20. Versprich es

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Nach dem Abendessen ging Seren mit ihrem Schlafsack, wie fast immer, zum Baum, breitete ihn aus und sah in den Nachthimmel. Er war sternenklar und der Vollmond strahlte. Sie hörte Schritte, blickte in die Richtung, aus der sie diese vernahm und da kam Ace zögernd auf sie zu. "Hey Sommersprosse! Was los?" Er druckste herum. "Komm her und setz dich." Er blickte unsicher umher und sie hielt sich eine Hand vors Gesicht. "Na pack weg, was du hinter deinem Rücken hast. Ich gucke auch nicht." Er atmete erleichtert aus, versteckte die Sachen unter dem Schlafsack und setzte sich neben sie.

"Seren, du meintest doch, ich soll kommen, wenn ich die Antwort weiß." Sie nickte und sah ihm in die Augen: "Und? Warum bist du, wie du bist?" "Versprich mir, dass du mich nicht hassen wirst. Das könnte ich nicht ertragen." Sie griff nach seiner Hand und sagte erschrocken: "Ace, ich könnte dich nie hassen, egal was ist." "Das sagst du jetzt." Er sah zum Himmel. "Versprich es." "Ich schwöre es dir sogar, auf alles, was mir etwas bedeutet." Er nickte. "Mein Vater ist..." Er brach ab, sie stand auf und hockte sich vor ihn. "Ja... ich bin da und höre dir zu und gehe bestimmt nicht weg.", lächelte sie ihn warm an und so fasste er sich ein Herz. "Gol D. Roger.", flüsterte er. Sie umarmte ihn kurz und ließ sich anschließend wieder neben ihm nieder.

"Und du glaubst, deswegen bist du, wie du bist? Weil der Piratenkönig dein Vater war?" Er nickte mit gesenktem Blick. Sie sah nachdenklich zum Firmament und ließ sich nach hinten auf ihren Rücken gleiten. "Weißt du Ace, ich denke, es wird Zeit, dir etwas von meiner Vergangenheit zu erzählen... Ich bin von zu Hause abgehauen und adeliger Abstammung, meine Mutter ist überaus vermögend." Er sah sie erstaunt an. "Ich wollte endlich frei sein und etwas außer dem Palast, ihr und den Bediensteten sehen." Er legte sich neben sie. "Verstehe... deswegen bist du gleich so gut mit Sabo ausgekommen." "Ja, das könnte sein..." Sie drehte sich auf die Seite und sah ihn an. "Sie hat mich mein Leben lang eingesperrt, dass sie immer beteuerte, dass es zu meinem Besten sei, machte das Ganze nicht besser. Ich war, solange ich denken kann, immer nur traurig oder wütend und machtlos... Das aller Schlimmste für mich war allerdings, dass sie mir nie gesagt hat, wer mein Vater ist... Das macht mich noch immer fertig. Eines Tages habe ich sie gefragt, ob Gol D. Roger mein Vater sei..." Ace stockte der Atem und er drehte sich zu ihr. "Er war der einzige, der mir einfiel, wo ich mir einen Grund ausmalen konnte, wieso sie ihn verheimlichte, doch sie verneinte und ich war enttäuscht." "Wieso das? Sei doch froh! Das Kind des Teufels zu sein ist echt nicht so einfach." "Ach Ace...", schüttelte sie den Kopf, setzte sich auf und auch er erhob sich. "Das, was du so gehört hast, kam doch alles von Leuten, die ihn gar nicht kannten und nur das Geschwätz der Marine nachplappern, das kannst du doch nicht ernst nehmen.", sah sie ihn mit einer Mischung aus Traurigkeit und Verzweiflung an. "Ich bin kein guter Mensch Seren... Jeder sagt, dass es besser gewesen wäre, wenn ich nie geboren worden wäre und vermutlich haben sie alle Recht." Sie hatte vor Schreck geweitete Augen, stand auf, ging ein paar Schritte und sah zum Himmel. Als sie nach Minuten noch immer so da stand, erhob er sich zögernd, ging zu ihr und legte ihr unsicher eine Hand auf die Schulter. Sie sah ihn an, als sei sie gerade aus einem Alptraum aufgewacht und würde nur langsam begreifen, dass sie wieder in der Realität war. Sie nahm seine Hände in die ihren und er konnte ihr ansehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete.

"Ace...", flüsterte sie und begann dann sehr langsam zu sprechen, um ihre Gedanken in Worte zu fassen, die einen Sinn ergaben. "Ich bin nur ein zehnjähriges Mädchen, das noch nicht viel von den Schrecken dieser Welt gesehen hat... Doch weiß ich sehr genau, wie grausam Menschen sein können und wie sehr Worte verletzen können... Und da ist noch etwas, das ich weiß, nämlich dass der Lauf der Dinge durch Taten beeinflusst wird, ebenso wie durch das Ausbleiben jener." Er sah sie beinahe von Wort zu Wort fragender an und das Mädchen atmete durch. "Es ist doch so, alles was wir machen hat einen Einfluss auf etwas oder jemanden. Wenn ich einen Mann töte, nehme ich vielleicht jemanden einen Verwandten oder verhindere, dass er in Zukunft jemandem das Leben rettet oder er hätte eines Tages etwas sehr schlimmes getan, was er dann ja nicht mehr könnte. Nehmen wir mal an letzteres ist der Fall. Dann wäre sein Tod etwas gutes. Und nun nehmen wir mal an, ich wäre nie geboren worden, er würde weiterleben und ganze Städte auslöschen oder andere schlimme Dinge tun... Was ich sagen will Ace... du weißt nicht, was wäre, wenn es dich nicht geben würde, aber du kannst es dir vorstellen und ich kann mir kein Szenario ausmalen, das ich schön finde, in dem du nicht vorkommst. Wer weiß, wärst du nicht auf der Welt, wäre ich es vielleicht auch nicht..." Er sah sie unsicher an. "An dem Tag mit dem Tiger..." Sie brach ab und eine Träne rann ihr über die Wange. "Seren?", fragte er leise und sie sah ihn mit feuchten Augen an. *Ich hab sie noch nie weinen gesehen* Fiel es ihm auf. "Wäre es an dem Tag anders gekommen, hätte ich damit nicht leben können. Es ist gut, dass du geboren wurdest, dass du lebst und wir uns getroffen haben. Ich weiß, seit ich dir das erste Mal in die Augen gesehen habe, dass du ein guter Mensch bist." Ihre Stimme war immer leiser und brüchiger geworden. Sie schluckte schwer und Tränen liefen ihr über das Gesicht. Er überlegte, sie zu umarmen, als sie ihm um den Hals fiel. "Du bist mir wichtig. Ich brauche dich.", flüsterte sie ihm ins Ohr. Er war überfordert. Konnte er ihr das glauben und sich selbst so akzeptieren, wie sie es ja scheinbar tat?

Die Blondine nahm ihn bei der Hand, zog ihn wieder mit zum Schlafsack, wo sich beide niederließen und sie sich mit den Handrücken die Tränen fort wischte. "Seren, ich weiß einfach nicht, was ich dazu sagen soll." Leicht hoben sich ihre Mundwinkel und sie legte eine Hand auf seine Schulter. "Dann sag einfach nichts." Er sah sie immer noch ungläubig an, was ihr nicht entging. "Wenn du mir nicht glaubst, werde ich es dir solange beweisen, bis du es glaubst.", versicherte sie ihm. Noch immer blickte er sie an und begann dann langsam: "Seren... ich möchte dir glauben... es ist nur so schwer..." Sie nickte verstehend. "Kein Problem, das wird schon werden.", lächelte sie ihn leicht an, was auch ihm ein unsicheres Lächeln entlockte.

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