch und zieht Ana mit. Sie gerät ins Straucheln aber, er zerrt sie am Arm weiter hinter sich her. Aleks und ich versuchen, ihn aufzuhalten, da betritt Andy mit ernstem Gesicht die Bar, doch Nikolaj versperrt ihm den Weg und macht Bekanntschaft mit Andys Faust, so dass er bewusstlos zur Seite kippt.

"Lass sie los, sonst liegst du gleich daneben", droht Andy Milo und versucht Ana, aus seinem Griff zu befreien. Milo fängt an zu lachen, schubst sie weg, packt Andy am Hemdkragen, doch er wehrt die Hände ab und gibt ihm einen kräftigen Stoß vor den Brustkorb, er taumelt rückwärts und geradewegs in mich hinein. Mustafa fasst ins Leere, ich verliere das Gleichgewicht und wir stürzen auf den Boden, ich lande unsanft seitlich auf dem Bauch und Milo rollt sich zur Seite.

"Linda! Nein!", schreien alle gleichzeitig und helfen mir beim Aufstehen. Anastasia sieht ängstlich zwischen Milo und mir hin und her, er steht ebenfalls auf, zieht sein Hemd gerade und wirft mir einen eiskalten Blick zu.

"Du hast nicht die geringste Ahnung, mit wem du dich angelegt hast. Das wird dir noch leidtun", flüstert er bedrohlich leise und verschwindet genauso schnell, wie er aufgetaucht ist.

"Alles okay, mir ist nichts -", eine warme Flüssigkeit plätschert an meinen Beinen runter und ich schaue entsetzt auf die größer werdende Pfütze unter den Sandalen. "Scheiße", flüstere ich, Mustafa lässt mich los und rennt hinter Milo her.

"Verdammt", schreit Aleks, Andy zieht sein Handy raus und ruft einen Rettungswagen, was ich absolut übertrieben finde. Plötzlich schießt mir ein stechender Schmerz in den Unterbauch.

"Das ist zu früh", stöhne ich, krümme mich nach vorn und halte meinen Bauch schützend umklammert.

"Tief atmen, so wie wir das in dem Kurs gelernt haben", Aleks ist die Ruhe selbst, wir haben in dem Vorbereitungskurs die ganze Zeit nur gelacht und eigentlich nie aufgepasst. Jetzt bekomme ich die Quittung, denn ich habe keine Ahnung, was ich machen soll. Die Hebamme hat zwar erklärt wie wir uns bei einem vorzeitigen Blasensprung oder Wehen verhalten, aber ich erinnere mich nicht daran und verfalle in Panik. Ich greife fest nach der Hand meiner besten Freundin, Andy fasst mir unter die Achselhöhlen, richtet mich ganz auf und setzt mich in einen der Sessel.

"Ich muss Flo, ah, Scheiße tut das weh", stöhne ich laut, weil der Schmerz sich verstärkt.

"Mach dir um deinen Mann keine Gedanken, du konzentrierst dich jetzt nur auf dich und dein Mädchen", sag Aleks ruhig. "Soll ich ihn anrufen?"

"Mmhh, der ist heute Morgen zurück nach Durres geflogen", antworte ich kurzatmig, meine beste Freundin verengt ihre Augen zu gefährlichen Schlitzen.

"Ist das sein fucking Ernst?! Wieso lässt der dich drei Wochen vor dem Termin allein?! Verdammt noch mal!", schreit sie und macht den Sanitätern Platz. Erleichtert sehe ich, dass eine Frau dabei ist. Sie ist die Notfallsanitäterin und kniet sich vor mich auf den Boden.

"Hallo ich bin Lena, welche Schwangerschaftswoche? Darf ich du sagen?"

"Ja. Linda, Ende Sechunddreißigste, meine Blase ist gesprungen, wir haben nur ein Problem, eigentlich habe ich in zwei Wochen einen Kaiserschnitttermin, aahh", mir bleibt die Luft weg, ich habe das Gefühl, mir zerreißt jemand die Bauchdecke.

"Ganz ruhig, warum hast du den Termin für einen Kaiserschnitt?!, will sie professionell weiter wissen.

"Das Baby liegt in Steißlage und meine Frauenärztin ist der Meinung, bei dem engen Becken und erste Geburt, funktioniert es auf normalem Weg nicht, ich kriege verdammt schlecht Luft und mir ist schwindelig." Lena tastet meinen Bauch ab, misst den Blutdruck und legt einen Zugang in den rechten Handrücken.

"Okay, du bekommst jetzt Sauerstoff, ich spritze dir etwas, dass die Wehen unterdrückt und wir fahren auf direktem Weg ins Krankenhaus. Hast du deinen Mutterpass dabei?", ich nicke und deute auf meine Handtasche. Aleks sucht kurz und reicht ihn weiter. Lena blättert den Pass schnell durch und gibt ihrem Kollegen Anweisungen. Er kommt kurze Zeit später mit einer Trage zurück, gut das, kaum Gäste da sind, es ist so schon peinlich genug. Ich werde vorsichtig darauf gelegt und sofort abtransportiert.

"Du hast vor ein paar Monaten einen Zwerchfellschuss abbekommen, daher die Schmerzen und der Schwindel. Ich lege dir das CTG an, du bist in der Uniklinik angemeldet und deine Frauenärztin ist ebenfalls informiert." Die Herztöne der Kleinen sind rasend schnell und werden auf einmal ganz langsam, erneut ergreift mich Panik und ich beobachte, wie Lena die Aufzeichnungen skeptisch ansieht. Sie spitzt etwas in den Zugang und Aleks streichelt aufmunternd über meine eiskalte freie Hand.

"Ganz ruhig, dein Baby steht gerade unter enormen Stress, wie die Mama. Versuch, langsamer zu atmen, dafür tief in den Bauch", Lena ruft erneut in der Uni an und wir rasen mit Blaulicht und Sirene durch die Stadt. Voller Sorge sieht meine beste Freundin mich von der Seite an.

"Alles wird gut, wenn du gleich untersucht wirst, rufe ich deinen Mann an", redet sie beruhigend mit mir, der Herzschlag hört sich immer schwächer an und ich sehe den angestrengten Blick von Lena, die zusätzlich noch die Stirn runzelt.

"Dein Puls ist viel zu hoch, fünf Minuten noch, komm, wir atmen zusammen", tatsächlich werden die Töne ein bisschen kräftiger. Schließlich ist die rasante Fahrt zu Ende, man reißt die Türen hektisch auf, die Liege wird rausgezogen und schnell durch die Notaufnahme geschoben. Die Lichter an der Decke verschwimmen zu einem hellen Lichtstrahl, ein Notarzt kommt angerannt und Lena erklärt ihm, was passiert ist, ich werde in einen der Schockräume gebracht und an noch mehr Geräte angeschlossen, die wild piepen und blinken. Plötzlich bricht Hektik aus, drei oder vier Ärzte rennen um mich herum, dazu zwei Krankenschwestern, an der anderen Hand wird noch ein Zugang gelegt. Alle arbeiten unter voller Konzentration und werfen mit Fremdwörtern um sich. Wo ist Aleks? Jemand reißt mein Kleid auf, Lena ist auch weg.

"Schnell, wir brauchen die Laborwerte, das Fruchtwasser ist grün, die Herztöne kaum messbar, wir müssen uns beeilen", schreit ein Arzt über alle Köpfe hinweg.

Eine der Krankenschwestern steckt mir Sauerstoff in die Nase, was aber nach ein paar Sekunden wieder rausgerissen wird und ein Arzt in blauer OP-Kleidung über meinem Gesicht erscheint. Er sagt mir, dass ich ruhig weiter atmen soll, bis eine hellblaue Maske über der Nase schwebt.

"Linda, wir müssen dich in Vollnarkose versetzen, deinem Kind schadet es nicht. Ich weiß es ist gerade sehr hektisch hier, aber wenn wir dein Baby nicht sofort holen, wird es sehr ernst für euch beide. Du hast innere Blutungen, die wahrscheinlich von der Zwerchfellverletzung stammen. Du atmest tief ein, gleichzeitig spritze ich dir das Narkosemittel und wenn du wieder wach wirst, bin ich da und dein Baby auch", spricht er sanft mit mir, legt die Maske auf und geht ein Schritt zu meinem rechten Arm.

"Tief einatmen", ich versuche, alles auszublenden, "zähl von zehn rückwärts", ich fange an zu zählen, "eins, zwei, drei, vier", mir ist schön warm, schläfrig schließe ich die Augen, alle Geräusche verstummen, bis es schwarz und totenstill ist.

Dark Rose Band 3 ~ Für immer ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt