Teil 30

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Es ist bereits früher Nachmittag, als wir das schnuckelige Restaurant erreichen. Der Kellner führt uns zu einem abgelegenen Platz mit direktem Blick in den Hafen. Edi und sein Kollege stehen in unmittelbarer Nähe. Ein kleiner Mann, völlig aus der Puste, eilt zwischen den Tischen auf uns zu.

"Tut mir leid, ich bin zu spät. Aber die Telefonate konnten nicht warten. Oh, Entschuldigung, wo sind meine Manieren geblieben?! Ich bin Medin, freut mich sehr, Sie endlich kennenzulernen, Sie sehen genauso reizend wie Ihre Tochter aus." Ich verdrehe die Augen und Flo grinst mich an.

"Hallo, Linda. Lass uns direkt beim du bleiben und vor allem, hör auf, so geschwollen zu reden. Ich denke, du bist bestens informiert, dass ich im Rotlichtviertel arbeite." Er sieht mich überrascht an und Flo kann sich ein Lachen nicht verkneifen, wir bestellen unser Essen und die zwei sprechen hauptsächlich über geschäftliche Sachen, so dass ich anfange, mich zu langweilen. Verträumt blicke ich in den Hafen, wo eine Yacht schöner ist, als die Andere.

"Was meinst du, Linda?"

"Zu was? Ich habe nicht zugehört."

"Das habe ich gemerkt, Medin hat vorgeschlagen, dass du dir die Zahlen von unseren Unternehmen mal ansehen könntest, wenn das für dich in Ordnung ist?!"

"Natürlich, dann weiß ich wenigstens, was ich erbe, wenn dich das zeitlich segnet, oder ich mich scheiden lasse", ich hebe arrogant das Kinn und sehe Flo herausfordernd an.

"Meine Frau, ist sie nicht wieder lustig", sagt er zu Medin, schiebt eine Hand unter dem Tisch auf meinem Bein hoch bis zum Schritt, überrascht hole ich Luft und sehe ihn wissend an. "Das wäre so weit alles, ich will mit Linda noch auf den Friedhof, später genießen wir den letzten Abend allein. Wir sehen uns morgen im Büro."

"Die Kleine ist wirklich Zucker, Edita blüht in ihrer Rolle als Oma völlig auf. Ich wünsche euch noch eine schöne Zeit", er verabschiedet sich höflich und ist endlich weg.

Dicht gefolgt von unseren Aufpassern fahren wir zum Friedhof, die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel und das schwere Tor fällt mit einem lauten Krachen hinter uns zu. Flo umschließt meine Hand, sie ist eiskalt, seit wir ins Auto gestiegen sind, hat er kein Wort mehr gesprochen. Je näher wir dem Familiengrab der Milicaj's kommen, desto langsamer werden seine Schritte.

"Ich kann das nicht", seufzt er und lässt mich los.

"Doch du schaffst das, ich bin bei dir", ich ziehe die Sonnenbrille ein Stück tiefer, damit er mir in die Augen sieht, greife nach seiner Hand und führe ihn zum Grab.
Familie Faton Milicaj – Luana Camaj geb. Milicaj steht in goldenen Buchstaben auf der großen Steinplatte. Tränen verschleiern meinen Blick und bahnen sich ihren Weg an die Oberfläche. Flo sinkt auf die Knie und fährt über die Schrift auf der Marmorplatte, er murmelt leise etwas auf Albanisch und ich wische über mein nasses Gesicht. Er wird still, zieht schniefend die Nase hoch, holt mit der flachen Hand aus und schreit seine Wut in den Himmel.

"Warum Luana?! Warum hast du nicht auf mich gehört?!", brüllt er verzweifelt und sinkt mit den Beinen ganz auf den Boden, sein Oberkörper bebt und ich knie mich zu ihm. Doch ich schaffe es nicht, ihn mit meiner Anwesenheit zu beruhigen. Tiefe Schluchzer erschüttern ihn, ich kann ihm die Trauer und Last nicht abnehmen, damit muss er sich allein auseinandersetzen, sonst zerbricht er daran. Edi, der in direkter Nähe geblieben ist, schließt mich in die Arme und erneute Tränen tropfen auf sein Hemd. Väterlich streicht er über meinen Rücken, bis ich mich gefangen habe.

"Gehts wieder?"

"Ja", antworte ich mit erstickter Stimme und er geht zu Flo. Kniet sich zu ihm und redet leise auf Albanisch mit ihm. Flo sinkt in seine Arme und weint bitterlich. Ich verliere jegliches Zeitgefühl und stehe versteinert am Grab meines Schwiegervaters und meiner Schwägerin. Da fällt mir ein, das wir einen großen Strauß Rosen mitgebracht haben, ich mache mich auf die Suche nach einem Wasserhahn und fülle die Vase.
Stelle die weißen Rosen in die Mitte der Grabplatte. Der warme Wind weht durch den üppigen Strauß, ein Blütenblatt löst sich und fliegt in den blauen Himmel. Überrascht sehe ich der Blüte hinterher, auch Flo und Edi haben es bemerkt.

Dark Rose Band 3 ~ Für immer ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt