Ich saß auf den Schultern meiner Mutter. Ich war noch wesentlich jünger als jetzt, wahrscheinlich ungefähr fünf. Wir liefen durch die Innenstadt eines kleinen italienischen Dorfes. Fachwerkhäuser standen eng aneinandergedrängt und die Fensterläden waren einheitlich haselnussbraun gestrichen. Überall an den Fassaden hingen Blumenkästen in den Blumen stolz über den Rand hinauswuchsen. Papa lief neben meiner Mutter, die beiden hielten sich an den Händen. Ich trug eine Latzhose über einem kleinen, geringelten T-Shirt. Eine leichte Brise wehte und man sah vereinzelt Katzen über die grob gepflasterte Straße streunen. „Schatz, möchtest du lieber ans Meer oder ein Eis essen?" fragte mich meine Mutter und sah zu mir hoch. Ich kicherte und legte ich eine Hand über die Augen. Auch mein Papa lachte und ich nahm meine kleine Hand wieder von ihrem Gesicht. „Ich mag ans Meer!" sagte ich bestimmt. Spielerisch stieß ich mit meinen kleinen Füßen in die Rippen meiner Mama und schrie: „Hüa! Los geht's mein Pferdchen!" meine Mutter spielte das Spiel bereitwillig mit und lief etwas schneller. Mein Papa musste sich beeilen hinterherzukommen. Als wir am Marktplatz ankamen, ließ meine Mutter mich hinunter. Begeistert lief ich sofort zum Springbrunnen, wobei ich fast über den unebenen Boden stolperte. Ich tauchte eine Hand in das kühle Nass und spritzte Wasser über das Kopfsteinpflaster. Lachend und unbeschwert lief ich hinüber zu einem Café, welches jedoch geschlossen hatte und die Stühle aufeinandergestapelt und festgekettet hatte. Erfolglos versuchte ich auf einen der Türme zu kraxeln. Stattdessen wurde ich von zwei Tauben abgelenkt, welche auf dem Boden herumpickten. Vor Freude quietschend lief ich von hinten auf die beiden grauen Vögel zu. Mit einem lauten „Buh!" und einem Schritt nach vorne jagte ich die Tauben in die Lüfte. Meine Eltern standen an der Kirche, einen Aushang lesend. Ich lief auf meinen Papa zu und klammerte mich an sein Bein. Überrascht sah er auf mich herab und strich mir liebevoll durch die kurzen, hellbraunen Haare. Damals wusste ich noch nicht, dass ich mal dunkelbraune Haare haben würde. Sie hatten sich im Laufe der Zeit verändert. „Jetzt zum Meer!" nörgelte ich und zupfte am Rand seiner kurzen Hose. „Natürlich, Schätzchen! Los geht's!"
Obwohl es kein Albtraum gewesen war, wacht ich nassgeschwitzt auf. Es war eine Erinnerung gewesen. Wie eine Art Déjà Vu. Schwer atmend strampelte ich die Bettdecke von meinen Beinen. Mich überkam das plötzliche Bedürfnis, mit meiner Mutter zu sprechen. Ohne Umschweife griff ich neben mich und bekam mein Handy zu fassen. Noch mit Schlaf in den Augen suchte ich nach der Handynummer meiner Mama. Als ich sie endlich gefunden hatte, tippte ich auf „anrufen" ich hörte das altbekannte Tuten aus dem Handylautsprecher und wartete geduldig. „Ja?" ertönte müde die Stimme meiner Mutter. „Hallo? Mama?" fragte ich. „Ach du bist es, Maja! Sag mal, hast du die Zeitverschiebung vergessen?! Bei mir ist es gerade kurz nach Mitternacht!" informierte sie mich etwas genervt.
Eigentlich hatte ich gedacht, dass sie sich trotzdem freuen würde, meine Stimme zu hören. Wahrscheinlich hatte sie einfach nur viel gearbeitet und war verständlicherweise müde.
„Ups... sorry Mama, ehrlich. Ich rufe dich dann später nochmal an." Meinte ich mit etwas schlechtem Gewissen. Ein Gähnen mit folgender Verabschiedung folgte aus Syrien. Seufzend stand ich auf. Unten, aus dem Zimmer meines Vaters, hörte ich ihn in sein Handy reden: „Ja. Ja wir haben uns entschieden." „Passt übermorgen?" „Okay, gut. Vielen Dank." „Danke für Ihr Mitleid, ja sie war eine wundervolle Frau." Das Gespräch von gestern Abend überrollte mich in Gedanken. Etwas frische Luft würde mir bestimmt guttun. Ich verließ im Schlafanzug das Haus, jedoch nicht bevor ich noch in meine Turnschuhe geschlüpft war. Das Gras war von letzter Nacht noch nass und es glitzerte im Morgenlicht. Schon nach ein paar Schritten waren meine Füße nass, doch das störte mich nur im Geringsten. Die Morgenluft war kühl, frisch und klar. Sie roch vielversprechend nach einem sonnigen und schönen neuen Tag.
Ich wusste nicht wieviel Zeit vergangen war, doch irgendwann lief ich wieder durch die helle Birkenholztür nach drinnen. Mich empfing der Geruch von Rührei und Bacon. „Guten Morgen!" rief ich gutgelaunt in die Küche. Das Telefonat, welches mein Papa wahrscheinlich mit einem Bestatter geführt hatte, hatte ich schon fast vergessen. Jörg grüßte genauso gutgelaunt zurück. Ich sprang die Treppe hinauf, direkt in mein Zimmer. In Rekordzeit zog ich mich um und ging aufs Klo. Zwei Stufen auf einmal nehmend, lief, oder eher hüpfte ich die Treppe hinunter. „Wieso denn so motiviert?" fragte Noah, ohne mir einen „Guten Morgen" oder ähnliches zu wünschen. „Heute ist ein wunderbarer Tag: Die Sonne scheint, es ist Donnerstag und Dave ist nicht da!" „Also erstes", wies mich Noah zurecht, „Ist die Sonne erst gerade aufgegangen und gestern hat es geschüttet wie sonst was, zweitens ist heute nicht Donnerstag, sondern Mittwoch und drittens, kommt Dave gerade." „Hups." Meinte ich nur und ließ mich auf einen der Stühle fallen. „Was ist mit mir?" fragte Dave etwas verschlafen und sah neugierig in die Pfanne, welche auf dem Herd stand. „Maja dachte heute wäre Donnerstag und sie hasst dich." Informierte Noah Dave gelangweilt schnaubend. „Ach, das kann bei Menschen, die gerade mal eine Gehirnzelle besitzen schon passieren. Nicht jeder erkennt, wie perfekt ich bin." Er fuhr sich durch die Haare und grinste selbstverliebt. Ich verdrehte die Augen und stöhnte. „Kinder, benehmt euch! Jetzt gibt's erstmal Frühstück." Opa hatte sich einfach die Pfanne vom Herd geschnappt und sie auf den Tisch gestellt. Das mit Bacon gemischte Rührei erfreute sich anscheinend großer Beliebtheit, denn ich konnte kaum gucken, so schnell saßen auch Papa, Sibille und Jörg am Tisch. Opa lachte sein raues Lachen und verteilte den Inhalt der Pfanne auf die Teller. Mit vollem Mund fragte ich in die Runde: „Was machen wir heute?" „Was haltet ihr davon, wenn wir unseren Gästen mal die Stadt zeigen?" fragte Sibille und sah abwartend in die Runde. Freudig stimmten alle zu.
***schreibt mir Supergerne eure Meinung, Kritik oder einfach Gedanken zu diesem Buch. Ich habe ab Montag wieder Schule, d.h. ich muss sehen wie ich uploaden kann (eine Englischarbeit ist auch noch am Start...).
Hättet ihr Lust auf 10 Facts about me?
Einen wunderschönen Tag noch, lou (:
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Countryroads
Teen FictionIch verstand es, denn ich hätte wahrscheinlich genauso gehandelt. Trotzdem war ich wütend. Meine Mutter arbeitete bei einer Organisation, die Kindern in armen Ländern half, die Folgen des Krieges zu überwinden. Sie reiste schließlich selbst dorthin...