Dark Rose Band 3 ~ Für immer ~

Teil 6 -Flo-

Nijaz: sitze bei Linda im Auto

Sehr gut, auf meine Leute in Frankfurt ist einfach Verlass. Ich deute Marin an, dass er raus auf die Terrasse geht, barfuß hole ich zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank und folge ihm.

"Hier Bruderherz", ich reiche ihm eine und lasse mich auf die große Loungeinsel neben ihm nieder.

"Du hast tatsächlich Ernst gemacht. Respekt, ich hätte nicht erwartet, dass du es durchziehst. Die Wandfarben sind perfekt abgestimmt, wenn jetzt noch die neuen Möbel geliefert werden, erinnert nichts mehr an die zwei", staunt er. Wir stoßen an und schauen schweigend auf das ruhige Meer.

"Meinst du, Linda fühlt sich hier wohl?!, frage ich unsicher.

"Hast du es ihr noch nicht erzählt? Flo, selbst wenn ihr es nur als Feriendomizil nutzt, du musst es ihr sagen. Schließlich sind auch zwei Kinderzimmer vorhanden", grinst er mich schief an und trinkt einen großen Schluck Bier. Verträumt sehe ich auf die untergehende Sonne, die langsam im Meer versinkt.

"Weißt du, seit der Sache mit Rovena, will ich einfach nur das wir in Ruhe glücklich leben. Sie hat das Bordell und die Bar, wenn Linda nur ein Kind möchte, dann akzeptiere ich das, Hauptsache sie ist an meiner Seite." Mein Handy vibriert in der Tasche, ich ziehe es raus und sehe, das Aureliano anruft.

"Hey Kumpel, Probleme mit der Lieferung?"

"Ciao Flo, no, tutto bene, der Container hat den Hafen pünktlich verlassen. Ich rufe an, um dir mitzuteilen, dass Rovena mit Lucio De Santis in einen Flieger nach Deutschland gestiegen ist." Ich setze mich aufrecht hin, meine Atmung setzt aus, das Blut rauscht in den Ohren und mir ist heiss und kalt zugleich.

"Was sagst du da? Was wollen die in Deutschland? Nur die zwei? Oder noch mehr Familienmitglieder?"

"Langsam der Reihe nach. Was sie dort vorhaben, kann ich dir nicht sagen, sie sind mit dem Privatjet geflogen. Ich habe einen Kumpel bei der Luftfahrtverkehrskontrolle, der hat mir gesteckt, wo er landet. Das gefällt dir bestimmt nicht, das Ziel ist, Frankfurt." Das Meer beginnt vor meinen Augen zu verschwimmen und ich habe das Gefühl ohnmächtig zu werden.

"Scheiße Flo, atmen", schreit Marin und klatscht mir mit voller Wucht seine Hand auf die rechte Wange. Autsch, die hat gesessen.

Bist du noch dran?!", ich schüttele mich und umklammere das Smartphone so fest, dass es gefährlich in der Hand knistert.

"Aureliano, wie schnell kannst du in Frankfurt sein?! Eventuell mit ein paar Leuten?", ich habe mich aus der Schockstarre befreit und reibe über die Stelle, an der Marin mich geschlagen hat.

"Morgen im Laufe des Tages, dann muss Auri wohl ein paar Tage ohne ihren heißgeliebten Zwilling auskommen." Ich lege auf und mein Bruder sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

"Was ist los?"

"Rovena ist auf dem Weg nach Frankfurt. Scheiße, ich kann hier nicht weg. Die Lieferungen von Aureliano trifft morgen ein und die aus Kolumbien in zwei Tagen. Außerdem bin ich mit Hamza verabredet. Guter Schlag übrigens", wir grinsen uns an, er weiß genau, dass er im Ernstfall keine Chance gegen mich hat. Er trainiert regelmäßig, aber nicht mit der Disziplin und Ausdauer, die ich an den Tag lege, seit dem Tod von Luana und Arian.

"Vielleicht hat sie gar nicht vor bei Linda aufzutauchen und du übertreibst. Ich kann auch erst nach Frankfurt und anschließend nach Berlin fliegen."

"Nein, es bleibt alles so wie besprochen. Die Informationen über Avdijaj und der Plan sind wichtiger. Kopflos vorzugehen, bringt uns kein Stück weiter. Ich kann keinen neuen Ärger und eventuell noch mehr Tote gebrauchen." Nervös reibe ich mir über die Stirn, als es erneut klingelt. Mit großen Schritten gehe ich zur Tür, wo mich Edi mit einem breiten Grinsen begrüßt.

"Komm rein, wir sind auf der Terrasse", ich weise meinem Bodyguard den Weg und gehe neben ihm wieder nach draußen. Er setzt sich auf den weißen Hocker und legt einen Fuß auf dem Knie ab. Die Sonnenbrille ist verspiegelt und verleiht seinem Gesicht eine gewisse Härte.

"Rovena ist mit ihrem italienischem Mafiosi auf dem Weg nach Frankfurt. Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du dich direkt auf den Weg machst. Aureliano ist ab morgen vor Ort."

"Flo so sehr ich meinen Job liebe, aber deine Sicherheit ist auch wichtig, genauso wie die deiner Frau und dem ungeborenen Baby. Wenn Aureliano morgen da ist, hat sie mit ihm genügend Sicherheitspersonal um sich, also fahr dich runter. Du weißt doch gar nicht, was deine Ex überhaupt in der Stadt will. Erledige hier deine Arbeit und dann flieg wie geplant in zwei Wochen nach Hause."

"Edi hat recht, wir wissen nichts, und es bringt niemanden etwas, wenn wir in Paranoia verfallen. Ich bespreche alles mit Alim und wir schauen was die Information ergeben. Ich muss los Flo, mein Flug geht in zwei Stunden." Marin steht auf und ich begleite ihn zur Tür.

"Pass auf dich auf, wir sehen uns in Frankfurt", er umarmt mich und ich schließe für einen Moment die Augen, genieße die friedliche Ruhe, bis er in seinen BMW steigt und Richtung Flughafen aufbricht.

Die Sonne ist fast verschwunden und ich reiche Edi ein Bier, gieße mir stattdessen ein Fingerbreit Whiskey in eines der neuen Kristallgläser. Der Alkohol leuchtet bernsteinfarben und ich kippe ihn in einem Zug runter. Edi versucht mich, mit belanglosem Geplänkel abzulenken, aber ich höre ihm nicht richtig zu. Wenn Rovena meiner Frau oder unserem Baby auch nur ein Haar krümmt, lösche ich ihre ganze Familie sofort aus. Ich gieße mir mittlerweile zum vierten Mal nach und der Alkohol macht sich langsam bemerkbar, denn eine trügerische Stille breitet sich in mir aus.

"Ich fahre nach Hause, ruf mich an, wenn du zu Hamza fährst. Wir treffen uns bei ihm, bleib sitzen, ich finde allein raus."

Ich greife nach meinem Handy auf dem Tisch und wähle die Nummer von Linda. Doch sie geht nicht dran, ich versuche es noch sechsmal, aber ich werde ständig auf die Mailbox umgeleitet.

Herrgott, es ist gleich dreiundzwanzig Uhr! Wo steckt sie wieder?! Eine böse Vorahnung beschleicht mich und ich rufe im Dark Rose an. Lynn meldet sich ganz professionell.

"Guten Abend, Dark Rose Frankfurt, Lynn am Apparat, was kann ich für Sie tun?!"

"Hallo Lynn, Flo hier, ist meine Frau im Haus?!"

"Flo, schön dich zu hören. Wie geht es dir?"

"Danke gut, wo ist Linda?!"

"Sie hat einen Geschäftstermin, ich kann ihr gerne etwas ausrichten, sobald der Termin zu Ende ist."

"Nein. Ich muss sie jetzt sprechen, sofort!", langsam reißt bei mir der Geduldsfaden und Wut kocht hoch.

"Das geht leider nicht, sie hat ausdrücklich darauf bestanden, nicht gestört zu werden. Tut mir leid."

"Was zur Hölle?!", frage ich angefressen und drücke das Gespräch einfach weg.
Wütend schmettere ich das Handy auf den Boden und es zerbricht in tausend Teile, in meinem vom Alkohol vernebelten Gehirn, schrillen sämtliche Alarmglocken. Ich muss mich ablenken, sofort. Zwei Stufen auf einmal sprinte ich die Treppe in den ersten Stock, Adrenalin rauscht durch meinen Körper. Im Schlafzimmer ziehe ich das T-Shirt über den Kopf, tausche Jeans gegen eine kurze Sporthose und renne runter in den Fitnesskeller. Den ich extra einrichten lassen habe, damit ich nicht in ein Studio in der Stadt fahren muss, er ist direkt neben der Tiefgarage.

In einem kleinen Schrank in der Ecke finde ich weißes Tapeband und wickele es fest um die Fingerknöchel. Der Boxsack lächelt mich an und ich fange an ihn mit gezielten Schlägen und Tritten zu malträtieren. Nach zwei Stunden rinnt der Schweiß in Strömen an meinem Körper herab und mein Atem ist ein wildes Keuchen. Das Tape hat sich rotverfärbt und der Alkoholnebel ist einem Adrenalinkick gewichen. Alle Muskeln schmerzen und meine Hände sind etwas taub. So ein Mist, die Knöchel sind aufgeplatzt, nur schade, dass es keiner zu spüren bekommen hat. Schwer atmend halte ich den Boxsack fest umklammert und gehe zu den bodentiefen Fenstern. Mein Blick gleitet auf das rabenschwarze Meer, in dem sich der Vollmond spiegelt. Einzelne Sterne blinken am Himmel, ich muss Edi sprechen, völlig egal das es mitten in der Nacht ist. Gut, dass im Büro noch ein ganz normales Telefon ist und ich ein Ersatz-Smartphone in der Schreibtischschublade habe.