Teil 19

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Ich wache ausgeschlafen auf und sofort breitet sich Panik in mir aus, weil Sara sich nicht gemeldet hat, hektisch schaue ich nach links, ihr Bett ist leer. Mein Blick schießt im Zimmer umher und bleibt auf dem großen Sessel am Fenster hängen. Dort sitzt Flo mit Sara auf der Brust und die zwei schlafen friedlich. Ich greife nach meinem Handy und stelle fest, dass es schon nach neunzehn Uhr ist, das Tablett mit dem Abendessen steht abgedeckt auf dem Tisch und daneben die leere Flasche unserer Tochter. Flos Haare sind frisch geschnitten und ordentlich gestylt, er trägt ein schwarzes kurzärmliges Hemd, was seine muskulösen Arme noch mehr betont, dazu eine dunkelblaue verwaschene Jeans und seine Boots.

Leise schlüpfe ich aus dem Bett, schieße ein paar Fotos und stecke das Handy in die Hosentasche. Ganz langsam, damit ich Flo nicht wecke, nehme ich Sara aus seinen Armen, die prompt ein Knurren von sich gibt. Ihre dichten schwarzen Haare stehen in alle Richtungen ab, genauso wie bei ihrem Vater, wenn er sie nicht mit Gel bändigt. Ich kichere bei dem Geräusch und lege Sara in ihr Bett, wo sie direkt weiter schläft, tausche die Jeans gegen die bequeme Jogginghose und werfe einen Blick unter das Tablett. Etwas Nudelsalat, zwei Scheiben Brot mit verschiedenen Käsesorten, na ja übermorgen genieße ich wieder die Küche von Maria. Der Salat schmeckt sogar richtig gut, ich esse ihn komplett auf, trinke einen großen Schluck vom Früchtetee und bringe alles raus. Vor der Tür sitzt Nijaz und grinst mich schief an.

"Wo willst du denn hin? Gibt es dafür nicht die hübschen Krankenschwestern?", fragt er amüsiert.

"Ja gibt es, aber ich habe die Zeit verschlafen und jetzt stelle ich mein Zeug eben selbst weg. Oder übernimmst du das für mich, du hast doch sowieso nichts zu tun?!", lache ich leise.

"Gib schon her, der Wagen steht gleich den Gang hier runter. Schläft Flo?"

"Ja tief und fest, warum fragst du?!"

"Der ist mehr unterwegs als zuhause, Edi erledigt mit Medin, was in Durres liegen bleibt, Marin ist seit heute Nachmittag zurück. Gott sei Dank sind die komischen Russen weg, ein Problem weniger."
Ich nicke und schließe leise die Zimmertür, Flo sitzt unverändert schlafend im Sessel, Sara strampelt in ihrem Bettchen und ich sehe in ihr süßes Gesicht. Wechsele ihre Windel, lege mich mit ihr in mein Bett und streiche über ihren kleinen runden Bauch. Im Handumdrehen ist sie wieder eingeschlafen und meine Augen werden auch schwer. Saras Geschrei reißt mich um drei Uhr aus dem Tiefschlaf, Flo ist weg und ich bereite ihr schnell eine Flasche zu. Die letzten Tage im Krankenhaus sind wie im Flug vergangen, Lena hat mich ebenfalls besucht, nachdem sie einen Patienten eingeliefert hat, und wir haben vereinbart, dass sie an einem Abend im Rose zum feiern vorbei schaut, an dem sie alle Getränke frei Haus bekommt. Sara ist angezogen, mein Koffer fertig gepackt und ich setzte mich auf das gemütliche Krankenhausbett und warte das Flo uns abholt. Pünktlich klopft es an die Tür und er betritt lächelnd mit der Babyschale das Zimmer.

"Guten Morgen meine Schöne", er stellt sie neben Sara ab und beugt sich zu seiner Tochter runter, um ihr ein Kuss auf die Stirn zu geben.

"Ach, sie bekommt einen Begrüßungskuss und ich nicht", beschwere ich mich gespielt, verschränke die Arme unter der Brust und recke die Nase beleidigt in die Höhe. Flo packt mich an den Schultern, dreht mich um und greift fest nach meinem Kinn, so dass ich ihm in seine grauen Augen sehen muss.

"Du wirst immer an erster Stelle stehen, allerdings teilst du dir den Platz ab jetzt mit unserer Prinzessin,", er neigt seinen Kopf leicht zur Seite und seine Lippen nähern sich. Er küsst mich ganz keusch auf den Mund und widmet sich sofort wieder Sara. Schnallt die Kleine in der Babyschale fest, schnappt sich den Koffer und steuert die Tür an, doch ich halte ihn am Arm zurück.

"Du siehst völlig übermüdet aus, wann hast du das letzte Mal richtig durchgeschlafen?!", frage ich ihn ernst.

"Linda, du weißt doch genau, was für ein Haufen Arbeit auf mich wartet, ich schlafe, wenn ich Zeit dazu habe, es muss gerade so reichen, dass ich nichts durcheinanderbringe. Dir ergeht es doch im Moment auch nicht anders, durch dieses süße Wesen", antwortet er und schaut stolz auf Sara.

"Flo, wenn du zusammen klappst, hilfst du niemanden, erst Recht nicht uns. Wir fahren jetzt nach Hause und dann legst du dich hin, keine Widerrede und wenn ich dich ans Bett fesseln muss!", ich hänge die Handtasche fest über meine Schulter und habe bereits eine Hand auf der Türklinke, da drückt er mich an die Wand.

"Fesselspiele?", raunt er verführerisch in mein Ohr und presst seinen Körper noch dichter an mich. Ich stelle mich auf Zehenspitzen, um an sein Ohr zu kommen.

"Wir fahren sowieso kurz im Rose vorbei, dann kann ich Aleks fragen, was sie so zur Auswahl hat, weil wir leider keine Bettpfosten haben. Ich bin noch nicht wieder sexfähig, aber mir fällt schon etwas ein, dich ins Bett zu locken", hauche ich lasziv.

"Oh Linda", stöhnt er und seine wachsende Erektion pocht an meinen Unterleib, was mir ein Stechen der Kaiserschnittnarbe beschert. Ich drücke ihn an der Brust leicht zurück und öffne die Tür.

"Los, ich will nach Hause und du brauchst dringend Schlaf", Flo murrt und schiebt den Koffer zum Aufzug, am BMW angekommen, schnallt er Sara auf der Rücksitzbank fest, ich steige auf der Fahrerseite ein und starte den Wagen. Der X6 erwacht mit dem vertrauten dumpfen Röhren und Flo schließt seine Tür. Sicher fahre ich Richtung Innenstadt. Er legt den Kopf an die Stütze und eine Hand auf meinem Oberschenkel ab, die Parkbucht am Rose ist frei und ich versichere ihm, mich zu beeilen.

Tom und Andy fallen mir um den Hals und gratulieren mir, bevor sie mir die Tür aufhalten. Der vertraute Geruch begrüßt mich, er verschwindet wohl nie aus dem Gedächtnis. Am Empfang gratuliert mir Lynn von ganzem Herzen und teilt mir mit, dass alles wie gewohnt abläuft. Im zweiten Stock verlasse ich den Lift, Anastasias Zimmer ist direkt neben Claires und beide Türen sind offen. Sie steht vor dem Spiegel und beendet ihr Make-up, aber Ana ist nicht da.

"Wo ist deine Nachbarin?"

"Hey Linda, schön dich zu sehen, Glückwunsch zur Tochter", sie schließt mich in ihre schlanken Arme und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

"Die war vorhin kurz hier und ist genauso schnell wieder verschwunden. Ich finde sie sehr merkwürdig, du weißt, wir haben alle ein sehr offenes und herzliches Verhältnis, aber die Russin, nichts gegen Aleks, ist total komisch und eingebildet. Keine wird mit ihr warm und sie benimmt sich bei den Kunden, als wenn sie etwas Besseres ist."

"Okay, ich werde euch in ein paar Tage wieder besuchen und wir unterhalten uns noch mal. Wenn sich das nicht ändert, muss sie eben gehen. Überlegt Euch, was ihr am Jubiläum gerne veranstalten möchtet, das ist in zwei Wochen."

"Stimmt, das habe ich völlig vergessen, wir sprechen miteinander und jetzt ab mit dir nach Hause", sie scheucht mich raus und gerade als ich in den Lift steigen will, steht Anastasia vor mir.

"Ach, das trifft sich hervorragend. Wie läuft dein Job?", sie sieht mich mit großen überraschten Augen an.

"Oh, Linda, was machst du denn hier?", stottert sie leicht.

"Ich wollte nach dir sehen, aber du warst nicht da und deine Schwester hat mir berichtet, das dir die Eingewöhnung etwas schwer fällt."

"Ach, so schlimm ist es nun auch nicht. Als Hure zu arbeiten ist eben anstrengender. Hostessen kann man nicht mit Nutten vergleichen."

"Nein, da hast du vollkommen Recht. Milo hat mir aber erzählt, dass ihr mit den Männern regelmäßig ins Bett gestiegen seid, also über was diskutieren wir hier?!"

"So habe ich das auch nicht gemeint. Wir haben reiche Geschäftsleute zum Essen, ins Theater, auf Veranstaltungen oder Ausstellungen begleitet, beim passenden Honorar haben wir die Dienste erweitert. Allerdings war das mehr als hier."

"Wenn dir das Honorar nicht genügt, steht es dir frei, jederzeit zu gehen. Ich führe einen Puff und keine Begleitagentur und jetzt entschuldige mich, ich muss mich um meine Familie kümmern. Erledige deinen Job vernünftig, ich will keine Beschwerden von Freiern hören, denn das kam in den letzten vierzig Jahren so gut wie nie vor."

Anastasia sieht mich mit großen Augen an und ich warte, das sich die Aufzugtüren schließen, die Kleine hat echt Nerven und ein Gespräch mit Aleks ist dringend notwendig. Ihre Schwester scheint das Hurengen wohl nicht zu besitzen.

Dark Rose Band 3 ~ Für immer ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt