„Papa?" fragte ich verschlafen und tippte auf mein Handy, um die Musik zu pausieren. Anscheinend hatte er welche angemacht als ich geschlafen hatte. „Ja, Maja?" fragte mein Vater und sah mich kurz von der Seite an, ehe er seinen Blick wieder auf die Straße richtete. Die Sonne schien mal wieder erbarmungslos und ohne Gnade, doch sogar das hatte ich liebgewonnen. „Wann sind wir da?" fragte ich. Wir fuhren bestimmt schon über eine Freiviertelstunde durch die Mittagshitze. „Gleich," er warf einen Blick auf das integrierte NAVI, „In drei Minuten." Um ehrlich zu sein, konnte ich immer noch nicht ganz glauben, was gerade passierte. Ich hatte nun beinahe vier Monate in Amerika verbracht und sie zählten zweifellos zu den schönsten meines Lebens. Ich hatte unglaublich viel erlebt, Erfahrungen gesammelt und vor allem wunderbare Freunde gefunden. Zwar hatte ich mich mit Leo nicht wirklich versöhnt oder entschuldigt, aber wir gingen normal miteinander um.
Die Stimme meines Vaters riss mich aus den Gedanken. „Wie fandest du es denn jetzt?" fragte mein Vater interessiert. „Eigentlich wirklich toll. Tut mir leid, dass ich am Anfang so abweisend war, aber Noah und Dave sind wirklich cool." Meinte ich ehrlich und trotzdem schwang schon jetzt Sehnsucht in meiner Stimme mit. „Hör zu, Maja. Wir werden Dave, Noah und auch alle anderen bald wiedersehen. Ich weiß nicht wann, aber bald. Opa und ich haben beide gemerkt wie glücklich du warst und wir waren uns einig, dass wir so eine Freundschaft, wie Noah, Dave und du sie haben, nicht zerstören können." Papa blickte konzentriert auf die Straße und mir stiegen zum zweiten Mal an diesem Tag die Tränen in die Augen. „Danke Papa. Das ist wirklich..." ich suchte nach Worten, fand jedoch keine... „Ich hab schon verstanden, du freust dich also." Papa lächelte wissend. Ich nickte heftig. „Bis wir uns wiedersehen kannst du ja immer noch über Zoom, FaceTime, Skype, WhatsApp und was weiß ich noch alles in Kontakt bleiben! Auch wenn Dave und Noah auf der Ranch kein WLAN haben, ein Internetcafé sollte doch auch in Eastgras vorhanden sein und einmal in der Woche können die sich ja auch Zeit nehmen und dorthin fahren." Fügt er noch hinzu. „Oh, ja! Das können sie sehr gut!" meinte ich und grinste bei der Erinnerung an die Fahrt von der Dave mir erzählt hatte.
Papa bog in ein Parkhaus mit niedriger Decke ein, und parkte. Der Motor verstummte und sofort war es gespenstisch still. Nicht viele andere Menschen waren unterwegs, um diese Uhrzeit. Hier war es so heiß, dass die meisten Menschen zwischen zwei und vier Uhr in ihren Häusern blieben. Vor allem in den Großstädten, wo sich die verbrauchte und stickige Luft noch speicherte. Wir beide stiegen aus und liefen an den Kofferraum. Dort nahm ich mir meinen Koffer und die Reisetasche.
Schwer bepackt liefen wir durch das stinkende Parkhaus und atmeten erleichtert auf, als die frischere Luft aus der riesigen Flughafenhalle, uns erreichte. Wir liefen stumm durch die riesige Halle auf unser Gate zu. Auch dort standen nur etwa dreißig Personen, alle in gemütlichen T-Shirts und kurzen Hosen gekleidet. In diesem Punkt passte ich mich ziemlich gut an. Ich hatte vor der Abfahrt mich ebenso in gemütliche Sachen geschmissen. Erschöpft ließ ich mich auf einen Sitz fallen und wollte gerade meine Trinkflasche aus den Tiefen meines Rucksacks hervorgraben, als eine Durchsage mich aufschrecken ließ. „Der Flug nach Köln geht in fünfzehn Minuten! Bitte begeben sie sich zum Gate! Wir wünschen ihnen einen angenehmen Flug mit der Lufthansa." Ich stöhnte auf und sah gequält in die eisblauen Augen meines Vaters. Der amüsierte sich etwas über mein Verhalten und zog die Tickets aus der Hosentasche.
Wenig später stellten wir uns an der Warteschlange an, die sich inzwischen gebildet hatte. Als wir durch den letzten Check gekommen waren, drehte ich mich um und wartete kurz, bis mein Vater auf einer Höhe mit mir lief. Mein Herz schlug etwas schneller als normal, denn allein die Vorstellung in einem fliegenden Etwas zu schlafen, machte mich wacher als Kaffee oder Cola. Obwohl ich ja auch den Hinflug gut überstanden hatte, war ich etwas beunruhigt. Mit dem Handy in der Hand lief meine einzige Begleitung den Glasgang entlang. An der Stewardess vorbei, die wir beide mit gespaltenen Gedanken, aber trotzdem freundlich grüßten, ins Innere der Maschine. „Dreizehn, vierzehn, fünfzehn! Hier sind unsere Plätze!" ich blieb im schmalen Gang stehen und wartete bis sich Papa an den Fensterplatz gesetzt hatte. „Wollen sie noch länger im Gang rumstehen?!" ertönte eine genervte und wütende Stimme von weiter hinten. Schnell setzte ich mich auch und ließ somit allen Leuten wieder freien Durchgang. Die Sitze konnte man weit nach hinten stellen, sodass sie flach wie eine Matratze lagen, ähnlich wie auf dem Hinflug. Es kam das allgemeine Gelaber aus den Lautsprechern, von wegen „bitte beachten sie die Sicherheitsmaßnahmen", „schnallen sie sich zum Starten und Landen an" und „ich bin heute ihr Pilot, einen angenehmen Flug" Ich krallte mich mit den Fingernägeln in die Armlehne und versuchte den Druck auf meinen Ohren auszugleichen. „Geht's?" fragte Papa unnötiger Weise von der Seite. Ich presste ein „Ja, klar." Zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Das Flugzeug beschleunigte sich und ich spürte, dass es nun abgehoben war. Trotzdem blieben meine Finger verkrampft. Höhr und höher stieg die riesige Maschine in den Himmel empor. Erst, als wir schon lange die Wolkendecke durchbrochen hatten, erlosch das kleine Anschnall-Symbol. Papa saß seinem Handy in der Hand neben mir. Ich fuhr nun den Sitz nach hinten und zog das Laken von der Lehne hinunter. So gut es ging, deckte ich mich zu und versuchte eine angenehme Position zum Schlafen zu finden. Ich deckte mich lediglich deshalb zu, da die Laken angenehm kühl und luftig waren. „Gute Nacht." Murmelte ich noch an Papa gewandt. „Schlaf gut." Ertönte eine Antwort. Das bestätigte sich, denn ich fiel wider Erwarten in einen tiefen Schlaf. Auch wenn es für mich wirklich ein paar viele Sonderumstände waren, war mein Schlaf sehr erholsam gewesen. Ich wachte erst nach etwa achteinhalb Stunden wieder auf. Als ich mich aufsetzte, schlief mein Papa neben mir. Ich fuhr mir einmal durch meine schokoladenbraunen Haare und griff nach meinem Handy. Der Flugmodus war bereits eingestellt und ich steckte meine Kopfhörer ein. Nun erklang leicht und ruhige Hintergrundmusik, welche mich ungemein entspannte.
Anscheinend war ich nochmal eingeschlafen, denn ich wachte auf. Mein Vater war inzwischen wach und hatte auch Kopfhörer in den Ohren. „Oh du bist wach! Ich habe noch was zu Essen für dich! Diesmal ist es aber nur was Kaltes..." Ich setzte mich zum zweiten Mal auf, doch diesmal kurbelte ich den Sitz wieder so, dass ich eine gerade Lehne hatte. Ich klappte den kleinen Tisch aus, der in der Lehne des Vordersitzes angebracht war. Papa stellte dort eine Pappschachtel mit einer Quiche ab. „Na das Essen auf der Hinfahrt sah deutlich besser aus..." stellte ich fest. „Es schmeckt auch nur mäßig." Gab mein Papa zu. Er sah mich von der Seite an. Ich begann still zu essen. Papa hatte recht gehabt, denn es schmeckte nicht wirklich gut, aber vielleicht musste man das bei Flugzeugessen so hinnehmen. Ich hatte vor Vorfreude auf Zuhause glitzernde Augen und ich freute mich unglaublich auf meine Mutter. „Wie lang braucht es denn jetzt noch?" fragte ich. Durch das Schlafen hatte ich das Zeitgefühl komplett verloren. Papa sah auf seine Armbanduhr und meinte: „Noch so zwei Stunden." Daraufhin lehnte wir beide uns wieder zurück. Ich lauschte wieder meiner Musik und bekam so kaum mit, was mein Vater neben mir tat. Die letzten Stunden verstrichen schneller als gedacht. Ich hatte Musik gehört und irgendwelche sinnlosen Spiele, wie zum Beispiel „Subway Surfer" gespielt. Doch nun ertönte schon wieder die Durchsage: „Sehr geehrte Gäste, wir werden in etwa zehn Minuten landen. Schnallen sie sich an und klappen die bitte ihre Sitze nach vorne." Ich kontrollierte nochmal, ob ich auch beides getan hatte, was aber glücklicher Weise der Fall war, denn schon spürte ich, wie wir sanken. Erneut spannte sich mein Körper an und ich kniff die Augen zusammen. Als ich endlich ein Ruckeln spürte und die Rollen aufgesetzt hatten, öffnete ich die Augen wieder. Wir kamen langsam zum Stehen und schon begannen die Leute, sich abzuschnallen, hektisch ihr Handgepäck zu suchen und sich durch den Gang zu drängen. Die Landschaft draußen sah wieder aus wie in Mitteleuropa: Es standen Pfützen auf dem Rasen neben der Landebahn und man konnte in der Ferne Wälder und Köln erblicken. „Bleib noch kurz sitzen, jetzt kommen wir sowieso nicht raus." Meinte Papa, als ich gerade aufstehen wollte. Er hatte Recht. Also sank ich wieder in den Sitz und wartete ungeduldig mit den Bändeln meines Hoodies spielend, welchen in inzwischen angezogen hatte. Ein Blick auf meine Wetter-App verriet nämlich, dass es gerade mal 15° Grad hatte.
Als die Gänge weitgehend leer waren, schnappten auch wir uns unser Handgepäck und liefen an der Stewardess vorbei, auf meinen Heimatkontinent. Europa. Ich erinnerte mich noch daran, dass meine Freunde alle gedacht hatten, dass der Alltag auf einer Ranch ungefähr so ablaufen würde: Man frühstückt fett, steigt dann sofort aufs Pferd und quält sie mit Westernreiten. Dann fängt man die ganze Zeit mit dem Lasso Kühe ein, welche dann gewaltsam am Boden festgehalten wurden. Ganz nebenbei würden auf einer Ranch auch noch massenweise heiße Cowboys leben, die den lieben langen Tag ohne T-Shirt rumliefen. Es klang nun absurd, denn ich hatte erfahren, wie es wirklich ablief. Wir befanden uns nun ab Gepäckband und warteten ungeduldig. Immer wieder warf ich blicke um mich, vielleicht würde meine Mutter ja nicht draußen warten, sondern würde reinkommen.
Eine gefühlte Ewigkeit später kam mein grauer Metallkoffer, welcher schon mit Stickern von überall aus der Welt übersäht war, an. Inzwischen auch einer von Amerika außerdem war er von Dave und Noah unterschrieben worden. Auch die Reisetasche schnappte ich vom Gepäckband und legte sie mir über die Schulter. Als auch Papa seinen Koffer hatte, liefen wir wieder durch eine Flughafenhalle. „Was denkst du, wo wartet Mama?" fragte ich. „Sie hat gesagt, sie wartete direkt vor dem Eingang." Stimmt. Ich hatte das Telefongespräch mitgehört. Nun liefen wir durch die riesige Tür nach draußen. Sogar durch die Massen von Menschen konnte ich eine bestimmte Person ausmachen.
***Puh, einfach 1 ½ K Wörter... Ich hatte die Idee, das vorletzte Kapitel wie eine Art Déjà-Vu zum ersten Kapitel zu machen. Hat man es überhaupt bemerkt?
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Countryroads
Teen FictionIch verstand es, denn ich hätte wahrscheinlich genauso gehandelt. Trotzdem war ich wütend. Meine Mutter arbeitete bei einer Organisation, die Kindern in armen Ländern half, die Folgen des Krieges zu überwinden. Sie reiste schließlich selbst dorthin...